82 Days in April

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Eine Reise in die Trauer und den Schmerz

Es ist vielleicht die schwierigste Reise ihres Lebens. Herman (Marc Peeters) und Marie (Karen van Parijs) begeben sich nach Istanbul, um dort den Rucksack ihres tödlich verunglückten Sohnes abzuholen, der seine letzten Lebenstage in der Türkei verbracht hat. Der Schock sitzt ihnen noch in den Knochen. Wie im Traum, zumindest aber surreal, scheint sich dieses schwere Stück Weg anzufühlen, so zumindest inszeniert es Regisseur Bart van den Bempt in seinem Spielfilmdebüt. Die blassen Farben wirken wie die optische Entsprechung der von den Eltern empfundenen Trostlosigkeit. Mit ihrem Sohn ist – zumindest für eine Weile – auch die Freude aus ihrem Leben gewichen.
Vielleicht ist es der Versuch, noch nicht loslassen zu müssen, den Tod noch nicht zu akzeptieren, vielleicht aber auch genau das Gegenteil, nämlich das Bestreben, das Ereignis und seine Endgültigkeit zu verstehen, das Herman dazu bewegt, die letzten Reisestationen seines Sohnes abzufahren. Ein Notizbuch, Rechnungen und Visitenkarten dienen dabei als Reiseführer. Nur widerwillig lässt sich Marie dazu überreden, ihren Mann zu begleiten. Während sie der empfundenen Sinnlosigkeit der Aktion stets Ausdruck verleiht und die Depression ihr ins Gesicht geschrieben steht, setzt Herman seinen Plan akribisch um. Es reicht nicht aus, in demselben Hotel wie sein Sohn zu übernachten, nein, idealerweise soll es auch das letzte Zimmer sein. Selbst wenn Schneewehen den Ausflugspfad versperren, alles würde er unternehmen, um die letzten Spuren seines Sohnes zu verfolgen.

Natürlich kommt es zwischen den Eheleuten zum Konflikt. In ihrer Trauer finden sie zunächst wenig Verständnis für das Gegenüber, lassen sich doch ihre Bewältigungsstrategien nur schwer vereinbaren. Doch es ist nichts Boshaftes in ihrem Umgang miteinander. Van den Bempt macht die Intimität und Liebe der beiden für uns stets sichtbar.

82 Days in April ist ein sanfter Film, in dem Emotionen gedeckelt bleiben. Der einzige Gefühlsausbruch Maries findet bei Nacht statt, als wolle der Regisseur durch die Dunkelheit die Privatsphäre seiner Protagonistin wahren. Die kühlen Farben verstärken den nüchternen Stil der Inszenierung. Es ist angenehm, dass Bart Van den Bempt darauf verzichtet, den Zuschauer im Leid der Figuren baden zu lassen. Es braucht keine Tränen, kein Geschrei und schon gar keine melodramatische Musikuntermalung, um den Schmerz der Eltern auf dieser Reise nachzuvollziehen. Van den Bempt fängt ihre Gesichter immer wieder in wunderschönen Nahaufnahmen ein und lässt den aufmerksamen Zuschauer daran teilhaben, wie sich diese versteinerten Mienen nach und nach aufhellen.

Die sehr dezente, aber glaubwürdige Darstellung menschlicher Trauer und Trauerarbeit ist mit Sicherheit auch darauf zurückzuführen, dass Bart Van den Bempt vor seiner Filmkarriere als Psychologe tätig war. Die schon erwähnten Close-Ups verdeutlichen, dass es dem Regisseur primär um seine Figuren, die Menschen der Geschichte, und nur sekundär um die Narration geht. Von der türkischen Landschaft, durch die die Protagonisten fahren, sehen wir letztlich nicht mehr als von den Gesichtern der Figuren selbst, die ihrerseits zu menschlichen Landkarten für eine rein emotionale Reise werden. Die große Ruhe der Inszenierung entwickelt eine meditative Wirkung, in der die Gedanken des Zuschauers sich durchaus von der Geschichte wegbegeben. Auch die orientalische Musik lädt zum Träumen und gedanklichen Wandern ein.

Am Ende steht wunderbarerweise die Hoffnung und die Sonne, die nicht nur Marie und Herman, sondern auch uns die große Schönheit der Szenerie und des Lebens offenbart.

82 Days in April

Es ist vielleicht die schwierigste Reise ihres Lebens. Herman (Marc Peeters) und Marie (Karen van Parijs) begeben sich nach Istanbul, um dort den Rucksack ihres tödlich verunglückten Sohnes abzuholen, der seine letzten Lebenstage in der Türkei verbracht hat. Der Schock sitzt ihnen noch in den Knochen. Wie im Traum, zumindest aber surreal, scheint sich dieses schwere Stück Weg anzufühlen, so zumindest inszeniert es Regisseur Bart van den Bempt in seinem Spielfilmdebüt.
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