Who Killed Marilyn? (2011)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Tod einer Provinz-Diva

I put a spell on you / Because you’re mine, singt die verführerische Candice Lecoeur (Sophie Quinton) am Anfang des französischen Films Who Killed Marilyn?. Dazu spielt sie lasziv mit einem hauchdünnen weißen Tuch. Es besteht keine Frage: Candice sieht aus wie Marilyn Monroe, sie singt ähnlich verführerisch und besitzt ebenfalls diesen Hauch Unschuld. Doch sie ist tot. Angeblich hat sie Selbstmord begangen, indem sie eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt und sich dann im sogenannten „Niemandsland“ an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz im eiskalten Winter auf den Schnee gelegt hat. Der Fund ihrer Leiche sorgt in dem kleinen Dorf Mouthe im französischen Jura für Aufregung. Schließlich war sie eine lokale Berühmtheit. Und auch der Krimiautor David Rousseau (Jean-Paul Rouve) wittert in diesem Fall die Möglichkeit, seine Schreibblockade zu überwinden. Zufälligerweise ist er gerade nach Mouthe gereist, um das Erbe seiner verstorbenen Tante in Empfang zu nehmen, und bleibt nach kurzer Überlegung dort. Aber seine Nachforschungen sind nicht gerne gesehen.

Es ist insbesondere das Spiel mit den verschiedensten modernen Mythen, das Who Killed Marilyn? zu einem vergnüglichen Film werden lässt. Krimiautor Rousseau sieht sich in der Nachfolge von James Ellory, der mit Black Dahlia dem geheimnisvollen Tod von Elisabeth Short nachgegangen ist – und der mit diesem Buch den entscheidenden Schritt von einem Genre-Autor zum allgemein anerkannten Schriftsteller vollzogen hat. Wie Ellroy will nun Schund-Autor Rousseau aus dem Tod der aus einer Käsewerbung bekannten Dorfschönheit die Inspiration für ein Buch bekommen – und Anerkennung für sein Schreiben finden. Dabei entdeckt er im Zuge seiner Nachforschungen immer mehr Parallelen zwischen Candice und Marilyn Monroe, bei denen ihm der Zuschauer stets einen kleinen Schritt voraus ist und die wunderbar ironisch auf die französische Provinz heruntergebrochen sind.

Candice hieß einst Martine Langevin und wurde als brünette Schönheit an einer Tankstelle entdeckt. Mit Werbung für den Käse „Belle de Jure“, der sicherlich nicht zufällig an Buñuels Belle de Jour mit Catherine Deneuve denken lässt, wurde sie zu einer lokalen Berühmtheit. Aber wie Marilyn Monroe, als dessen Reinkarnation sich Candice sieht, wurde auch sie nicht glücklich. Stattdessen verzweifelte sie zusehends an den Erwartungen anderer und schaffte es nicht, ihren Traum von einem glücklichen Leben und der Liebe wahr werden zu lassen. Diese Sehnsucht wird schon durch den französischen Originaltitel Poupoupidou deutlich, der Marilyns I wanna be loved by you neckisch zitiert. Sophie Quinton spielt die lokale Berühmtheit mit einer überzeugenden Mischung aus Verführung und Verletzlichkeit. Sie lässt sowohl die naive Freude über ihr Bekanntwerden als auch ihre Einsamkeit und verzweifelte Suche nach Liebe erkennen. Doch trotz aller Ähnlichkeiten und Parallelen ist stets zu erkennen, dass sie letztlich nicht der Weltstar, sondern eine Provinzschönheit ist. Dabei gelingt es Sophie Quinton, die Verwandlung von Candice nachvollziehbar zu machen: Mit ihren dunkleren Haaren ist sie einfach ein hübsches Mädchen, sobald sie ihre blonde Perücke aufsetzt die verführerische Candice, die eine andere Gestik und Mimik hat. Dadurch hat sie in einigen Einstellungen sehr große Ähnlichkeit mit Marilyn Monroe, ist in anderen aber weit von ihr entfernt.

Regisseur Gérald Hustache-Mathieu, der auch das Drehbuch mit Juliette Sales geschrieben hat, eröffnet in seinem Film viele Deutungsmöglichkeiten. Allein schon die bluesige Version von I put a spell on you, die motivisch im Film aufgegriffen wird und wie eine Klammer am Ende abermals erklingt, erinnert daran, dass Candice nicht nur die Bewohner des Ortes, sondern auch die Zuschauer und David Rousseau verzaubert und in ihren Bann gezogen haben könnte. Womöglich erzählt der Film also die Teile zweier Geschichten: die realen Ereignisse um den Tod von Candice und die Romanhandlung des Buches von Rousseau. Darüber hinaus erweist Gérald Hustache-Mathieu hier auch Jim Jarmuschs Stranger than Paradise seine Referenz. Außerdem erfasst die Kamera häufig die Zahl fünf, die allein durch ihre Symbolik von einem Hinweis auf eine Verschwörung bis zum Symbol für die Liebe vieles bedeuten könnte. Womöglich ist sie aber einfach nur ein Spiel des Regisseurs, das sich gut in diese heiter-melancholische Atmosphäre fügt.

Who Killed Marilyn? ist ein sehenswerter Film, bei dem nicht nur die karge, schöne Winterlandschaft an Fargo von den Coens denken lässt. Es ist auch der düstere, mitunter schräge Humor. Zugleich durchzieht den Film aber eine leise Traurigkeit, die sich in der melancholischen Musik und den Widescreenbildern von Pierre Cottereau widerspiegelt. Auch Hauptdarsteller Jean-Paul Rove verleiht seiner Figur sehr viel Tiefe, die bei aller Skurrilität spürbar ist. Diese einzelnen Teile werden von Gérald Hustache-Mathieu sehr gut inszeniert, so dass es einfach ein Vergnügen ist, diesen gut gemachten und gut gespielten Film zu sehen.
 

Who Killed Marilyn? (2011)

„I put a spell on you / Because you’re mine“, singt die verführerische Candice Lecoeur (Sophie Quinton) am Anfang des französischen Films „Who Killed Marilyn?“. Dazu spielt sie lasziv mit einem hauchdünnen weißen Tuch. Es besteht keine Frage: Candice sieht aus wie Marilyn Monroe, sie singt ähnlich verführerisch und besitzt ebenfalls diesen Hauch Unschuld. Doch sie ist tot. Angeblich hat sie Selbstmord begangen, indem sie eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt und sich dann im sogenannten „Niemandsland“ an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz im eiskalten Winter auf den Schnee gelegt hat.

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