Zum Geburtstag

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Im Wahn

Was macht das Kino aus? Eine packende Geschichte? Überzeugende Schauspieler? Humor? Zum Geburtstag kann all das bieten und wirkt auf der großen Leinwand doch deplatziert. Wie kann es sein, dass ein gelungener Film kein „großes Kino“ darstellt?
An der Handlung kann es nicht liegen. Regisseur und Drehbuchautor Denis Dercourt erzählt seine Geschichte größtenteils spannend. Auch wenn sich die Auflösung ein wenig vorhersehbar gestaltet, kann seine Charakterentwicklung doch ausreichend Spannung erzeugen, um das Publikum an die Ereignisse zu fesseln. Familienvater Paul (Mark Waschke) wird von einem Geist aus der Vergangenheit heimgesucht. Georg (Sylvester Groth) war nicht nur sein bester Freund, sondern auch ein Konkurrent, dem Paul einst die hübsche Anna (Marie Bäumer) ausgespannt hat, mit der er inzwischen verheiratet ist und zwei Kinder hat. Doch der Deal lief nicht ohne Bedingung ab. Georg nahm seinem Freund das Versprechen ab, bei seiner Rückkehr, die junge Frau zurückzuerhalten.

Paul fühlt sich nun von Georg verfolgt und entwickelt zunehmend paranoide Vorstellungen. Der einstige Konkurrent, so glaubt er, will ihm nicht nur eine Affäre andichten, um die Ehe mit Anna zu zerstören, sondern ist auch für das Fallen der Aktien verantwortlich, was Mark fast den Job kostet. Anna hingegen hält diese Ausmaße von Georgs Intrigenspiel für unwahrscheinlich. Nur in seinem Kollegen Daniel (Johannes Zeiler) findet Paul noch einen Vertrauten und Unterstützer.

Eine Figur, die sich mehr und mehr in ihren eigenen Wahn verstrickt und die Realität nicht mehr von ihren Ängsten unterscheiden kann, führt in der Regel auch ein Kinopublikum aufs Glatteis. Auch wenn Paul uns hier durchgängig glaubwürdig erscheint, sind die von Georg ausgehende Bedrohung und der psychische Druck spürbar. Was führt er wirklich im Schilde? Dass wir die Antwort darauf vor dem Helden der Geschichte finden, erhöht noch einmal die Spannung. Mit dem Ende möchte uns Denis Dercourt dann noch einmal überraschen, was ihm leider nur ansatzweise gelingt. Im Großen und Ganzen jedoch, verfügt Zum Geburtstag über eine solide Krimi- oder gar Thriller-Dramaturgie.

Die Schauspieler tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte von Paul, Anna und Georg überzeugen kann. Die Miene von Sylvester Groth ist unergründlich und lädt dazu ein, ein ganzes Spektrum von möglichen Motiven und Absichten auf diese Figur zu projizieren. Daneben wirken die Darstellungen von Mark Waschke und Marie Bäumer etwas blass, aber nicht unglaubwürdig. Ihre Figuren sind lediglich ein wenig zu glatt, um das volle Interesse des Zuschauers zu wecken. Die Nebendarsteller — der schon erwähnte Johannes Zeiler als Daniel sowie Sophie Rois als Georgs Lebensgefährtin Yvonne und Saskia Rosendahl als Pauls Tochter Emelie — ergänzen das Ensemble mit komplexen Randfiguren, die nicht nur als hübsches Beiwerk fungieren, sondern für den Verlauf der Geschichte von großer Bedeutung sind.

Auch Humor findet in dem insgesamt eher düsteren Konzept einen Platz. Es ist die Figur der Yvonne, die durch ihre trockene und direkte Art ihre Mitmenschen zum Staunen, den Kinozuschauer jedoch zum Lachen bringt. Sophie Rois spielt die Yvonne mit dem Charme einer KZ-Aufseherin. Der Wahnsinn schimmert in ihren Augen und wäre dies ein Märchen, so würde sie eindeutig den Part der bösen Hexe übernehmen. Die Übertreibung dieser Rolle erzeugt – ob nun gewollt oder ungewollt – durchaus Komik, die die angespannte Stimmung des Films stellenweise auflockern kann. Auch Sylvester Groths undurchdringliche Miene und das Intrigenspiel seiner Figur bringen uns bei aller Bösartigkeit zuweilen zum Schmunzeln.

Zum Geburtstag ist also gut erzählt, hat interessante Figuren, überzeugende Schauspieler und sogar einen Schuss Humor. Und dennoch vermittelt der Film nicht das Gefühl eines Meisterwerks und zukünftigen Kinoklassikers. Denn eine Zutat fehlt in diesem Rezept: die Größe.

Die Dramaturgie ist solide, aber die Spannung nicht nervenaufreibend. Die Schauspieler überzeugen, wirken aber nicht Oscar-verdächtig. Der Humor lässt uns schmunzeln, hat aber kein Kultpotential. Dass der Film statt großem nur „kleines Kino“ ist, hat aber noch einen weiteren Grund: seine Grenzen. Zum Geburtstag wirkt eng. Ein Großteil der Handlung spielt sich in Innenräumen ab und selbst wenn Denis Dercourt eine Treibjagd inszeniert, bleibt er so nah an seinen Figuren dran, dass wir vom Setting nicht mehr als zwei, drei Bäume und die Andeutung einer Flugente erspähen. Diese stark limitiert wirkenden Bildausschnitte verlieren im Kontrast mit der großen Kinoleinwand oftmals ihren Reiz. Und das ist doch ein klein wenig schade.

Zum Geburtstag

Was macht das Kino aus? Eine packende Geschichte? Überzeugende Schauspieler? Humor? „Zum Geburtstag“ kann all das bieten und wirkt auf der großen Leinwand doch deplatziert. Wie kann es sein, dass ein gelungener Film kein „großes Kino“ darstellt?
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Meinungen

Sonnenschein · 12.09.2013

Ich hatte das Glück, die Filmpremiere zu sehen. Ein durchaus sehenswerter Film. Ich kenne Marie Bäumer aus den Rosamunde Pilcher Filmen und hatte die Befürchtung, mit für den falschen Film entschieden zu haben. Ganz klasse fand ich Sophie Rois und Sylvester Groth in ihren Rollen. So stelle ich mir Teufel und Gespielin vor.

Gut gelungen auch der offene Schluss, der doch einige Fragen offen lässt. Was aber nicht schlimm ist, seine Gedanken spielen zu lassen.