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Im Jahr 1986 zeichnet sich das Ende der DDR noch lange nicht ab. Die Abiturientin Anna aus Westdeutschland und ihr Ostberliner Freund Philipp wissen nur, dass die innerdeutsche Grenze ihre Liebe nicht ausbremsen darf. Aber bei jedem Besuch Annas spüren die beiden ihre Unfreiheit stärker.

Zwischen uns die Mauer (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine Liebe, die der DDR nicht gefiel

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls kommen Filme ins Kino, die sich an ein junges Publikum richten, das die bittere Realität der deutsch-deutschen Grenze nicht erlebt hat. Der Animationsfilm „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ bietet etwa eine dramatische Geschichtsstunde über die friedliche Revolution von 1989 für Kinder von heute.

Zwischen uns die Mauer, basierend auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Katja Hildebrand, erzählt von einer Ost-West-Jugendliebe, die sich der Trennung durch die Mauer widersetzt. In beiden Geschichten offenbart sich den Protagonisten und mit ihnen dem Publikum die ganze Absurdität des DDR-Regimes, sobald dieses den Inbegriff menschlicher Freiheit, das Zusammenstreben zweier Freunde oder zweier Liebenden, attackiert.

Die 17-jährige Anna (Lea Freund) wohnt in der westdeutschen Provinz und sehnt sich danach, endlich einmal Westberlin kennenzulernen. Deshalb nimmt sie an einer kirchlich organisierten Jugendreise teil, die einen mehrtägigen Austausch mit jungen Christen in Ostberlin zum Ziel hat. Die Tagesbesuche in Ostberlin will Anna lediglich als lästige Pflicht absolvieren, doch im Haus des Pfarrers Andreas (Götz Schubert) ändert sie ihre Einstellung rasch. Denn sie verguckt sich in seinen Sohn Philipp (Tim Bülow). Die beiden seilen sich zwischendurch auch mal von der Gruppe ab und schlendern durch die Straßen, reden, strecken ihre emotionalen Fühler aus.

Der Abschied am Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße fällt Anna und Philipp sehr schwer. Es folgen Briefe, Anna vernimmt die Stimme ihres Herzens immer lauter. Anstatt in den Skiurlaub mit den Eltern (Franziska Weisz, Fritz Karl) und der kleinen Schwester fährt Anna nach Westberlin. Mit einem Tagesvisum für Ostberlin in der Tasche klingelt sie an Philipps Wohnungstür… Fortan kämpfen die beiden Verliebten an zwei sehr unterschiedlichen Fronten. Anna widersetzt sich ihren Eltern, die ihr die Reisen in den Osten verbieten wollen. Philipp, der Rebell, beobachtet heimlich aus einem Speicherfenster einen Wachturm an der Mauer. Er erkennt ein Muster, wenn die Wache wechselt, die Soldaten scheinen ein paar Sekunden abgelenkt zu sein. Könnte er in dieser Zeit nicht mit einer Leiter die Mauer erklimmen?

Lea Freund spielt Anna als ein durchschnittlich wirkendes Mädchen ohne hervorstechende Eigenschaften, ihr Herzklopfen ist zunächst kaum vernehmbar. Auch mit Tim Bülow als Philipp kann man eine Weile fremdeln, denn er erscheint vor allem äußerlich sehr markant, mit seinen Locken, der Nickelbrille und der Lederjacke. Eine solche Figur verbindet man am ehesten mit dem Klischee der intellektuellen Existenzialisten von Paris. Auch um rebellische, regimekritische Sprüche, die er erstaunlich laut proklamiert, ist Philipp nicht verlegen. Die Chemie des Pärchens hat Startschwierigkeiten. Angeheizt wird sie von der schieren Verwunderung der beiden, wenn sie sich nach Monaten für ein paar Momente von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen dürfen.

Die Geschichte erinnert in ihrer Thematik stark an Connie Walthers Jugendfilm Wie Feuer und Flamme aus dem Jahr 2001, erreicht aber lange keine vergleichbare emotionale Intensität. Da hilft es auch wenig, wenn Anna daheim am Flussufer steht und die Strömung betrachtet, die  Freiheit und Sehnsucht symbolisiert. Unter der Regie von Norbert Lechner (Tom und Hacke) schleicht sich Annas und Philipps Drama langsam, beinahe unmerklich ein und kriecht einem dann doch unter die Haut. Man verliebt sich in die Gesichter, meint schließlich in ihnen sogar die Sprachlosigkeit zu lesen, die aus der individuell und sehr unterschiedlich erlittenen Gewalt des DDR-Staates resultiert.

Denn die Grenze schiebt sich immer stärker ins Bewusstsein des Pärchens, übernimmt als Kontrahentin die Regie. Die DDR gewährt Anna allenfalls Zutritt, sie kann ihn aber auch verbieten. Die Stasi macht sich bemerkbar. Anna wird verhört, weil sie eine Platte nach Ostberlin schmuggeln wollte. Durch Philipp erfährt sie, dass in Ostberliner Häusern, die an die Mauer grenzen, der Blick aus den Fenstern auf die Wachtürme nicht gestattet ist. Schließlich fällt der Eiserne Vorhang mit einer Unerbittlichkeit, die dem Paar den Atem raubt.

