360 (2011)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Ein Reigen voller Liebesbeziehungen

„We are all connected.“ Das zumindest gilt für die Figuren aus 360, dem neuesten Film des Brasilianers Fernando Meirelles: Figuren, die sich lieben und verlieben, miteinander Sex haben oder auch nicht, die durch die Welt reisen und dabei meist auch irgendwohin zurückkehren. Der Film, der eine Reihe der großen Städte der Welt miteinander verbindet und ein ganzes Dutzend renommierter Schauspieler vereint, ist inspiriert von Arthur Schnitzlers Der Reigen, und das macht der Film mehr als einmal deutlich.

Eine Frau fotografiert eine Frau. Diese geht in ein Apartmenthaus; nach einiger Zeit kommt von dort ein Mann heraus, den die Frau mit dem Sucher ihrer Kamera verfolgt. Dies sind die Beweisfotos, die Laura (Maria Flor) speichert und ihrem Freund Rui (Juliano Cazarré) – eben dem Mann – hinterlässt – als Grund für die Rückkehr in ihr Heimatland: Sie hat genug davon, zu Hause zu sitzen und auf ihn zu warten, während er mit anderen Frauen schläft. Der Film fokussiert noch kurz die Reaktionen von Rui, wechselt dann jedoch zum Handlungsstrang „Laura“. Und auch die Spur der anderen Frau, Rose (Rachel Weisz), wird verfolgt. Sie ist die Frau von Michael (Jude Law), der in Wien mit einem deutschen Partner (Moritz Bleibtreu) Geschäfte gemacht und sich offensichtlich zum ersten Mal ein Mädchen für die Nacht organisiert hat.

360 präsentiert zehn Geschichten, die mühelos ineinanderfließen und sich überlappen, elegant ineinander übergehen und sich wieder im Lauf der Welt verlieren. Die Kamera verfolgt eine Figur, und diese trifft auf eine andere, der die Kamera von nun an folgt. So beobachtet sie John (Anthony Hopkins), wie er in einer Selbsthilfegruppe von seiner jahrelangen erfolglosen Suche nach seiner verschwundenen Tochter und von der Begegnung mit der jungen Brasilianerin Laura erzählt, die ihm – aufgrund der Begegnung mit Tyler (Ben Foster) – eine Notiz hinterlassen hat: „Wir leben nur das eine Mal. Wie viele Chancen bekommen wir?“ Valentina (Dinara Drukarova) lauscht Johns Worten und wendet sie unmittelbar auf ihr Leben an. Die Kamera verfolgt nun den Weg von Valentina – wie sie zurück nach Paris fliegt, dort einen Schlussstrich unter ihre Ehe mit Sergei (Vladimir Vdovichenkov) zieht und einen Neuanfang mit ihrem Chef, einem Zahnarzt (Jamel Debbouze), wagen will.

An dieser Stelle verlässt die Kamera die Zahnarzthelferin und heftet sich an Sergejs Fersen, der mit dem Auto von Paris nach Wien fährt, um dort seinen Boss zu treffen. Während dieser ein Rendezvous mit Freudenmädchen Blanka (Lucia Siposová ) hat, begegnet Sergei deren Schwester Anna (Gabriela Markinkova) – und der Reigen schließt sich, der Film hat zu seinem Anfang zurückgefunden. Wäre da nur nicht diese eine Runde zu viel entlang des Kreises: die Andeutung, dass alles noch einmal von vorne beginnt und der Reigen neu getanzt wird; diese hätte der Film nicht nötig gehabt und hätte dann vielleicht einen noch explosiveren Schluss gefunden.

Fernando Meirelles war ein in Brasilien bekannter Fernsehregisseur, der Telenovelas wie Domésticas drehte, bevor er mit dem brasilianischen Arthouse-Export City of God auf sich aufmerksam gemacht hat. Seitdem ist er aus dem inter- beziehungsweise transnationalen Kino nicht mehr weg zu denken. Er hat Der ewige Gärtner von John le Carré ebenso verfilmt (Der ewige Gärtner, 2005) wie Die Stadt der Blinden von José Saramago (Die Stadt der Blinden, 2008). Stets arbeitet er mit einem internationalen Team und macht globales Kino.

Auch 360 ist ein solcher Film, der die Globalisierung zum Thema macht. Er spielt in Wien, Bratislava, London, Paris und Denver und kehrt über Phoenix und Rio de Janeiro und Berlin nach Wien – so scheint es – zurück. Unterstützt wird die Internationalität durch den Soundtrack des Films, der großartige Musiker aus aller Welt zusammenbringt. Da ist die rauchige Stimme von Tom Waits, die die Wien-Sequenzen musikalisch ausmalt, oder die gewaltige Musik von Lhasa, die selbst schon als Weltmusikerin gilt. Vor allem auch deshalb ist der Film sehenswert, steckt er doch voller unterschiedlicher Stimmungen und Lebensgefühle, die Lust machen, selbst um den Erdball zu tanzen.
 

360 (2011)

„We are all connected.“ Das zumindest gilt für die Figuren aus „360“, dem neuesten Film des Brasilianers Fernando Meirelles: Figuren, die sich lieben und verlieben, miteinander Sex haben oder auch nicht, die durch die Welt reisen und dabei meist auch irgendwohin zurückkehren. Der Film, der eine Reihe der großen Städte der Welt miteinander verbindet und ein ganzes Dutzend renommierter Schauspieler vereint, ist inspiriert von Arthur Schnitzlers „Der Reigen“, und das macht der Film mehr als einmal deutlich.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen