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In ihrem sehr persönlichen Film „Zum Tod meiner Mutter“ erzählt Jessica Krummacher vom kräftezehrenden Abschiednehmen.

Zum Tod meiner Mutter (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Das lange Warten auf den Tod

In ihrem Regiestatement formuliert die Filmemacherin Jessica Krummacher in prägnanten Worten, dass ihr Film „Zum Tod meiner Mutter“ eine Tragödie sei: „Eine Tragödie, die ich so erlebt habe.“ Krummacher hat Dokumentarfilm an der HFF München studiert, hat sich jedoch, wie auch schon bei ihrem Langfilm-Regiedebüt „Totem“ (2011), für die Form des Spielfilms entschieden, um von wahren Begebenheiten zu erzählen. Sie habe, so Krummacher selbst, das Autobiografische in eine Kunstwelt transformiert, dabei aber an der Brutalität der echten Erlebnisse festgehalten.

Und tatsächlich gelingt es Krummacher auf eindrückliche Weise, eine dokumentarische Anmutung mit sehr klar komponierten Bildern und pointierten Worten zu verbinden. Die Art und Weise, wie sich ihre Figuren verhalten und ausdrücken, hat nicht gerade etwas Naturalistisches, sondern erinnert, auch aufgrund des kammerspielartigen Settings, eher an eine theatrale Inszenierung. Und doch liegt in dieser Darstellung etwas erstaunlich Wahrhaftiges, da etwa die zuweilen artifiziellen Mono- und Dialoge treffend die Beklemmung und Hilflosigkeit vermitteln, die beim Thema Tod nahezu unausweichlich sind.

Im Zentrum des Films steht Juliane (Birte Schnöink). Deren Mutter Kerstin (Elsie de Brauw) ist 64 Jahre alt, lebt in einem Pflegeheim und ist schwer krank. Eine Hoffnung auf Heilung gibt es nicht. „Ich will das nicht mehr“, bringt Kerstin hervor. Da Sterbehilfe in Deutschland verboten ist, gibt es nur eine Möglichkeit: Kerstin muss aufhören, Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Juliane begleitet ihre Mutter auf diesem letzten Weg.

Schon dieser letzte Satz klingt womöglich pathetischer, als es Krummacher umsetzt. Dies ist kein Film der melodramatischen Zuspitzungen. Vielmehr lässt uns die Regisseurin spüren, wie zäh sich das Warten auf den Tod anfühlt. „Das muss doch einfacher gehen…“, heißt es an einer Stelle. Die Szenen am Sterbebett im Zimmer des Pflegeheims haben eine klaustrophobische Wirkung, doch neben der beinahe unerträglichen Enge und Ausweglosigkeit entsteht hier auch Intimität. Etwa wenn sich Juliane weinend zu Kerstin ins Bett legt. Zu Beginn gibt es noch einen Moment, in dem Juliane Kind sein darf: „Mein Schätzchen“, flüstert ihre Mutter und streichelt ihr über den Kopf. Später muss die Tochter die Rolle der Trösterin übernehmen, muss Worte und Gesten finden, die die Angst vertreiben sollen, obwohl sie selbst voller Angst ist.

Die Kamera von Gerald Kerkletz ist dabei und nah dran, wenn Menschen aus Kerstins Leben Abschied nehmen. Letzte Worte werden gesprochen – und auch das hat nichts Feierliches, aber etwas sehr Liebevolles. Alte Briefe erinnern an ein gelebtes Leben. Ein paar Leute äußern Bedenken an der Art, wie Kerstin ihren Zustand beenden will und wie Juliane das zulässt („Das ist doch sehr brutal, oder?“). Hier werden indes keine langen Diskurse geführt; oft bleiben allen Beteiligten nur Plattitüden, um die Stille zu füllen.

Hin und wieder bricht der Film aus, etwa wenn er mit Juliane Waldspaziergänge unternimmt oder wenn statt Worten ein Tanz als Abschiedsgruß dient. Ein absurder Humor entwickelt sich, wenn Juliane mit dem befreundeten Paar Franka (Nicole Johannhanwahr) und Stefan (Thomas Wehling) in ein Restaurant geht, um Pfälzer Saumagen „am Tisch von Helmut Kohl“ zu essen. Die Unbeholfenheit dieses freundschaftlichen Versuchs, Juliane für kurze Zeit auf andere Gedanken zu bringen, fügt sich perfekt in diesen Film, der voller Wahrheiten steckt und sich nicht davor scheut, uns mit diesen zu konfrontieren.

Zum Tod meiner Mutter (2022)

In ruhigen, wenigen Einstellungen erzählt der Film von einem Abschied.Die schwerkranke Kerstin, Mitte 60, hört im Pflegeheim auf, Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, weil sie nicht mehr leben will. Ihre Tochter Juliane, Mitte 30, bleibt bei ihr. Sie hält aus, wie Freunde sich von ihrer Mutter verabschieden und erlebt selbst einen langsamen Abschied. Dieser führt zu großer körperlicher und innerer Nähe der beiden Frauen bis zu Kerstins von beiden herbeigesehntem Tod.

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