A floresta de Jonathas - Im dunklen Grün

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Gegen den Urwald

Letztendlich ist es schwierig, den Film in wenigen Worten zu beschreiben, denn eigentlich lässt sich A floresta de Jonathas in drei — in der Erzählweise und Stimmung ganz unterschiedliche — Filme teilen. Er erzählt das Leben einer Familie im ländlichen Amazonasgebiet, zeigt das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, indem er den jüngeren Jonathas die Touristin Milly kennen lernen lässt, und präsentiert die Naturgewalt des Dschungels, in dem man sich nur allzu leicht verirren kann.
Jonathas (Begê Muniz) wächst zusammen mit seinem älteren Bruder Juliano (Ítalo Castro) in einer provinziellen Region in Brasilien auf. Die Eltern haben eine kleine Obstplantage, deren Erzeugnisse sie an einem kleinen Holzstand an der Straße an Vorbeifahrende verkaufen. Jonathas ist seinen Eltern eine große Hilfe und hat Verantwortungsgefühl gegenüber dem kleinen Familiengewerbe; Juliano hingegen lässt gerne einmal den Stand unbeaufsichtigt, um die Welt zu entdecken, Touristen kennenzulernen, mit den weiblichen Reisenden zu flirten und ihnen die Gegend zu zeigen.

Durch Juliano lernt auch Jonathas die Touristin Milly (Victoryia Vinyarska) kennen, eine Ukrainerin, die allerdings so gut englisch spricht, dass sie für Juliano nur „die Amerikanerin“ ist. Die drei machen sich zusammen mit Millys Begleiter — gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters — auf ein gemeinsames Campingwochenende in den Urwald auf. Jonathas findet Gefallen an der reiselustigen Europäerin, in langen Gesprächen nähern sich die beiden einander an, entdecken aber auch — wie das auf Reisen so ist — die kulturellen Unterschiede ihrer Herkunft. Und hier wird aus dem Film etwas ganz anderes als eine bloße Familien- oder Coming of Age-Geschichte: ein (inter)kulturelles Statement. Jonathas erklärt Milly sein Bild von seiner Heimat, die er gar nicht als „Brasilien“ empfindet: Brasilien ist „dort unten“, jenseits des Urwalds Amazoniens, „das ist ein anderes Land hier“. Und tief drinnen im Urwald ist nationale Herkunft einerlei, hier ist der Mensch Mensch — und vollkommen der Natur ausgesetzt.

Das muss dann auch Jonathas am eigenen Leib erfahren, als er am frühen Morgen loszieht, um für Milly wilde Passionsfrüchte zu suchen, die, wie er ihr erzählt, für Frauen eine magische Kraft beinhalten. Jonathas findet den Weg nicht zurück und irrt — sich sehr bald der Lebensgefahr bewusst, in die er hineingeraten ist — durch den Urwald. An dieser Stelle erinnert der Film vage an Alicia Schersons Turistas, die mit ähnlicher biologischer Genauigkeit das Leben in der Natur filmt. Nur wird in A floresta de Jonathas (dt. „Der Wald von Jonathas“) einmal mehr deutlich, welche Gefahren die Natur für den Menschen bereit halten kann. Der Dschungel wird zur Figur, zum Widersacher gegen Sympathieträger Jonathas. Und der Film erhält hier — erreicht durch Schnitt und Ton — fast eine fantastische Komponente, die den Film auch literatur- und filmgeschichtlich in Lateinamerika verortet.

Das Spielfilmdebüt von Sérgio Andrade macht deutlich: Der Regisseur kennt seine Heimat, das Amazonas-Gebiet und den Urwald gut. In Teilen wirkt der Film fast wie ein Dokumentarfilm, der (eben nicht nur) das (menschliche) Leben im Dschungel einfängt und akribisch beschreibt. Das letzte Drittel des Films ist dann auch das überzeugendste, aus dem der Film seine eigentliche Kraft nimmt. Hier erzeugt Andrade eine Spannung, die einen den Atem anhalten lässt und in einen Sog faszinierender Bilder hineinzieht.

A floresta de Jonathas - Im dunklen Grün

Letztendlich ist es schwierig, den Film in wenigen Worten zu beschreiben, denn eigentlich lässt sich „A floresta de Jonathas“ in drei — in der Erzählweise und Stimmung ganz unterschiedliche — Filme teilen. Er erzählt das Leben einer Familie im ländlichen Amazonasgebiet, zeigt das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, indem er den jüngeren Jonathas die Touristin Milly kennen lernen lässt, und präsentiert die Naturgewalt des Dschungels, in dem man sich nur allzu leicht verirren kann.

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