Veronika beschließt zu sterben

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Langsam sterben, langsam leben

Die Protagonistin aus Paulo Coelhos Erfolgsroman Veronika beschließt zu sterben hat sich aufgegeben, bevor die Geschichte des Bestsellers überhaupt beginnen kann. Veronika kann nicht mehr, kann den Druck, die Traurigkeit, die Tristesse ihres Daseins nicht länger ertragen. Mit dem Freitodversuch, den sie als Befreiungsschlag gegen alles Leid in Szene setzt, wählt sie eine Exit-Option, mit der wir uns in jüngster Zeit auch in der Realität allzu oft beschäftigen mussten: Berühmte Persönlichkeiten wie der verstorbene Fußballprofi Robert Enke haben der Öffentlichkeit auf tragische Weise in Erinnerung gerufen, dass es keinesfalls Randpersonen sind, die in emotionale Sackgassen geraten, diese unaussprechlichen Konflikte im Innern austragen müssen, die in den Augen der Betroffenen alles Lebendige in eine graue, dunkle Unterwelt herunterziehen — lebensbedrohliche psychische Konflikte, ausgetragen inmitten unserer Gesellschaft. Und so ist Selbstmord vor allem in den letzten Jahren, als letzte selbstzerstörerische Stufe eines resignativen Prozesses, endlich auch Thema in unserer Gesellschaft und damit in der Medienlandschaft geworden.
Insofern macht diese Verfilmung des millionenfach verkauften Bestsellers Mut — Mut zum Leben, zur Auseinandersetzung mit tiefschürfenden Problemen, die sich — und das wird allzu häufig vergessen — lösen oder zumindest eindämmen lassen, wenn man sich denn mit ihnen zu konfrontieren traut. Veronika (überraschend eindrucksvoll besetzt mit Buffy-Star Sarah Michelle Gellar) ist unzufrieden mit ihrem Leben, unzufrieden mit den reglementierten Bahnen, die in einer funktionierenden Gesellschaft — vielleicht notwendigerweise — vorgezeichnet sind. Doch anstatt ein anderes Lebensmodell auszuprobieren und selbstsicher nach einer glücksversprechenden Identität zu suchen, stößt die gut verdienende Upper-Clas-Finanzexpertin alle lebensbejahenden Optionen, alle positiven Alternativen ab und glaubt, nur in der Entsagung des Diesseits eine erfolgreiche Bewältigung ihrer Probleme verwirklichen zu können. (Was im Grunde einer Aufgabe, einer Resignation, einem großen, desaströsen Scheitern gleichkommt.) Erst als sie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird und sich mit ihrem vertrackten Dasein auseinandersetzt, mit Doktor Blake (David Thewlis) an ihrer Seite, beginnt sie zu verstehen, welche Tasten auf der Klaviatur ihres Lebens falsch gespielt worden sind. Natürlich: Die Beziehung zu ihren Eltern, zu ihrem einseitigen Leben werden Thema des erkenntnisreichen, gleichsam schwierigen Prozesses. Probleme in den Tiefen ihres Bewusstseins brechen wie krampfhaft zusammengehaltene Eisschollen hervor.

Der Fortgang von Coelhos Geschichte wird von einer intelligenten Paradoxie angestoßen: Veronika erfährt von ihrem Arzt, dass der Selbstmordversuch, die Überdosis Pillen, die sie schluckte, ihr Herz dermaßen beschädigt hat, dass sie keine medizinische Heilung mehr erhoffen darf. Sie erfährt, dass sie bald aufgrund eines Herzdefekts sterben muss — nicht in Monaten, sondern in Wochen. Mit dieser dramatischen situativen Komponente, die ein kurzes „Leben auf Zeit“ impliziert, ein Abschiednehmen, ein eben nicht pharmakologisch und affektvoll gesteuertes, sondern langsames bewusst werdendes Sterben, entdeckt sie bislang unerkannte Qualitäten ihres nun pausierenden und in einen Reflexionsprozess gezogenen Lebens. Wer bin ich? Was will ich? Was hat mich so unglücklich gemacht? Diese Fragen beginnen sich dringlicher denn je zu stellen, wobei Veronika, im Angesicht des Todes, in dieser paradoxen Mischung aus langsamem Verzagen und ständiger Erneuerung die wunderliche Schönheit des Auf-der-Welt-Seins, wie Martin Heidegger sagen würde, neu für sich entdeckt.

