Verbotene Filme

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Macht der Suggestion

Verbotene Filme – so einfach und gleichsam präzise benennt sich Felix Moellers Dokumentarfilm über die indizierten Filme der NS-Zeit. Um die dreihundert dieser Werke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten als gefährliche „Vorbehaltsfilme“ eingestuft und auf den Index gesetzt. Gezeigt werden können diese in Deutschland nur, wenn sie pädagogisch eingebettet sind. War es in den Nachkriegsjahren noch unumstritten, was für kinematographische Brandbomben voller offensichtlicher und nicht so offensichtlicher Nazi-Ideologie und –propaganda man hier vor sich hatte, so stellt sich jetzt, 69 Jahre später, die Frage, ob dem noch immer so ist. Denn es ist ja viel Zeit vergangen und die deutsche Gesellschaft ist eine andere und überhaupt – so viel Macht kann ein Film doch nicht haben. Oder?
Doch bevor diese äußerst schwierige Frage bearbeitet werden soll, gewährt Moeller erst einmal einen Überblick über die Filme, die hier zur Debatte stehen und deren Kontext. So streut die Dokumentation viele Filmausschnitte ein und gibt einen kleinen Überblick über den Kanon der NS-Vorbehaltsfilme – zweifelsohne ein wichtiger Teil dieses Filmes, kennen doch die meisten Zuschauer diese Filme nicht oder haben nur davon gehört/gelesen. Und wie wunderbar sich das Material damit auch selbst ausstellt – ein paar Ausschnitte genügen, um sich der Ambivalenz dieses Filmerbes bewusst zu werden und verstehen zu können, welch ein Ringen seit Jahrzehnten um den richtigen Umgang hier von statten geht.

Die Dokumentation arbeitet das vielfältige Material auch gleich nach Themenkomplexen auf: Antisemitismus, Jugend, die Stars des NS-Kinos etc. Hier besonders spannend, wenn auch leider zu kurz gekommen die Frage des Unterhaltungsfilmes. Denn in Hitlers Kino wurde nicht nur geschossen und marschiert, im Gegenteil, viele ideologische Filme versteckten sich unter dem Deckmäntelchen des leichten Unterhaltungsfilms. Ein besonders perfides Beispiel ist wohl zweifelsohne Ich klage an (Wolfgang Liebeneiner, Deutschland 1941), der Geschichte einer jungen Frau, die an Multipler Sklerose erkrankt ist. „Wenn du mich wirklich lieb hast“, fleht die Kranke, „erlöse mich!“ und beginnt so eine Erzählung um den Wunsch zu sterben, die alsbald zu einer Rechtfertigung der Euthanasie-Morde wird.

Was tun mit solchen Filmen? Sie versuchen zu entnazifizieren wie es in den späten 1960ern geschah? Aber wie schneidet man subtiles Gedankengut heraus, welches sich nicht laut trompetend, heil Hitler rufend und das Hakenkreuz schwingend herausstellt? Und wie steht es um die Macht dieses Kinos? Diese Frage versucht der Filmemacher einerseits durch Experten wie die Filmwissenschaftlerin Sonja M. Schultz, den Historiker Moshe Zimmermann etc. zu beantworten, andererseits zieht es ihn auch zu den eigentlichen Adressaten, dem Publikum. Dieses fand Moeller im In- und Ausland indem er zu Filmvorführungen ging und dort das Publikum in seinen Reaktionen und Diskussionen dokumentierte. Von jungen Schülern in Frankreich, die sich Jud Süss (Veit Harlan, Deutschland 1940) zusammen mit KZ-Überlebenden ansehen, über israelische Studenten, die über das Bild des geldgierigen Juden in Die Rothschilds (Erich Waschneck, Deutschland, 1940) sinnieren bis hin zu deutschen Zuschauern, die erschaudern vor den perfiden Unterhaltungsfilmen, denen man die Progaganda kaum anmerkt. Oder die eben nicht erschaudern, sondern in diesen Filmen Momente finden, die ihnen gefallen. Und genau hier wird es auch interessant, wenn man die Ausgangsfrage nach der Macht der Suggestion erneut stellt. Was passiert, wenn junge Menschen ohne gutes Vorwissen diese Filme sehen, die – so berichten ein paar Aussteiger aus der rechten Szene – gerne zur Überzeugung neuer Rekruten eingesetzt werden?

Wie schmal der Grat ist, auf dem man hier wandert, wird schnell ersichtlich – die Kontextualisierung und das Wissen, welches der Einzelne zu diesen Filmen mitbringt, scheinen das Entscheidende. Die Macht der Bilder – egal welcher Idee oder Ideologie sie auch immer dienen, sollte man allerdings nicht unterschätzen.

Ein Epilog und weiteres Bild: Ausgerechnet in Shoshannas Kino wird die gesamte Nazi-Riege, Hitler eingeschlossen, einen Film sehen. Als alle da sind, der große Führer eingeschlossen, verriegelt sie die Türen und setzt einen riesigen Berg Filmmaterial hinter der Leinwand in Brand. Das Material – Nitrozellulose – ist ein hervorragender Sprengstoff, sobald er Feuer fängt. Es explodiert, brennt wie Zunder und löscht die gesamte Nazi-Elite in einem Schlag aus. So tötet Shoshanna, die Jüdin, die Nazis. Mit der explosiven Macht der Filmbilder. (Inglourious Basterds, Quentin Tarantino, USA, 2009).

Verbotene Filme

„Verbotene Filme“ – so einfach und gleichsam präzise benennt sich Felix Moellers Dokumentarfilm über die indizierten Filme der NS-Zeit. Um die dreihundert dieser Werke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten als gefährliche „Vorbehaltsfilme“ eingestuft und auf den Index gesetzt. Gezeigt werden können diese in Deutschland nur, wenn sie pädagogisch eingebettet sind.
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