Willkommen bei den Rileys (2010)

Eine Filmkritik von Lena Kettner

Erstarrte Unruhe

Nach außen scheint alles in Ordnung zu sein. „Willkommen bei den Rileys“ steht in ordentlicher Schrift auf dem Türschild eines typisch amerikanischen Hauses, dessen Einrichtung so aufgeräumt wirkt wie das Leben seiner Bewohner. Während Vater Doug freundlich die Nachbarn grüßt und täglich seiner Arbeit nachgeht, kümmert sich Mutter Lois um den Haushalt. Doch wenn die Nacht hereinbricht, beginnt es unter der perfekten Oberfläche zu brodeln.

Denn die Atmosphäre in diesem Haus ist nur noch erfüllt von Schmerz und Verdrängung, von unterschwelligen Vorwürfen und Angstzuständen. Seit ein tragischer Autounfall vor Jahren die jugendliche Tochter der Rileys aus dem Leben gerissen hat, ist ihr Leben in der Vergangenheit erstarrt. Während sich Doug in eine Affäre flüchtet, verlässt Lois ihre vier Wände über Jahre hinweg nicht und betäubt ihre Schuldgefühle mit Tabletten. Gespenstisch bewegt sich das Ehepaar in den sterilen Räumen des Hauses, das mehr einer Grabstätte als einem Lebensraum gleicht. Nur in seltenen, unbeobachteten Momenten in der nächtlichen Kälte seiner Garage lässt Doug seinen Gefühlen freien Lauf. Als er bei einer Geschäftsreise nach New Orleans die junge Stripperin und Ausreißerin Mallory kennen lernt, wird diese zum lang ersehnten Rettungsanker für ihn und später auch für Lois. Doug bleibt in der Stadt, Lois blüht wieder auf und verlässt ihre gewohnte Umgebung, um ihren Mann einen Besuch in New Orleans abzustatten. Doch natürlich verläuft die neue Eltern-Tochter-Beziehung zu Mallory nicht ohne Spannungen und Konflikte.

Traumata verändern Menschen. In seinem zweiten Spielfilm Willkommen bei den Rileys / Welcome to the Rileys, der 2010 in der Sektion Panorama der Berlinale 2010 gezeigt wurde, setzt der amerikanische Regisseur Jake Scott auf eine rührende Mischung aus Coming-of-Age-Drama und Familientragödie. Dass ihm in seinem Film trotz eines vorhersehbaren und wenig innovativen Kamera- und Erzählstils eindringliche Momente gelingen, ist seinem überzeugenden Schauspielensemble zu verdanken. Vor allem dem Zusammenspiel zwischen dem ehemaligen Sopranos-Star James Gandolfini als Doug und der durch ihre Rolle in Twilight — Bis(s) zum Morgengrauen bekannt gewordenen Kristen Jaymes Stewart als Mallory. Komisch-anrührend und doch voller Tristesse ist ihre erste Begegnung in einem Stripclub, als Mallory ihren vermeintlichen Freier nicht von ihren Reizen überzeugen kann. Seltsam und befremdlich wirkt es, wenn Doug seine Ersatztochter wenige Tage später mit dem Auto von ihrer Arbeit abholt. Die Entrümpelung von Mallorys Wohnung wird schließlich zur symbolischen Aufarbeitung des schmerzlichsten Ereignisses in Dougs Leben.

Durch ihre authentische Spielweise vermögen es Gandolfini und Stewart, Dougs liebevoll-verzweifelte Art der Trauerbewältigung und Mallorys inneren Zwiespalt zwischen einem kindlichen Bedürfnis nach Geborgenheit und ihrem unbändigen Freiheitsdrang überzeugend darzustellen. Auch Melissa Leos Darstellung der Lois lässt sich nicht auf das Klischee von der unterwürfigen und psychisch kranken Mutter reduzieren. Wenn Lois nach Jahren der Selbstkontrolle ihren Elfenbeinturm verlässt und sich auf den Weg nach New Orleans macht, zeigt sich ihr neu gewonnener Lebensmut nicht nur in ihrer geänderten Kleiderwahl. Aus einer in Trauer erstarrten Ehefrau, die in völliger Selbstverständlichkeit den Namen ihres Mannes auf den Grabstein der Familie Riley gravieren lässt, wird eine liebevolle Partnerin und Ersatzmutter für Mallory.

