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In einem komplett auf ihre Rolle zugeschnittenen Film überzeugt Liv Lisa Fries als alleinerziehende Mutter eines Kindes mit Asperger-Syndrom.

Zwischen Uns (2021)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Solo für Fries

Die alleinerziehende Eva (Liv Lisa Fries) muss ihr gesamtes Leben auf ihren 13-jährigen Sohn Felix (Jona Eisenblätter) abstimmen. Der lebt mit einer Form von Autismus und seine Umwelt weiß nicht immer angemessen mit ihm zu interagieren, was oft in Wutausbrüchen und Gewalt endet. Mit seinem Regie-Debüt legt Max Fey einen Film vor, der zwar vordergründig eine Lebenssituation abbildet, sich aber im Zentrum ausschließlich mit der Figur der Eva beschäftigt. So wird „Zwischen uns“ für Liv Lisa Fries, die ihre Karriere 2007 mit einem Tatort begann und seit ihrer Hauptrolle in Babylon Berlin (2017) zu den großen deutschen Schauspielstars gehört, zum Alleingang. Es gibt kaum eine Szene im Drehbuch, an dem Fey auch mitarbeitete, in dem Eva nicht vorkommt. Und viele davon zeigt die junge Mutter emotional angegriffen. Denn das Leben mit Felix ist allein kaum zu bewältigen.

Ob Eva es weitgehend ohne Hilfe schaffen muss, weil sie keinen Anspruch darauf hat, oder es allein schaffen will, das lässt Zwischen uns bewusst im Unklaren, weil es an der Situation auch nichts ändern würde. Lediglich die von Lena Urzendowsky gespielte Schulbegleiterin bildet einen kurzen Lichtblick in der ansonsten weitgehend verfahrenen Situation von Mutter und Sohn. Das Script liefert in kurzen Szenen auch Hinweise für Evas Scheu, andere in ihr Leben und das ihres Sohnes zu lassen: ein Gespräch mit einem Ex-Freund oder immer wiederkehrenden Diskussionen mit den Eltern anderer Kinder, auf die Felix losgegangen ist.

So erklärt Fey geschickt, warum die Avancen von Nachbar Pelle (Thure Lindhardt) von Eva schon im Keim erstickt werden und er sich lange beweisen muss, bevor die kleine Familie ihn einen Spalt weit einlässt. Die Einheit von Mutter und krankem Sohn, so schlecht sie auch funktioniert, ist die einzige Konstante im Leben der beiden. Dass Felix durch eine beginnende Freundschaft mit Pelle neue Impulse erfährt, sieht Eva daher mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn wo Felix mit für seine Verhältnisse außergewöhnlichem Feuereifer neue Dinge an sich heranlässt und neugierig auf die Welt ist, fürchtet Eva um ihren Lebenszweck, den sie sich auferlegt hat.

Und diese Spannung spielt Liv Lisa Fries mit der ganzen Klaviatur des Schauspiels. Mal emotional scheu und leise, mal als brüllende Löwin, die ihr Junges beschützt, geht die 31-Jährige ganz in ihrer Rolle auf und nimmt die Zuschauer mit in ein Leben, das schon beim Zusehen erschöpft. Denn Eva stellt jede Minute ihres Lebens in den Dienst an ihrem Sohn und gönnt sich selbst absolut nichts, hat fast ein schlechtes Gewissen, wenn es ihr einmal gut geht. Durch Fries‘ Spiel wird diese emotionale Dauerkrise nicht nur erfahrbar, sondern für den Zuschauer auch nur schwer auf Distanz zu halten, der offenkundig dauerhaft nicht machbare Weg zu einer scheinbar alternativlosen Wahrheit.

Regisseur und Co-Autor Fey sucht in seiner Erzählung allerdings auch nie nach Lösungen für Eva und die Zuschauer, sondern begnügt sich mit einem kurzen Zeitraum der Beobachtung, während er die Lebenssituation von Eva und Felix mehr und mehr eskalieren lässt. Selbst dem kathartischen Finale wird die Aussicht beistellt, dass die Situation wohl nicht zum letzten Mal so passieren wird. Evas Sisyphos-Aufgabe endet nicht, ihre Gefühle werden weiter einem dauerhaften Stresstest unterzogen.

Martin Fey setzt seinen Film fast dokumentarisch in Szene, bevorzugt eine überwiegend ruhige Kamera und nutzt nur sehr selten dynamische Bewegungen für seine Erzählung. Dieser Abstand bewahrt Zwischen uns nicht nur vor jeglichem Anflug kitschigen Melodrams, sondern sorgt auch für einen noch besseren Blick auf Liv Lisa Fries‘ furiose Leistung. Leider bleibt die Schauspielerin aber auch die Hauptattraktion, die Handlung gibt sich bei allem Realismus meist ein wenig zu unspektakulär, um das Publikum dauerhaft mitzureißen. Und für weitere Figuren des Plots bringt Fey schlicht nicht genug Begeisterung auf, um sie stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Liv Lisa Fries gibt in Zwischen uns eine packende One-Woman-Show und ist der Hauptgrund, sich diesen Film anzusehen. Denn weder zum Thema Autismus noch zum überaus komplexen Zusammenleben mit einem Menschen mit Autismus hat der Film Neues zu bieten. Eine meist ansprechende Momentaufnahme einer Mutter unter fast unmenschlicher Belastung ist Regisseur und Co-Autor Max Fey mit seinem Debüt allerdings gelungen.

Zwischen Uns (2021)

Eva und ihr 13-jähriger, autistischer Sohn Felix sind unzertrennlich. Während der scheue Felix unter Angst- und Wutattacken leidet und immer wieder aus der Schule wegläuft, kämpft Eva mit aller Kraft für ein stabiles und harmonisches Zusammenleben. Vertrauen und Verzweiflung, Hoffnung und Ohnmacht liegen in ihrer Beziehung nur einen Herzschlag voneinander entfernt. Eine Geschichte über Liebe und Loslassen … über einen Neuanfang.

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