Whisky mit Wodka

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Prosit auf die deutsche Filmbranche

Otto Kullberg (Henry Hübchen) ist ein begnadeter Schauspieler und ein Star des deutschen Films – und ein Trunkenbold, der ohne den Griff zur Flasche kaum noch einen Dreh übersteht. So schwierig für ihn das Filmen ohne Sprit auch sein mag, mit Alkohol läuft es nicht besser. Und so scheint der Film Tango für Drei, den Kullberg gerade unter der Regie von Martin Telleck (Sylvester Groth) dreht, langsam, aber sicher an den Eskapaden des alternden Mimen zu scheitern. Bis der Produzent sich zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschließt: Um Kullberg den Ernst der Lage zu verdeutlichen, wird der bislang erfolglose und verhuschte, aber sichtlich bemühte Theaterdarsteller Arno Runge (Markus Hering) als Zweitbesetzung engagiert und jede Szene nun doppelt gedreht. Kein Wunder, dass Kullberg das natürlich gar nicht gut findet. Die sowieso schon im Team vorhandenen Spannungen schaukeln sich immer weiter hoch und lassen die Nerven blank liegen.
Zumal zu den Problemen mit schauspielerischen Eifersüchteleien, künstlerischen Differenzen, der üblichen Hackordnung und dem Älterwerden auch noch amouröse Verwicklungen hinzukommen. Bettina Moll (Corinna Harfouch), die die weibliche Hauptrolle in dem Film spielt, und Kullberg hatten früher einmal ein Verhältnis miteinander. Heute ist sie ausgerechnet mit Martin Telleck zusammen – und findet sich so in einem erbitterten Machtkampf der Platzhirsche wieder. Denn neben dem opportunistischen Regisseur und seinem alternden Star fordert auch die Zweitbesetzung ihren Teil vom Ruhm und verkompliziert damit alles. Außerdem verstricken sich der weibliche Jungstar Heike Marten (Valery Tscheplanowa), die Aufnahmeleiterin und etliche andere Teammitglieder immer tiefer in Amors Fallen, so dass im Verlauf des weiteren Drehs kaum noch jemand zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden kann. Aber was will man beim Film auch anderes erwarten?

Auch wenn die Geschichte vom schauspielernden Trunkenbold zunächst wie ein Klischee erscheint über die Extravaganzen und Exzesse der Theater- und Filmlandschaft: Whisky mit Wodka unter der Regie von Andreas Dresen und aus der Feder von Wolfgang Kohlhaase (die beiden arbeiteten bereits bei Sommer vorm Balkon zusammen) basiert auf einer realen Episode, die sich in den Fünfzigerjahren bei den Dreharbeiten zu dem DEFA-Zweiteiler Schlösser und Katen unter der Regie von Kurt Maetzig ereignete. Auch damals fürchtete man um das Projekt, da ein Hauptdarsteller dem Suff verfallen war und sicherte sich durch eine Zweitbesetzung ab.

Sei es nun wegen dieser historischen Verbindung oder wegen des Zwanzigerjahre-Settings des Films-im-Film Tango für Drei: Der neue Film von Andreas Dresen wirkt – auch dank der allgegenwärtigen Tango-Musik trotz der Verortung im Hier und Jetzt — unglaublich nostalgisch und auf liebenswerte Weise altmodisch. Hinter der Fassade der geschliffenen „one-liner“ und bissigen Wortgefechte lauern die psychischen Abgründe an jeder Ecke – und geraten ab und an beinahe in Vergessenheit: Die Angst vor dem Älterwerden, die Sucht nach Anerkennung, die gegenseitigen Abhängigkeiten und inzestuösen Verschränkungen beim Drehen eines Filmes, die Zurückweisungen sowie die vielen kleinen und großen zwischenmenschlichen Geschichten, die eben passieren, wenn man vier Wochen oder mehr intensiv miteinander arbeitet.

Whisky mit Wodka ist Andreas Dresens bislang aufwändigster Film — und sein vermeintlich leichtgewichtigster. Mit seinem breiten Panorama an Figuren und Substories, den stimmigen Kulissen und der verzwackten Film-im-Film-Dramaturgie bildet er den größtmöglichen Gegenpol zu dem sehr reduzierten und formal strengen Vorgängerfilm Wolke 9, der vor gerade einmal einem Jahr ebenfalls beim Münchner Filmfest seine Deutschland-Premiere feierte. Unglaublich, welche Produktivität und stilistische Bandbreite Andreas Dresen mittlerweile vorzuweisen hat. Und doch gibt es Kontinuitäten, die man nicht übersehen werden dürfen: Sowohl bei Wolke 9 wie auch bei Whisky mit Wodka geht es vor allem um das Thema Alter  — wenngleich die Durchführung dann doch sehr unterschiedlich geraten ist.

Auch wenn es manchen treffenden Seitenhieb auf die deutsche Filmbranche und deren Besonderheiten wie das Fördersystem gibt – immer behält Dresen den heiter-melancholischen Grundton bei, der an manchen Stellen auch aus der Feder eines Woody Allen oder eines Helmut Dietl stammen könnte. Niemals schwingt er sich zu einer Fundamentalkritik am deutschen Film auf — wofür bei Licht besehen der Stoff durchaus geeignet gewesen wäre. So bleibt Whisky mit Wodka also ein braver, ansehnlicher und humorvoller Film — und es darf getrost vermutet werden, dass er neben viel Zuspruch an den deutschen Kinokassen auch beim Deutschen Filmpreis abräumen dürfte. Denn wenn man die Dinge schon nicht verändern kann, hilft es in jedem Fall ein wenig, wenn man darüber lacht.

Whisky mit Wodka

Otto Kullberg (Henry Hübchen) ist ein begnadeter Schauspieler und ein Star des deutschen Films – und ein Trunkenbold, der ohne den Griff zur Flasche kaum noch einen Dreh übersteht. So schwierig für ihn das Filmen ohne Sprit auch sein mag, mit Alkohol läuft es nicht besser.
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