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Eine Droge hält Paris in Atem! Das ruft einen Inspektor, seine neue Kollegin und ein paar altgediente Superheld:innen auf den Plan. Ob Regisseur Douglas Attal dem Subgenre neue Facetten abgewinnen kann?

Wie ich ein Superheld wurde (2020)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Neue Drogen, alte Probleme

Supermenschen all überall! Wo man in Film, Fernsehen und Comic derzeit auch hinblickt, begegnen einem maskierte Rächende. Die Spandexträger und Capeträgerinnen tummeln sich längst nicht mehr nur im US-Blockbuster-Kino. Jede Nation mischt inzwischen mit und dekonstruiert das Genre auf ihre eigene Weise. Nun hat auch Frankreich einen Vertreter.

Vermutlich ist es nicht der erste. Mit Netflix als Plattform, auf der Douglas Attals Romanverfilmung nach einem mehrfach verschobenen Kinostarttermin nun anlaufen wird, ist es aber garantiert einer mit enormer Reichweite. Und einer mit Schauwerten, denn die Handlung spielt, wie sich das für einen französischen Superheld:innenfilm gehört, selbstredend in Paris.

Dort schleppt sich der Polizist Gary Moreau (Pio Marmaï) jeden Morgen nur mit Müh und Not zum Dienst. In einer Welt, in der Menschen mit Superkräften zum Alltag gehören, steht er einer Abteilung vor, die von besagten Menschen verübte Verbrechen aufklärt. Dafür arbeitete er jahrelang erfolgreich mit dem Superhelden Monte Carlo (Benoît Poelvoorde) zusammen. Doch der vegetiert, an Parkinson erkrankt, schon seit geraumer Zeit in seiner Altbauwohnung vor sich hin. Seither ist Moreaus Motivation so miserabel wie seine Erfolgsquote. Das ändert sich erst, als ihm sein Chef eine neue Kollegin vor die Nase setzt.

Cécile Schaltzmann (Vimala Pons) raucht wie ein Schlot und trinkt literweise Kaffee, was auf befremdlich amüsante Weise Moreaus schluffig machohafte Lebensgeister weckt. Was Schaltzmann an Nikotin und Koffein konsumiert, zieht sich Moreau an Süßigkeiten rein. Ein seltsames Paar mit einer screwballcomedyhaften Dynamik, die letztlich aber eine konservative bleibt. Im stichelnden Konkurrenzkampf streckt Moreau seine Fühler nach alten Kontakten aus. Neben Monte Carlo, um den er sich liebevoll kümmert, zählt die ehemalige Superheldin Callista (Leïla Bekhti) dazu, die sich inzwischen als Sozialarbeiterin verdingt. Keine schlechte Anlaufstelle, immerhin dreht sich der neue Fall um eine Droge, die unter Jugendlichen kursiert und ihnen für kurze Zeit Superkräfte verleiht.

Was sich seit einigen Jahren im Superheld:innenfilm vollzieht, erinnert an ein anderes Subgenre, das diese Entwicklung bereits durchlaufen hat. Auch im Zombiefilm folgte auf den anfänglichen Grusel eine brutale Steigerung, bevor munter parodiert, dekonstruiert, gemixt und neu erfunden wurde. Und auch hier wollte jeder ein Stück von der lukrativen Untoten-Torte abhaben, bis selbst eine so kleine Filmnation wie Kuba mit Juan of the Dead (2011) ihren eigenen Zombiefilm hatte.

Längst geht es bei den Supermenschen ähnlich divers zu. Ultrabrutale und ätzend satirische Independent Filme wie James Gunns Super – Shut Up, Crime! (2010) stehen neben Steve Barrons Supervized (2019), der Supermenschen ins Altenheim schickt, oder Ben Falcones Thunder Force (2021), der mit den für das Actiongenre üblichen Körperbildern bricht. Und in Japan, wo die Uhren generell ein wenig anders ticken, ziehen sich Superhelden schon mal Damenunterwäsche als Masken über wie in HK: Hentai Kamen (2013) und dessen Fortsetzung.

Douglas Attals Wie ich ein Superheld wurde steht irgendwo dazwischen und erinnert damit an den deutschen, ebenfalls bei Netflix gestarteten Film Freaks – Du bist eine von uns (2020). Auch Attals Film ist der Versuch, das Genre humoristisch zu unterlaufen und gleichzeitig ernstzunehmen. Auch dieser Film möchte Parodie und Hommage zugleich sein, was allerdings nur in Ansätzen gelingt.

Die Chemie zwischen Pio Marmaï und Vimala Pons stimmt, doch gibt das Drehbuch viel zu wenig her, um aus ihren dürftig geschriebenen Figuren glaubhafte zu machen. Auch die obligatorische Romanze am Filmende wirkt angedichtet. Benoît Poelvoorde bringt mit den von seinen Charakteren gewohnten Schrullen ein wenig verschrobenen Humor in den Film und Leïla Bekhti ein wenig Action. Ansonsten steht das Ensemble größtenteils auf verlorenem Posten in einer Handlung, die sich bis zum Schluss nie richtig entscheiden kann, was sie sein will.

Das Beste ist noch die Ausgangsidee, durch Drogen Superkräfte zu erlangen, und die Art und Weise, wie diese Drogen fabriziert werden, was an dieser Stelle aber nicht verraten werden soll. Danach scheinen dem vierköpfigen Drehbuchteam, dessen Skript auf einem Roman des Soziologieprofessors Gérald Bronner beruht, die Ideen ausgegangen zu sein. Wie so oft in diesem Genre liefern die Supermenschen am Ende nur Durchschnittsware ab.

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