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Ein großes Produktionsbudget, ein Jugendbuchklassiker als Grundlage, eine diverse Besetzung, Ava DuVernay auf dem Regiestuhl – kann da noch etwas schiefgehen?

Das Zeiträtsel (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Reisen durch Raum und Zeit

Im Grunde genommen geht alles schon mit dem Titel los. A Wrinkle of Time heißt Ava DuVernays Film im Original, basierend auf dem gleichnamigen Buch von Madeleine L’Engle. Dieses hat dann im Deutschen den Titel Die Zeitfalte bekommen – was eine durchaus passende Übersetzung und Beschreibung der im Buch beschriebenen und im Film gezeigten Art des Reisens ist. Doch die Verfilmung heißt nun Das Zeiträtsel, obwohl es doch gar kein Zeiträtsel in diesem Film gibt.

Vielmehr ist Dr. Alex Murry (Chris Pine) seit vier Jahren verschwunden, gerade noch hat er zu dem Tesseract geforscht, einer Methode, mit der weite Entfernungen durch Raum und Zeit zurückgelegt und das Universum bereist werden kann — und dann war er verschwunden. Abgehauen sagen gehässige Stimmen an der Schule seiner Kinder, die aber auch zunehmend mit dem Gedanken hadern, dass ihr Vater sie im Stich gelassen hat. Insbesondere seine Teenagertochter Meg (Storm Reid) leidet unter seinem Verschwinden. Aus der einstigen Vorzeigeschülerin ist ein Problemkind geworden, in der Schule wird sie gemobbt – und sie mag sich selbst auch nicht besonders. Auch ihr jüngerer Adoptivbruder Charles Wallace (Deric McCabe) ist ein Außenseiter in der Schule, hochintelligent, ein Wunderkind, aber eben auch ein wenig seltsam.

In einer stürmischen Nacht bekommt die Familie dann Besuch von einer exzentrischen Frau namens Mrs. Whatsit (Reese Witherspoon), die Charles Wallace bereits zu kennen scheint. Meg und ihre Mutter Dr. Kate Murry (Gugu Mbatha-Raw) sind misstrauisch und froh, als sie sie aus dem Haus haben. Doch am nächsten Tag folgen schon bald weitere Begegnungen – mit Mrs. Who (Mindy Kaling), die keine eigenen Worte hat und deshalb in Zitaten spricht, und schließlich Mrs. Which (Oprah Winfrey), die Meg, Charles Wallace und Megs Schulfreund Calvin (Levi Miller) erklärt, dass es bei allem darum geht, Megs Vater zu suchen. Denn es ist ihm tatsächlich gelungen, mit dem Tesseract zu reisen und dabei ist er auf das Böse gestoßen, eine Dunkelheit, IT genannt, die die Erde bedroht. Sie sollen nun den Wissenschaftler retten.

Der ungenaue Titel bleibt aber leider bei weitem nicht das einzige Problem des Films: Von Anfang an spielt er in einer sehr sauberen, sehr disneyfizierten Version der Welt, in der der Vater mit seiner Tochter spaßt, ihr liebevolle Geschenke macht und mit seiner Frau das Universum erforscht. Es ist eine perfekte Familie, die durch das Verschwinden des Vaters ins Wanken gerät, in der aber alles ein wenig zu perfekt erscheint. Sogar Meg hat als Teenagerin kaum Ecken und Kanten, daher ist es auch kaum zu glauben, dass sie in der Schule tatsächlich gemobbt wird. Sie passt äußerlich sehr gut dazu, einzig ihre Brille könnte sie unterscheiden, aber selbst die wird heutzutage getragen. Sie hat perfekte Haut, ist schlank und nur aufgrund ihrer Haare wird sie in dieser wohltuend divers besetzen Welt sicherlich nicht gehänselt.