Endlich platzt der Knoten. Veronika verliebt sich in einen Mitpatienten und nimmt das Leben in seiner Vielfalt wahr, ähnlich wie wir die letzten Minuten dieses träumerischen Films, der sich mit verwackelten und melancholisch eingefangenen Bildern vom Wachwerden New Yorks langsam verabschiedet. Natürlich muss man feststellen, dass Emily Youngs Bestseller-Interpretation auf einem schmalen Grat zwischen Kitsch und seelischer Selbsterkenntnis balanciert, zwischen psychologischer Banalität und intelligenter Analyse, was allerdings der Dramaturgie des Buches geschuldet ist. Deshalb werden nur waschechte Coelho-Freunde restlos angetan sein — alle anderen, die dem Autor, wie dies oft und nicht selten zu Recht geschehen ist, emotionale Seichtheit und zu kurz gegriffene und überzogen imperative Moralität vorwerfen, werden auch diesen Film nicht ergreifend und überzeugend finden. Fragen, soviel ist sicher, wirft der Film trotzdem auf: Und wie wir Paul Coelho kennen, ist das Ende, ob es nun das Leben oder die Poesie, unsere Existenz oder den Ausgang dieses Films betrifft, offener, als man denkt.

Veronika beschließt zu sterben

Die Protagonistin aus Paulo Coelhos Erfolgsroman „Veronika beschließt zu sterben“ hat sich aufgegeben, bevor die Geschichte des Bestsellers überhaupt beginnen kann. Veronika kann nicht mehr, kann den Druck, die Traurigkeit, die Tristesse ihres Daseins nicht länger ertragen.
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Meinungen

tania spanou · 14.11.2014

Ich habe das buch gelesen es handelt sich um ein besonderes buch ich moechte den film auf jeden fall sehen

Dana · 29.12.2012

Super Film! Aber VORSICHT , kann sehr stark triggern!

konogier · 03.12.2010

Der Film war eine große Enttäuschung. Ich habe mich schon zuvor gefragt, wie man gewisse Stellen verfilmt, die sind aber so oder so meistens nicht gekommen. Absolute Geldverschwendung.

Hannah · 27.11.2010

Schade, auch ich war enttäuscht.Dem Problem wurde der Film nicht gerecht.Man könnte ja sonst alle potenziellen SM einen "Höhepunkt" erleben lassen, damit sie wieder auf den "Pfad der Tugend" zurückgeführt werden. Die Psychiatrie wurde mit den üblichen Klischees dargestellt.
Als betroffene fühle ich mich nicht ernst genommen.Schade

Eugenia · 25.11.2010

Ich bin sehr enttäuscht! Sie haben so viele wichtige Stellen weggelassen. Das Buch ist 10000 mal besser! Der Film ist absoluter Flop! Und die Schauspielerin war für diese Rolle ungeeignet, ich verstehe wirklich nicht, wie sie diese Rolle gekriegt hat.

Lisa · 12.10.2010

Super Film! Das Buch ist wahrscheinlich 1000 Mal besser.
Aber ich muss hier echt noch loswerden dass der Trailer auf dieser Seite der absoulte Mist ist!!! Wie kann man so schlechte Trailer machen?
Außerdem muss man den Film auf Englisch schauen. Wie (fast) immer ist die deutsche Synchronisation grausam und nimmt dem Film einiges!

Mr. Kritiker · 02.10.2010

Die Kinokarte war rausgeworfennes Geld.

Läscher · 01.10.2010

Also für mich ist ein Film (und auch ein Buch), das gegen die eigene Prämisse aus Jux und Dollerei verstößt, ein Ärgernis.
Ich fand das Ergebnis verkitscht, verlogen, ein weichgespülter Wattebausch.

Gellarfan · 30.09.2010

Bin totaler Cineast und hab bisherige Filme mit Sahra immer genossen, ich finde, dass sie sich entwickelt hat! Ich freu mich auf den Film, aber da ich auch Leseratte bin, werde ich mir das hochgelobte Buch wohl auch holen...ist alles Geschmackssache, würde ich sagen. Trotzdem: Weiterhin viel Spaß im Kino!

Kritik · 07.09.2010

Hmmm....scheint sich nicht sehr an die Romanvorlage zu halten und SMG wäre auch nicht meine Traumbesetzung für die Verfilmung gewesen...man darf gespannt sein. Der Film wirkt düsterer als das Buch...