Als Doug und Lois am Ende nach Indianapolis zurückkehren, ist Mallory schon auf dem Weg nach Las Vegas. Allein, doch mit dem beruhigenden Wissen, Eltern gefunden zu haben, die sie unterstützen und die hinter ihr stehen. Was in Zukunft geschehen wird, ist ungewiss, doch so viel steht fest: Von nun an ist „Willkommen bei den Rileys“ mehr als die bloße Floskel auf einem Türschild.
 

Willkommen bei den Rileys (2010)

Nach außen scheint alles in Ordnung zu sein. „Willkommen bei den Rileys“ steht in ordentlicher Schrift auf dem Türschild eines typisch amerikanischen Hauses, dessen Einrichtung so aufgeräumt wirkt wie das Leben seiner Bewohner. Während Vater Doug freundlich die Nachbarn grüßt und täglich seiner Arbeit nachgeht, kümmert sich Mutter Lois um den Haushalt

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Meinungen

wiganek-hp · 01.10.2010

Doug und Lois verloren vor 8 Jahren ihre Tochter bei einem Autounfall. Dieses schreckliche Ereignis hat ihr Leben aus der Bahn geworfen. Lois versucht mit Tabletten ihr leeres Leben einigermaßen in den Griff zu bekommen. Doug sucht sein Vergnügen bei Pokerrunden mit seinen Freunden und anderen Frauen im Bett. Eines Tages trifft er auf einer Dienstreise nach New Orleans in einem einschlägigen Etablissement die junge Mallory, eine sechzehn-jährige Ausreißerin, die ihr Geld mit Tabledance und Gelegenheitsprostitution verdient.
Doug fühlt sich für sie verantwortlich und beschützt sie, er bevormundet sie aber nicht, sondern nimmt Mallory in ihrem Lebensentwurf ernst.
Der großartige James Gandolfini gibt den Doug als zurückhaltenden Mitfünfziger, der lieber seine Trauer oder Wut in sich hineinfrisst als laut zu protestieren. Mallory ist eine verstörte junge Frau, die sich mit Naivität und einer gehörigen Portion jugendlichem Selbstbewusstsein in ihrer Realität eingerichtet hat .
Gandolfini und Stewart spielen großartig, nichts ist gekünstelt, alles wirkt real. Beide empfinden ihre Verletzlichkeit und respektieren sich als gleichberechtigt. Als Dougs Frau begreift, dass ihr Mann in New Orleans bleiben will, beschließt sie, ihr selbst gewähltes Eremitendasein aufzugeben. Und hier schlägt die Stunde der großartigen Melissa Leo. Wie sie die Wiederannnährung von Lois an die Welt darstellt, ist schon meisterhaft.
Sicherlich die Geschichte ist nicht neu, und sie ist weitestgehend konventionell erzählt, aber es ist großartig, diesen außergewöhnlichen Schauspielern zuzuschauen. Und sie hatten durch das hervorragende Drehbuch die Chance, diese Geschichte mit einer Wahrhaftigkeit zu füllen, die man heute im Kino nicht mehr so oft findet. Ich hatte das Glück, den Film auf der Berlinale zu sehen und war begeistert.
Man kann nur hoffen, dass Kristen Stewart auf diesem Weg weitergeht. Es wird sicherlich ihre Popularität sein, die diesem großartigen und sehenswerten Film zu der Präsenz verhilft, die er verdient, wie es schon beim „Gelben Segel" geschehen ist. Sie ist eine Bereicherung für das Kino! Und es ist schön, dass ein deutscher Verleih den Mut hatte, "Welcome to the Rileys" in sein Programm aufzunehmen.