Aber Meg bleibt wie alle anderen Figuren in diesem Film eindimensional. Dazu kommen Dialoge, die im Grunde genommen aus lauter Kalendersprüchen bestehen und die Botschaft des Films immer und immer wiederholen: Glaube an Dich selbst, dann kannst Du alles schaffen. Ja, das ist eine schöne Botschaft, gerade für einen Kinderfilm. Aber man muss sie nicht beständig wiederholen – und zumindest die erwachsenen Zuschauer wissen auch, dass es nicht ganz so einfach ist; und vermutlich wissen zu viele Kinder das auch schon.

Außerdem gibt es dann noch die Handlung, die immer wieder unlogisch und allzu einfach ist. Beispielsweise wird den Kindern gesagt, sie sollen auf dem Planeten, auf dem IT ist, unbedingt zusammenbleiben. Doch dann ist Charles Wallace auf einmal weg, aber wohl bereits in Sicherheit, während Meg und Calvin erst vor einer großen dunklen Bedrohung davonrennen müssen. Sie treffen Charles Wallace dann auf der anderen Seite der Mauer – wie er dorthin gekommen ist, wo doch die drei Mrs. auf diesem Planeten keine Kräfte haben und längst verschwunden sind, ist fraglich. Dass Meg zudem kurz darauf sagt, ihr würde nicht einfallen, ihren Bruder zurückzulassen, obwohl sie das doch bereits getan hat, spielt dann schon kaum mehr eine Rolle. Zumal es am Ende dann wohl kein Problem ist, dass ihr Vater seinen Sohn und letztlich auch sie zurückgelassen hat, um sich selbst in Sicherheit zu bringen.

Also reihen sich in diesem Film Szenen aneinander – oder fast besser gesagt: Setbilder. Fast jede Einstellung schreit förmlich von der Leinwand, wie knallbunt und phantasievoll sie doch ist, die Gesichter der Mrs. sind äußerst farbenfroh geschminkt und stets sehr freundlich, mit ihnen reisen die Kinder dann in eine Welt, die vor klebriger, generischer Schönheit und Bonbonhaftigkeit fast quietscht. Man sieht jedem Bild an, dass es Magie erzeugen soll – allein, es erzeugt sie nicht. Es ist alles zu künstlich, zu glatt, zu offensichtlich am Computer erstellt.

Deshalb bleibt es dann scheinbar wahllos ausgesuchten Popsongs überlassen, an den passenden Stellen dem Publikum zu vermitteln, welche Gefühle es haben soll. Einzig im Zentrum von IT wird es etwas besser. In der Schlichtheit des Kubus gelingen einige gute Bilder.

Daher bleibt vor allem zu hoffen, dass dieser Film nicht die Karriere von Ava DuVernay zu sehr beschädigt. Sie ist die erste afroamerikanische Frau, die Regie bei einem Realfilm mit einem Produktionsbudget von über 100 Millionen Dollar geführt hat. Die bisherigen Einspielergebnisse in den USA deuten aber darauf hin, dass es der Film an den Kinokassen schwer hat. Doch das hat nichts damit zu tun, dass das Publikum keine Filme von Frauen oder mit einem diversen Cast sehen will, sondern es liegt an dem Film und insbesondere an dem Drehbuch von Jennifer Lee und Jeff Stockwell. Die Vorlage von Madeline L’Engle erzählt weitaus komplexer von mehr Welten, natürlich musste sie gekürzt werden, aber hier fehlt die Verbindung. Außerdem darf man nicht vergessen, dass das Buch aus dem Jahr 1962 stammt und vieles von dem, was L’Engle erfunden hat – allein die dunkle Bedrohung namens IT weit vor Stephen King – mittlerweile zum Standard des Genres gehört. Hier hätten Lee und Stockwell etwas dagegen setzen müssen.

Deshalb bleibt es am Ende dann bei wenigen guten Szenen, einem Bild von James Baldwin, das ganz beiläufig in der Schule hängt, und einer Besetzung, deren Diversität nur zu loben ist. Aber all das reicht bei weitem nicht für einen guten Film aus.

Das Zeiträtsel (2018)

Nach dem plötzlichen Verschwinden ihres Vaters, einem Wissenschaftler, schicken drei eigenartige Wesen Meg, ihren Bruder und ihren Freund ins Weltall, um ihn zu finden.

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