Willkommen in der Bretagne

Unbeugsame Kämpferinnen

Ganz Gallien sei besetzt, heißt es auf der ersten Seite des Kult-Comics Asterix. Ganz Gallien? Aber nein, das wissen wir seit langem: „Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.“ Dieser Satz könnte auch über der Geschichte von Willkommen in der Bretagne von Marie-Castille Mention-Schaar stehen: einem Film über die energische Kraft der Bewohnerinnen und Bewohner einer kleinen Gemeinde in der Bretagne, die sich gegen die Schließung der Entbindungsstation ihres Krankenhauses zur Wehr setzen. ‚Eindringling‘ in diesem Fall ist Personalmanagerin Catherine, die von Paris aus anreist, um das Krankenhaus in der Provinz rentabler zu machen, sich aber auch anfreundet mit einer Gruppe von Bowling-Spielerinnen, die im selben Krankenhaus arbeiten. Catherine wird schließlich Mitglied in deren Team und muss sich am Ende entscheiden, auf welcher Seite sie kämpfen möchte.
Die Geschichte von Willkommen in der Bretagne spielt in Carhaix, einem kleinen Dorf in der nordwestlichen Bretagne, eben dem allerletzten Zipfel Frankreichs, der Region Finistère, also am Ende der Welt. Die Bretonen selbst sprechen von „Penn ar Bed“, was als Anfang oder Haupt der Welt übersetzt werden kann, und da wird schon das bretonische Selbstverständnis deutlich, das immer wieder auch im Film anklingt. Während beispielsweise in Willkommen bei den Sch’tis der Nord-Süd-Gegensatz den Handlungshintergrund darstellt, spielt Willkommen in der Bretagne mit der Diskrepanz zwischen Hauptstadt und Provinz – der Provinz im Generellen und der Bretagne im Besonderen.

Es wird die bretonische Flagge herausgeholt und der traditionelle Dudelsack, die Binioù, gespielt. Die Bewohner zeigen in tage- und wochenlangen Demonstrationen, dass sie sich nicht der Entscheidung des Hospitaldirektors und einer Personalerin aus Paris beugen, sondern für ihre Entbindungsstation des Gemeinde-Krankenhauses kämpfen wollen. Ihre zukünftigen Kinder in Quimper zur Welt zu bringen, der größeren und der Hauptstadt des Départements, kommt für sie nicht in Frage. Das ist erstens zu weit weg, zweitens sollen die Kinder echte Carhaix-er sein, und drittens ist Quimper einer der Hauptrivalen der hiesigen Bowling-Saison.

Die zentralen Figuren von Willkommen in der Bretagne sind die Mitglieder der Bowling-Frauenmannschaft von Carhaix: Mathilde (Mathilde Seigner) ist Frauenärztin im einheimischen Krankenhaus und Mutter von zwei Kindern. Louise (Laurence Arné) ist eben schwanger geworden, fühlt sich allerdings noch nicht wirklich bereit für diese auf sie wartende Rolle. Und Firmine (Firmine Richard) ist mit Leib und Seele Kinderkrankenschwester im Krankenhaus von Carhaix, hat aber sonst nicht viel in ihrem Leben, das ihr Freude bringt.

Die vierte Spielerin geht dem Team – aufgrund von Mathildes Ehrgeiz und dem damit einhergehenden Drill bei Training und Wettbewerbsspielen – regelmäßig verloren, so dass Catherine (Catherine Frot) gerade zur rechten Zeit nach Carhaix kommt. Die Pariserin will die Kleinstadt kennenlernen und stolpert so auch auf die Bowlingbahn. Obwohl sie den Sport zunächst als Provinz-Betätigung abtut, findet sie Gefallen an Kugel und Kegeln, wird aufgrund der Vakanz im Team und der nahenden Bowling-Liga notgedrungen Mitglied. Auf diese Weise freundet sie sich mit den Frauen an, die sie eigentlich aus der Belegschaft des Krankenhauses wegrationalisieren soll.

Bowling- und Krankenhaus-Geschichte wechseln sich – in konventionell erzählter Weise – ab und bieten vor allem eins: gute, weil kurzweilige Unterhaltung. So findet die juristische Entscheidung über den Weiterbestand der Entbindungsstation zeitgleich mit dem Finale der Bowling-Saison statt, das im vergangenen Jahr die Mannschaft aus Quimper gewonnen hat und in diesem Jahr, so wünschen es sich die vier Frauen aus Carhaix, für ihre Heimatstadt entschieden werden soll. Dies bringt natürlich Spannung und arbeitet auf ein fulminantes happy ending hin, das aber dann doch einfach zu schön ist, um wahr zu sein. Bisweilen wirkt die Geschichte sehr konstruiert und wenig glaubwürdig (auch wenn sie dies nicht ist), gewinnt aber vor allem durch witzige und originelle Dialoge.

Die vier Hauptfiguren zeichnet eine wunderbare Energie aus, die über die Leinwand hinweg spürbar wird und das Tempo des Films trägt. Etwas nervend mögen der omnipräsente Soundtrack und die häufigen und zu langen Musik-Montage-Sequenzen sein; letztere sind unnötig und könnten ersatzlos herausgeschnitten werden, dann würde der Film seine erfreuliche Lebendigkeit wunderbar durchhalten. Letztendlich aber bleiben die ideenreichen Dialoge haften und machen Bowling nachhaltig zu einem gelungenen Unterhaltungsfilm.

Die Geschichte von Willkommen in der Bretagne basiert auf einer wahren Begebenheit: Im Mai 2008 wurde den Mitarbeitern des Hospitals von Carhaix-Plouguer mitgeteilt, dass die Entbindungsstation schließen würde, woraufhin sich umgehend 3000 Menschen zusammenfanden, um gegen die Schließung zu demonstrieren. Der Bürgermeister der fast 8000 Bewohner zählenden Gemeinde engagierte sich für das Anliegen seiner Bürger, und nach einem monatelangen Kampf fand auch die lebensweltliche Geschichte einen glücklichen Ausgang.

(Verena Schmöller, Festivalkritik Französische Filmtage Tübingen 2012)

Willkommen in der Bretagne

Ganz Gallien sei besetzt, heißt es auf der ersten Seite des Kult-Comics Asterix. Ganz Gallien? Aber nein, das wissen wir seit langem: „Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.“ Dieser Satz könnte auch über der Geschichte von „Willkommen in der Bretagne“ von Marie-Castille Mention-Schaar stehen: einem Film über die energische Kraft der Bewohnerinnen und Bewohner einer kleinen Gemeinde in der Bretagne, die sich gegen die Schließung der Entbindungsstation ihres Krankenhauses zur Wehr setzen.
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Meinungen

Harald · 30.01.2013

Nach der Sneak Preview, wãhrend der schon deutliche Abwanderungen zu sehen waren, warfen heute die meisten ihr Ticket in den Becher mit der Aufschrift "schlecht" - ein selten deutliches Ergebnis, dem ich mich anschließe.

Jensen · 01.01.2013

Der Film ist einfach Klasse. Lasst euch nicht von Fachleuten abhalten. Ihr werdet es nicht bereuen. Kurzweilig und jede Minute Wert ihn anzusehen. Gefühl, Herzschmerz, Happy End, Humor. Alles drin. Geht rein und nehmt eure Frauen mit. Viel Spaß.

Christina Nehls · 13.12.2012

Als Bretagne Fan kann ich es kaum erwarten, den Film zu sehen! Ich freu mich drauf.