W.E.

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Ein liebloser Liebesfilm

Madonnas zweite Regiearbeit heißt W.E., was nicht, wie von vielen angenommen, Weekend bedeutet, sondern die Abkürzung für eines der bekanntesten Liebespaare des frühen 20. Jahrhunderts ist. Die Amerikanerin Wallis Simpson und der Englische König Edward VIII. sorgten mit ihrer Beziehung für großes öffentliches Interesse und stürzten England kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in eine Staatskrise. Wie das Schicksal des englischen Throns nach der Abdankung Edwards aussah, das konnte man im Oscargewinner The King’s Speech erst kürzlich sehen. Madonnas Film versteht sich aber nicht als alternative Geschichte über das Schicksal Edwards und seiner großen Liebe. In W.E. spiegelt sich die Geschichte einer tragischen Liebe aus der Vergangenheit mit einer anderen Geschichte in der Gegenwart.
1998 findet sich die Amerikanerin Wally Winthrop (Abbie Cornish) in einer gewalttätigen Ehe mit einem Psychiater (Richard Coyle) wieder. Er hat Geld aber keine Zeit für sie. Sie wünscht sich ein Kind, aber der Druck und das ewige Streiten lassen Wally nicht schwanger werden. Und so vertreibt sich Wally — eine obsessive Verehrerin von Wallis Simpson – die Zeit, in dem sie täglich durch die Ausstellung des Nachlasses von Edward und Wallis wandert, welche das Auktionshaus Sotheby’s versteigern wird.

Madonna hat offenkundig einen Film über die ganz großen Themen im Auge gehabt. Das Schicksal der einen Frau im Hier und Jetzt wird als zeitversetzte Parallele zu dem von Wallis Simpson erzählt. So wechselt der Film ständig zwischen diesen beiden Zeitebenen und ist ein Werk voller Parallelmontagen geworden. Madonna scheint gar nicht genug davon zu bekommen, ständig identische Handlungsabläufe zu inszenieren und somit auf die Ähnlichkeit beider Frauenleben hinzu- weisen. Wenn Wally von ihrem Mann geschlagen wird, dann bekommt man auch gleich gezeigt, wie Mrs. Simpson von ihrem zweiten Ehemann niedergeprügelt wird. Das vermag dann in der ersten halben Stunde durchaus zu beeindrucken, schließlich erreicht der Film durch seine vorantreibende Musik (Komponist: Abel Korzenowski, der schon für den Soundtrack von A Serious Man verantwortlich war) und seine Montage relativ schnell ein angenehmes Erzähltempo, dem man auch bereitwillig folgt.

Doch dann muss Madonna, die zusammen mit Alek Keshishian (Love and Other Disasters) das Drehbuch geschrieben hat, sich entscheiden: Will sie davon erzählen, wie das Leiden einer Frau und ihre – angeblich – vergessene Geschichte stellvertretend für viele Frauenschicksale der letzten Dekaden steht. Oder soll W.E. vom obsessiven Wahn einer New Yorkerin erzählen, die verzweifelt eine Ausflucht aus ihrer gewalttätigen Ehe sucht und sich dadurch nicht nur in ihre Fantasie, sondern im Verlauf des Films auch in die Arme eines russischen Intellektuellen flüchtet?

Leider hat sich Madonna überhaupt nicht entschieden. Irgendwie soll ihr zweiter Film alles auf einmal sein, woran er letzten Endes zerbricht. Gerade die Gegenwartsebene ist ihr misslungen. Die Gewaltausbrüche von Wallys Ehemann und die neue Liebe zum russischen Intellektuellen wirken ungelenk, uninspiriert und dadurch vor allem unglaubwürdig. Die zweite Zeitebene weiß dagegen nur durch die Ausstattung zu glänzen. Und wenn man Edward abdanken sieht und die Kamera ihn an seinem Mikrophon umkreist, dann weiß man, dass man das alles schon gesehen hat. Nun ist es sicherlich nicht Madonnas Schuld, dass The King’s Speech einen derartigen Erfolg gefeiert hat und vor allem vor ihrem Film in die Kinos kam. Aber man kann gar nicht anders, als einen Vergleich zu ziehen. Wenig schmeichelhaft muss da auch die Kritik über die Darsteller ausfallen. Zwar ist der Film mit Abbie Cornish und Andrea Riseborough sehr gut besetzt. Doch weiß Madonna nicht, wie man diese talentierten Jungschauspielerinnen führen soll. Sie wirken verloren unter dem vielen Make-up und den ausgefallenen Kostümen und bewegen sich durch diesen Film wie Figuren in einem überstilisierten Chanel-Werbespot und nicht wie die tragischen Heldinnen einer Kinoerzählung.

Der Popstar Madonna – da ist man sich nun doch recht sicher – ist leider keine geborene Filmemacherin. Sie hat uns nichts Bewegendes zu erzählen über die Liebe von heute oder damals. Sie verpasst die Chance, ihre eigene Rolle als bewunderter und auch verfolgter Star zu reflektieren. Gerade die Momente, in denen Wallis von der internationalen Presse umlagert wird, verweisen auf ein Schicksal, das ihr nicht fremd sein sollte. Groß ist die Enttäuschung über W.E. aber auch, weil Madonna ihren Liebesfilm genauso inszeniert, wie sie über die Liebe singt: oberflächlich, verkitscht und ohne Gespür für die nötige Ambivalenz der menschlichen Empfindung.

W.E.

Madonnas zweite Regiearbeit heißt „W.E.“, was nicht, wie von vielen angenommen, Weekend bedeutet, sondern die Abkürzung für eines der bekanntesten Liebespaare des frühen 20. Jahrhunderts ist. Die Amerikanerin Wallis Simpson und der Englische König Edward VIII. sorgten mit ihrer Beziehung für großes öffentliches Interesse und stürzten England kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in eine Staatskrise.
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Meinungen

susanne riedel · 24.06.2012

Der Film war gefühlvoll, hart, romantisch, tolle Geschichte,schöne Bilder, ein ganz toller Film. Ich verstehe die schlechte Kritik nicht. Super Madonna, weiter so.