Aber offenbar herrscht die Angst unter Filmemachern, dass sie den Kern eines deutsch-deutschen oder DDR-Dramas verfehlen, wenn es der heutigen jungen Generation nicht explizit den tödlichen Charakter der DDR-Grenze vor Augen führt. Der gefühlte pädagogische Auftrag, die ganze historische Wahrheit beim Namen zu nennen, schlägt sich in der Handlung nieder. Aus diesem Grunde muss die Titelfigur in Fritzi – Eine Wendewundergeschichte die DDR-Grenze persönlich überwinden wollen. Und in Zwischen uns die Mauer läuft eine Jugendliche, die Anna und Philipp kennen, gar in den Tod. Eine westdeutsche Zeitung veröffentlicht das Foto ihrer Leiche am Tatort. Solche Zuspitzungen dienen wohl der Stilisierung einer Realität, für deren Erfassung aufgrund zunehmender zeitlicher Entfernung, markante Orientierungspflöcke notwendig erscheinen können. Dabei entsteht auch die Gefahr einer verfremdenden Klischeebildung.

Der emotionale Höhepunkt des Dramas ist im Grunde ein tragischer. Als die Mauer schließlich fällt, hat sie mit ihrer Sinnlosigkeit diesen beiden jungen Menschen längst ihren Stempel aufgedrückt. Beim ersten Wiedersehen von Anna und Philipp lotet der Film solche Erkenntnisse wortkarg, aber gerade dadurch sehr bewegend aus. An dieser Stelle lässt sich dann auch darüber sinnieren, warum ein Happy End zwar in der Realität wünschenswert, für einen Spielfilm aber nicht unbedingt vorteilhaft ist.

Zwischen uns die Mauer (2019)

1986. Die siebzehnjährige Anna (Lea Freund) aus der westdeutschen Provinz fährt mit einer Jugendgruppe zum Begegnungstreffen nach Ostberlin. Dort lernt sie den rebellischen Pfarrerssohn Philipp (Tim Bülow) kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick — doch die schwer verliebten Teenager aus Ost und West werden getrennt durch die scharf bewachte deutsch-deutsche Grenze. Nicht nur die Mauer steht der großen Liebe im Weg, Annas skeptische Eltern (Franziska Weisz, Fritz Karl) reagieren gleichfalls mit Verboten. Die heimlichen Besuche ihrer selbstbewussten Tochter bleiben auch der Stasi nicht lange verborgen. Die Ereignisse nehmen eine höchst dramatische Wendung. Und dann fällt die Mauer…

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Meinungen

Lola · 26.05.2023

Dieser Film ist eine Liebesgeschichte zwischen Anna, die in der BRD lebt, und Philipp, der in der DDR lebt. Der Film zeigt uns das Leben auf der Ostseite der Mauer und die dunklen Seiten der DDR.
Der Film hat mir nicht wirklich gefallen, weil er sich wiederholte. Ich war ein bisschen enttäuscht.

Roussel · 26.05.2023

Die 16-jährige Anna aus Westdeutschland lernt 1984 bei einer Reise ihrer kirchlichen Jugendgruppe nach Ostberlin den dort lebenden Philipp kennen. Seit ihrem Besuch in Berlin geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Gegen den Willen ihrer Eltern beginnen sie damit, sich Briefe zu schreiben, und halten so den Kontakt aufrecht. Einige Male treffen sie sich sogar in Ostberlin und verlieben sich immer mehr ineinander – sie wollen unbedingt eine gemeinsame Zukunft, doch die Mauer steht ihnen im Weg. Heimlich schmieden sie Pläne für Philipps Flucht aus dem Osten, geraten aber ins Visier der Stasi und müssen höchste Vorsicht walten lassen. Auch Annas Eltern beginnen zu ahnen, dass ihre Tochter etwas ausheckt, und wollen ihr den Kontakt zu Philipp endgültig verbieten. Die Liebe der beiden jungen Menschen wird ein ums andere Mal auf den Prüfstein gestellt – kann sie in diesen schwierigen Zeiten bestehen?
Ich fand den Film sehr interessant, weil er uns über die Lebensbedingungen in Westberlin und die Beziehungen, die die getrennten Personen unterhielten, informierte. Es ist ein schöner, bewegender und nachdenklicher Film. Ich empfehle ihn.

Matthias · 07.10.2020

Empfehlenswert!
Gekonntes Spiel und ein großes Lob auch an die detailgetreue Artdirection (von einem Zeitzeugen!)

Robin · 03.10.2020

Unerträglich schöner Film.
Anschauen.

Don · 09.10.2019

Es scheint so, als hätten Sie schon den gesamten Plot verraten

Johannes · 09.10.2019

Außergewöhnlich schöner Film, vor allem Freund hervorragend. Ein historisches Dokument und bestimmt ein Höhepunkt in der deutschen Filmgeschichte.

Luisa K. · 05.10.2019

Heute im Kino gesehen. Seit langem hat kein Film so sehr berührt wie dieser. Ich kann ihn nur jedem empfehlen und werde ihn mir definitiv noch einmal anschauen. :)

Steffi · 29.09.2019

Top Film, sehr schön und sehr realistisch gemacht.