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Liegt uns Menschen Jagen im Blut? In seinem Dokumentarfilm verhandelt der Schweizer Regisseur das Thema Jagen aus verschiedenen Perspektiven.

Wild - Jäger & Sammler (2020)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Der Mensch, der Jäger

Jagen ist notwendig, heißt es. Der Wildbestand muss reguliert werden, sonst entstehen Schäden an Wäldern, an der Landwirtschaft und dem Ökosystem. Doch bedarf es dieser Intervention des Menschen nicht etwa nur deswegen, weil er sich überhaupt schon zu viel eingemischt hat? Es ist ein Teufelskreis. Der Mensch glaubt, selbstgerecht über sein Umfeld bestimmen zu können. Als höheres Wesen steht er über allem anderen. Flora und Fauna müssen sich ihm anpassen, sich unterwerfen.

In seinem episodischen und assoziativ komponierten Dokumentarfilm Wild – Jäger und Sammler versucht der Schweizer Regisseur Mario Theus, das Thema Jagd aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Er macht erstmal keinen Hehl daraus, dass er selbst aus einer Familie von Jägern stammt, dass Jagen ihm sozusagen in die Wiege gelegt wurde, dass es Teil seiner eigenen Sozialisierung und kulturellen Prägung ist. Das unterstützt nur das Argument, dass Jagen eine „der ältesten Kulturtechniken“ der Welt ist, das dem Film zugrunde liegt. Entsprechend ist auch der Tenor des Films Pro-Jagd.

Leichte kritische Überlegungen werden zwar geäußert, aber fallen hinter die Überzeugung, dass die Menschen schon immer gejagt haben und es deswegen zu einer Art Errungenschaft, einer Art errungenem Vorrecht des Menschen gehört. Daher wirken die Bemühungen alternative Meinungen einzubinden recht forciert. Da ist beispielsweise der ehemalige Wilderer, der zum passionierten Wildfotografen mutiert ist. Und der Autor des Films selbst stellt einmal die Frage, wieso der Mensch einige Tiere töten und essen will und andere nicht. Eine überzeugende Antwort kann auch dieser Film darauf nicht geben.

Als weitere Figuren treten in Wild – Jäger und Sammler die Schwester des Regisseurs auf, die als Tierärztin arbeitet. Sie gibt sich sehr abklärt, ziemlich kühl. Die expliziten Szenen, in denen man eine Kastrationsoperation sieht, korrespondieren dann auch mit den Szenen, in denen die Wildhüterin, die Theus befragt, mit ihrer Tochter ein frisch erlegtes Tier ausweidet. Dient dies der Abhärtung des Zuschauers? Es ist auf jeden Fall ein dramaturgisches Mittel für das Plädoyer, dass Jagen nichts Falsches, sondern etwas Natürliches ist.

Dazu passt auch, dass der Film immer wieder die Verbindung zwischen Kindern, Erziehung und Jagen herstellt. Wie für den Regisseur selbst wachsen auch andere Kinder damit auf. Das ist sicherlich einer der wichtigsten und aufschlussreichsten Aspekte des Films, auch wenn der Autor selbst noch etwas mehr aus dem Stoff hätte herausholen können.

Stattdessen bleiben die Bilder, in denen ein Kleinkind eine frisch erlegte Hirschkuh streichelt, während die Wildhüterin mit einem beseelten Ausdruck im Gesicht sagt: „Ganz so wie ein Plüschtier, nicht wahr?“, unkommentiert. Diese Szene gehört eindeutig zu den intensivsten des Films. Die Eltern des Kindes grinsen erwartungsvoll ob der Reaktion des kleinen Mädchens vor dem toten Tier. Das wirkt nicht vereinbar mit dem Respekt und der Ehrfurcht vor dem Wesen, das einst „graziös über die Felder sprang“, wie es ein anderer Vater später im Film ausdrückt. Doch auch ihm fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden.

Es ist eine Unbeholfenheit, die vermutlich von der Verlegenheit herrührt, dass das Jagen und die Rituale, die damit verbunden sind, doch in einem gewissen Widerspruch dazu stehen. Ein Jäger hängt sich einen Zweig an den Hut, um anzuzeigen, dass er ein Tier geschossen hat, Geweih und Schädel gelten als Trophäe. Es gibt Frauen, die jagen; doch die weit größere Anzahl der Jäger sind Männer. Jagen ist, und das zeigt auch der Film, voll von Symbolen archaischer Männlichkeit, die sich durch Stärke und Machtausübung definiert. Damit geht der Film kaum um.

Wild - Jäger & Sammler (2020)

Die drei Protagonisten des Films vereint die archaische Motivation des Jagdinstinkts, des Jagdfiebers. Der Blick über ihre Schultern eröffnet dem Zuschauer Einblicke in eine ursprüngliche Welt der Freiheit. Er lernt das Handwerk des Jägers, der Wildhüterin und des Tierfilmers kennen, eingebettet in das zugehörige Erlebnis: Er ist dabei, wenn die Trennlinie zwischen Mensch und Wildtier durchbrochen wird, wenn der Jäger seine Beute tötet und sich diese aneignet, wenn die Wildhüterin die Jäger beim Weidwerken überwacht oder der Tierfilmer einem Hirschen aus 20 Meter Entfernung mit der Kamera direkt ins Auge blickt. (Quelle: Lakeside Film)

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