Abschussfahrt

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Das Böse im Lustigen

Was wollte, konnte aber in Abschussfahrt – Vier ist einer zu voll nicht an die Oberfläche treten? Genregrenzen sind oft fließend, doch diesen Film zieht es tiefer in die Regionen einer blutigen Neo-Noir-Farce als für eine Komödie über eine Klassenfahrt zuträglich ist. Herausgekommen ist der unbefriedigende Kompromiss einer Art von Geisterbahnausflug in die Unterwelt von Prag.
Verknalltsein mit überrumpelnden Liebesgeständnissen, die Mitschüler mal von einer ganz anderen Seite kennenlernen, Probleme mit dem Alkohol bekommen und freudige bis nachdenklich machende Begegnungen mit einer fremden Kultur: Damit pflegen Klassenfahrten im Unterhaltungskino rührig und durchaus vergnüglich zu bespaßen. Aber Abschussfahrt-Regisseur und Autor Tim Trachte sucht mit etwas unheimlicher Besessenheit das Böse im(scheinbar) Lustigen. Gegen Ende zerschlägt der mit viel Muskel- aber wenig Gehirnschmalz ausgestattete Max (Max von der Groeben) auf einer Polizeiwache einem betrunkenen Clown die Flasche und schikaniert ihn. Polizisten, die das hören, aber nicht gesehen haben, packen den um sich schlagenden Clown brutal an, zerren ihn in eine Zelle. Im Anflug eines maliziösen Lächelns in Maxens Gesicht zeigt sich, was an Aggressivität im ganzen Film vor sich hin rumort.

Der betuliche Anfang und das klischeehafte Personal täuschen darüber hinweg. Max bildet mit dem schüchternen, rettungslos in Juli (Lisa Volz) verliebten Paul (Tilman Pörzgen) und dem beleibten, mit frechem Mundwerk gesegneten Berny (Chris Tall) ein Außenseiter-Trio, das sich auf der Klassenreise nach Prag rehabilitieren will. In der tschechischen Hauptstadt kommen sie dank der Kreditkarte von Bernys Papa in den Genuss von Strechtlimousine, schlammcatchenden Blondinen und vielen Drinks.

Aber so, wie die in Stop-Motion- und Zeitraffer-Aufnahmen die Stationen der Nacht aneinandergereiht werden, sieht das alles ziemlich langweilig aus. Also müssen Maschinenpistolen im Limousinen-Kofferraum auf Käufer warten, die Jungs in einem Sexclub mit bizarren Sado-Maso-Praktiken in einen Drogendeal verwickelt werden, einer von ihnen sich versehentlich selbst verstümmeln, und schließlich durch Tschechiens Metropole sogar wieder ein Panzer rollen.
Ist Prag schuld? Für Trachte suggeriert die Stadt „etwas Dunkles und Abgründiges“. Das ist vielleicht nicht ganz falsch. Man erinnert sich: Deutschlands erster Horrorfilm hieß Der Student von Prag, Gustav Meyrink erfand hier den Golem, und Franz Kafka phantasierte darüber, wie Menschen zu Käfern werden. Im Schatten gigantischer Vorbilder will Trachte, möglicherweise durchaus vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen, das Dämonische von Prag im kriminellen Milieu finden.

Unter dem Diktat bemühten Humors begegnen sich dort jedoch im wahrsten Sinne des Wortes nur Schießbudenfiguren, die vor Hämoglobin in Deckung gehen und über zerquetschte Autos weinen. Trachte, der fürs Fernsehen einen Psychothriller gemacht hat, wird seine Obsessionen in einem Genre für Erwachsene austoben müssen.

Abschussfahrt

Was wollte, konnte aber in „Abschussfahrt – Vier ist einer zu voll“ nicht an die Oberfläche treten? Genregrenzen sind oft fließend, doch diesen Film zieht es tiefer in die Regionen einer blutigen Neo-Noir-Farce als für eine Komödie über eine Klassenfahrt zuträglich ist. Herausgekommen ist der unbefriedigende Kompromiss einer Art von Geisterbahnausflug in die Unterwelt von Prag.
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Meinungen

Ursula Schönstetter · 04.04.2015

Freu mich total auf den Film Abschussfahrt!!! Sehr witzig!!!