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Julia zieht mit ihrem Mann aus den USA nach Bukarest. Sie freut sich auf einen neuen Lebensabschnitt. Doch ein Frauenmörder treibt sein Unwesen in der Stadt und Julia glaubt, dass dieser ihr auf den Fersen ist.

Watcher (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Der Typ von nebenan

Die meisten, die einmal neu in eine fremde Stadt gekommen sind, vielleicht auch die Sprache vor Ort noch nicht konnten, werden sich mit der Protagonistin dieses Thrillers identifizieren können. Julia (Maika Monroe) ist ihrem Mann (Karl Glusman) nach Bukarest gefolgt, wo er, ein gebürtiger Rumäne, eine neue Stelle angenommen hat. Die Amerikanerin ist zuversichtlich, dass auch sie bald eine Stelle und Anschluss finden wird. In der Zwischenzeit richtet sie die gemeinsame Wohnung ein und erkundet die Stadt.

Dann erfährt sie, dass ein Mörder umgeht, der Frauen auflauert, sie enthauptet und ihren Kopf als Trophäe behält. In der Wohnung isoliert, fängt bei Julia das Gedankenkreisen an. Schon bald fühlt sie sich beobachtet. Am Fenster im gegenüberliegenden Wohnhaus steht ein Mann (Burn Gorman), der sie anschaut. Und ist es nicht der gleiche Typ, den sie auch in der U-Bahn gesehen hat und der ihr gefolgt ist. Und hat sie ihn nicht auch im Supermarkt zwischen den Regalen herumschleichen gesehen? Sowohl ihr Mann als auch ein Polizist zeigen sich erstaunlich mitfühlend, sie gehen dem Verdacht nach, der Mann scheint aber harmlos zu sein. Julia ist nicht überzeugt und sie wird Recht behalten — denn erst gerät ihre Nachbarin in Gefahr und dann sie.

Chloe Okuno wandelt in Watcher auf einem feinen Grat. Immer wieder schwankt man als Zuschauer hin- und her: Handelt es sich nun bei der Protagonistin um eine Paranoikerin oder ist ihre Angst doch berechtigt? Es ist eindeutig die große Stärke des Films, dass er dieses Gleichgewicht bis zum Ende durchhält. Das liegt auch an der schauspielerischen Leistung von Maika Monroe in der Hauptrolle. Einmal mehr beweist Monroe, die schon in The Bling Ring und It Follows aufgefallen ist, ihre Vielseitigkeit und etabliert sich weiter als Darstellerin im Thriller-Horrorfach. 

Neben Monroe bleibt insbesondere Burn Gorman als vermeintlicher oder tatsächlicher Bösewicht in Erinnerung. Der Brite, der auf eine beachtliche Hollywood- und Fernsehkarriere blickt, hat das perfekte Aussehen für die Rolle des geistesgestörten Sonderlings. Er ist an sich unscheinbar, mit einer biederen Frisur und einer gedrungenen Körperhaltung. Gorman hat kaum Text, alles spielt sich auf der Ebene der Mimik ab. Das Bedrohliche vermittelt er über seinen Blick, den er mit einer beachtlichen Bandbreite ausstattet.

Watcher ist Okunos Spielfilmdebüt. Die US-amerikanische Regisseurin hat darin eine zeitgemäße, ermächtigte weibliche Hauptfigur. Sie ist kein Opfer, keine hysterisch Überempfindliche, die erst beruhigt werden muss, der ein Mann erklärt, wie sie sich zu fühlen oder zu verhalten hat. Watcher beweist, wie interessante Frauenrollen aussehen können, die nicht wie ein künstliches Konstrukt wirken, das aus verschiedenen Stichpunkten eines Emanzipationskatalogs zusammenstellt wurde. 

Abgesehen davon funktioniert der Thriller dank Okunos präzisem Rhythmusgefühls und einer einheitlichen Bildsprache. Dabei fällt vor allem die Farbpalette auf, die aus eher kühlen Blau- und Grautönen besteht. Dies passt dazu, dass es sich bei dem Gebäude, in dem Julias Wohnung ist, um moderne Architektur im Loftstil mit viel Beton und Glas handelt. Oft sieht man die Stadt in der Dämmerung und bei Nacht und wieder dominieren dabei ähnliche Farben. 

Nicht zuletzt hebt sich Watcher mit der Wahl von Bukarest als Schauplatz von durchschnittlichen Produktionen ab. Mit großer Wahrscheinlichkeit dient die Stadt dank der allgemeinen tieferen Lebenshaltungskosten oft unerkannt als Drehort, doch selten steht sie dermaßen im Vordergrund. Eindeutig gibt dies dem Film eine faszinierend fremdländische Not, was aber die  Handlung niemals forciert, sondern sich vielmehr harmonisch in die Dramaturgie einfügt. Besonders natürlich wirkt die Entwicklung, die die Hauptfigur durchmacht, die erst kaum ein Wort Rumänisch spricht, aber nach und nach die Sprache lernt und immer mehr versteht. Watcher bedient sich formal einiger altbekannter Element des Fachs, überzeugt aber mit der atmosphärischen Gesamtwirkung.

Watcher (2022)

Julia und Francis sind frisch verheiratet und haben gerade gemeinsam in Bukarest eine neue Wohnung bezogen. In der Stadt macht sich wegen eines Serienmörders Panik breit. Julia hat das Gefühl, dass sie jemand vom Nebengebäude heraus beobachtet.

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