A War

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Heimat und Fronten

Der dänische Drehbuchautor und Regisseur Tobias Lindholm ist an den schwierigen moralischen Fragen der Zeit interessiert – sei es als Co-Drebuchautor von Die Jagd oder als Regisseur von Kapringen / A Hijacking , der genau die psychologisch interessanten Fragen beantwortet, die Captain Philips auslässt. Sein neuer Film A War schließt hier an: Im Mittelpunkt stehen die Folgen der Beteiligung an einem Krieg.
Der Soldat Claus M. Pedersen (Pilou Asbæk) entscheidet in Afghanistan über Maßnahmen und Einsätze, seine Frau Maria (Tuva Novotny) kümmert sich zuhause um die drei gemeinsamen Kinder. Insbesondere der mittlere, ungefähr siebenjährigen Sohn Julius (Adam Chessa) hat Schwierigkeiten mit der Abwesenheit des Vaters und zeigt sie, indem er sich in der Schule prügelt und zuhause ständig Grenzen austestet. Die praktische und emotionale Lücke, die Claus hinterlässt, ist in diesen Bildern des Alltags der Familie deutlich zu erkennen. Hinzu kommt aber noch die Allgegenwart der Gefahr: Ein falscher Schritt und Claus könnte sterben – schließlich ist er im Krieg. Und sowohl er als auch seine Familie sind sich dieser konstanten Bedrohung bewusst. Hier ist inbesondere der Schnitt von Adam Nielsen hervorzuheben, der mühelos einen Rhythmus zwischen den Sequenzen in Afghanistan und Dänemark findet, so dass sich die Anspannung langsam aufbaut. Hinzu kommen die beeindruckenden Bilder von Magnus Nordenhof Jønck, in denen die Soldaten in Afghanistan förmlich mit dem Hintergrund verschmelzen und die Handkamera immer wieder die nervöse Unruhe einfasst. In Dänemark sind die Farben immer noch leicht ausgewaschen, aber deutlich städtischer und grüner, auch hier setzt er eine Handkamera ein und so sind die Unterschiede der Lebenswelten zu erkennen, zudem aber der gleichermaßen vorhandene Druck. Diese Bildsprache geht mit dem beobachtenden Stil von Tobias Lindholm eine bestechende Verbindung ein, gerade indem Authentizität nicht suggeriert wird, sondern ein Naturalismus stets vorhanden ist. Kein Bild wirkt bewusst komponiert, keine Szene entfaltet sich „wie im Drehbuch“ – und dadurch erscheint das Geschehen sehr natürlich, der Druck baut sich langsam auf, ohne dass er sich in einem Knall entlädt. Vielmehr trifft Claus eine fatale Entscheidung und kehrt früher nach Hause zurück.

In diesen ersten zwei Drittel ist A War eine großartige Erzählung über eine Familie im Krieg: der Mann an der Front, die Frau zuhause. Sie müssen alle die Konsequenzen tragen. Dabei liefert schon der Titel „Krieg“ wie bei Kapringen – übersetzt „Entführung“ – den Hinweis, dass es Lindholm nicht um den konkreten Konflikt in Afghanistan oder vor der somalischen Küste geht, sondern um übergeordnete Fragen nach den Grenzen der Moral, der Rolle des Geldes und vor allem den Verpflichtungen und Verantwortungen des Einzelnen. In beiden Filmen haben die Ereignisse außerhalb des Landes unmittelbare Konsequenzen im Inneren – sie zeigen deutlich die Konsequenzen politischer Entscheidungen im Familiären. Deshalb ist die Geschichte, die er erzählt, auf den ersten Blick nicht sonderlich neu. Aber er verzichtet auf sozialdramatische Höhepunkte – und zudem ist bei diesem Film das Wie entscheidender als das Was.

Mit Claus‘ Rückkehr nach Hause treffen die Situationen aufeinander: Weder Claus noch Maria können weitermachen, wo sie aufgehört haben, zudem droht Claus eine vierjährige Haftstrafe. Hier kommt zu einer Szene, in der es sich das Drehbuch von Tobias Lindholm etwas zu einfach macht. Bisher ist klar, dass Claus ein guter Soldat ist; das ist im Film zu sehen und wird von seinen Kameraden bezeugt. Aber auch gute Soldaten treffen falsche Entscheidungen, die tödliche Konsequenzen haben können. Ist die erste Entscheidung noch zu verstehen – er will einen Kameraden retten – oder gar zu rechtfertigen – vielleicht geschah sie wortwörtlich im Eifer des Gefechts eines überarbeiteten Soldaten –, gibt es im Nachhinein für sie keine Rechtfertigung. Claus weiß das und will das Richtige tun, doch es ist achließlich seine Frau, die ihn davon abbringt. Das passt weder zu Marias bisheriger Charakterisierung noch in Lindholms Erzählung von einem guten Soldaten und Vater, der dennoch für den Tod von Menschen verantwortlich ist. Doch es ist seine Frau, die ihn davon abbringt. Und wenn Lindholm doch erzählen will, dass es keine guten Soldaten gibt, hätte Claus diese Entscheidung alleine treffen müssen. Denn egal, ob Claus ein guter Soldat und guter Vater ist, ist er doch verantwortlich für den Tod von Menschen. Doch es ist diese zweite Entscheidung, die das filmisch weiterhin gute folgende Gerichtsdrama überschattet.

Abgesehen davon ist A War ein sehr guter Film mit hervorragender Besetzung. Pilou Asbæk spielt unter keinem Regisseur so gut wie unter Lindholm und harmoniert mit der ebenfalls guten Tuva Novotny. Søren Malling überzeugt mit einer kleineren Rolle, neben den professionellen Schauspielern sind auch dänische Soldaten zu sehen, die zu der Authentizität des Films maßgeblich beitragen. Deshalb bestätigt auch A War den Eindruck, dass Tobias Lindholm – neben Michael Noer – einer der interessantesten dänischen Filmemacher der Gegenwart ist.

A War

Der dänische Drehbuchautor und Regisseur Tobias Lindholm ist an den schwierigen moralischen Fragen der Zeit interessiert – sei es als Co-Drebuchautor von „Die Jagd“ oder als Regisseur von „Kapringen“ / „A Hijacking“, der genau die psychologisch interessanten Fragen beantwortet, die Captain Philips auslässt. Sein neuer Film „A War“ schließt hier an: Im Mittelpunkt stehen die Folgen der Beteiligung an einem Krieg.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen