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In Michal Viniks Gesellschaftsdrama „Valeria is getting married“ reist die ukrainische Titelfigur nach Israel, um eine arrangierte Ehe einzugehen.

Valeria is getting married (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Das bestmögliche Leben?

„Valeria is getting married“ – das könnte der Titel einer romantischen Komödie sein, in der die titelgebende Protagonistin allerlei Hürden überwinden muss, um schlussendlich zu heiraten. Selbstverständlich ihren Traumprinzen. Und selbstverständlich umgeben von Menschen, die ihr nur das Beste wünschen. Doch es sei hier nun mal „nicht wie im Film“, heißt es an einer Stelle in „Valeria is getting married“, der natürlich trotzdem auch ein Film ist – aber einer, der die Realität nicht verklärt, sondern sich mit sezierendem Blick mit arrangierten Ehen befasst.

Die 1976 in der nordisraelischen Hafenstadt Haifa geborene Regisseurin und Drehbuchautorin Michal Vinik, die in ihrem Langfilmdebüt Barash (2015) eine lesbische Liebesgeschichte erzählte, legt Valeria is getting married als Kammerspiel an, dessen Handlung größtenteils in einer Wohnung vonstattengeht und nur wenige Stunden umfasst. Die junge Valeria (Dasha Tvoronovich) kommt aus der Ukraine und wird in Tel Aviv von ihrer älteren Schwester Christina (Lena Fraifeld) empfangen. Diese hat durch eine Heiratsvermittlung ihren Gatten Michael (Yaakov Zada-Daniel) kennengelernt – und jetzt soll auch Valeria heiraten. Ihren Verlobten Eytan (Avraham Shalom Levi) hat sie bisher nur via Videochat erleben können.

Der Film zeigt, wie die beiden sich zum ersten Mal begegnen – vor allem aber widmet er sich den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen, die mit dem Konzept einer arrangierten Ehe zwangsläufig einhergehen. Vinik operiert dabei auf sehr subtile Weise. Es wäre zum Beispiel recht einfach, Eytan als extrem unsympathischen oder gar abstoßenden Mann in Szene zu setzen, um die Absurdität zu demonstrieren, sich für den Rest des Lebens an einen fremden Menschen binden zu müssen. Doch der vermittelte Zukünftige wirkt beim ersten Zusammentreffen in seiner nervösen Art durchaus nett und bemüht. Gleichwohl werden bereits in den ersten, vermeintlich freundlichen Gesten von Eytan die Mechanismen des Patriarchats deutlich – etwa in einem geschenkten Handy, in dem Eytans Nummer vorsorglich schon unter „Ehemann“ gespeichert wurde.

Von einem „guten Leben“, gar dem „bestmöglichen Leben“ ist die Rede, wenn es um die Entscheidung geht, sich als Frau aus der Ukraine auf eine arrangierte Ehe mit einem israelischen Mann einzulassen. Alles, was es für die Sicherheit zu opfern gilt, ist die Freiheit. Dies wird in Valeria is getting married in erster Linie nicht über Worte, sondern über vielsagende Blicke vermittelt. Ein prägnanter Satz ist wiederum, dass die Ehe „ein Geschäft“ sei. Nach und nach wird klar, dass Christinas Mann Michael eine hohe Geldsumme erhält, wenn der „Deal“ mit Valeria funktioniert.

Vinik findet in ihrer Inszenierung einen spannenden Weg zwischen Realitätsnähe und kunstvoller Gestaltung. Die rotstichigen Bilder, in denen die Regisseurin und ihr Kameramann Guy Raz das Geschehen schildern, verleihen dem Ganzen zunächst etwas trügerisch Flauschiges – bis sich in dieser Farbwahl (auch) die langsam hochkochenden Emotionen erkennen lassen. Ein Streichermotiv unterstützt zudem das Unbehagen, das die Heldin und wir fühlen. So verbirgt Valeria is getting married wie in seinem harmlos-vergnüglich klingenden Titel hinter seiner sanft erscheinenden Optik die Härte der Wirklichkeit und die Wahrheit hinter Worthülsen und süßen Lügen.

Valeria is getting married (2022)

Sichtlich angespannt sitzt die junge Ukrainerin Valeria in einer Wohnung irgendwo in Israel. In wenigen Momenten soll sie ihren zukünftigen Ehemann Eitan zum ersten Mal treffen. Als Vermittlerin fungiert ausgerechnet ihre Schwester Christina, die selbst mit einem älteren israelischen Mann verheiratet ist und für Valeria denselben Lebensweg eingefädelt hat. Doch diese ist von den Plänen ihrer Schwester nur wenig begeistert – und noch weniger von Eitan, als dieser durch die Wohnungstür tritt. Als sich Valeria weigert, Eitan nach Hause zu begleiten, spitzt sich die Situation sehr schnell zu. (Quelle: Zurich International Film Festival 2022)

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