Žižek!

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Elvis der Kulturtheorie

Wer sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eingehender mit Kulturtheorie beschäftigt hat, wird zwangsläufig irgendwann einmal über den Namen Slavoj Žižek gestolpert sein. Denn der 1949 in Ljubljana geborene Philosoph gehört seit langem schon zu den unumstrittenen und schillernden Stars einer philosophischen Disziplin, die sich weitaus mehr als andere mit den Phänomenen des alltäglichen Lebens, mit Film und Fernsehen, mit Krieg und Terror, den Hervorbringungen der Kulturindustrie und mit den Schreckensmeldungen in den Nachrichten auseinandersetzen. Und genau diese Weltzugewandtheit – neben dem unbestreitbaren Charisma vieler Kulturtheoretiker – ist es auch, die bei einem breiten Publikum die Lust auf Philosophie wieder geweckt hat, nachdem die Königin der Wissenschaften lange Zeit im Elfenbeinturm verquaster Theoreme und sektiererischer Glaubensrichtungen zu veröden drohte.
Žižek ist sozusagen die Antithese zur akademischen Philosophie, was sich allein schon an der Breite seiner Interessen und an der Vielzahl seiner Einflüsse ablesen lässt: Freud und Lacan stehen bei dem Slowenen, der in der ganzen Welt zuhause ist und unablässig von Vortrag zu Vortrag reist, gleichberechtigt neben Hegel, Karl Marx, Micky Maus und Alfred Hitchcock, die Denkmodelle von Matrix kollidieren mit den falschen Verlockungen der Werbung und der Massenmedien, die herkömmliche Unterscheidung von E und U, von Hochkultur und Trivialem hat ausgedient.

Die US-amerikanische Regisseurin Astra Taylor zeigt in ihrem Film den bärtigen Denker mit den wilden Gesten auf seinem Weg durch die Metropolen rund um die Welt, immer wieder unterbrochen von Zwischenstopps in seiner Heimatstadt Ljubljana. Dadurch entsteht ein atemloses Porträt eines faszinierenden Mannes, der sich bestens auf die Strategien der (Selbst-)Inszenierung versteht und der sich schon auch einmal im eigenen Bett interviewen lässt und der vor allem geistig ständig in Bewegung ist, eine außer Rand und Band geratene Maschine, die so sehr mit Denken und Reden beschäftigt ist, dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, nicht Žižek spreche, sondern ES spreche aus ihm, unkontrollierbar, ein steter Fluss von Worten, Ideen und Assoziationen.

Klar dass so viel Charisma und Anklang beim Publikum im um Seriösität bemühten Wissenschaftsbetrieb zutiefst verdächtig ist, und immer wieder werden Vorwürfe laut, Žižek habe diesen oder jener Denker nicht richtig verstanden, er sei ein Meister der eloquenten Abschweifung, aber nicht der präzise geführten philosophischen Debatte, kurzum – ein Scharlatan. Doch wie in der Philosophie selbst, so gibt es auch im Falle von Slavoj Žižek nicht die eine Wahrheit, seine Persönlichkeit ist genauso schillernd, ambivalent und exzentrisch wie die gesamte Philosophie und letztendlich auch die ganze Welt. Faszinierend, anregend und auch ein wenig erschreckend ist das allemal.

Žižek!

Wer sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eingehender mit Kulturtheorie beschäftigt hat, wird zwangsläufig irgendwann einmal über den Namen Slavoj Žižek gestolpert sein.
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Meinungen

tomik · 08.07.2007

Es gibt viel zu denken