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Trotz prominenter Besetzung schaffte es „Underwater“ nur kurz und in wenige Kinos. Wer wissen will, was 36.000 Fuß unter der Meeresoberfläche lauert, kann den Tiefsee-Mix mit Kristen Stewart jetzt auf der Couch nachholen.

Underwater - Es ist erwacht (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Atemlos abgesoffen

Auf dem Cover der DVD und Blu-ray sieht Kristen Stewart wie eine Astronautin aus. Und das ist gar nicht so falsch. Zwar ist ihr Anzug nicht für das Weltall, sondern für die Tiefsee entworfen, erfüllt aber die gleiche Funktion. Hoch oben und ganz unten ist die Umgebung gleichsam tödlich. Und noch etwas anderes lauert dort draußen in absoluter Dunkelheit, das Klassiker der Horrorliteratur und des Genrekinos heraufbeschwört. 

Der Auftakt wirkt vertraut. Wenn Bojan Bazellis Kamera über die leeren Gänge der Station Kepler 822 am Grund des Marianengrabens schwenkt, zitiert Regisseur William Eubank (Love, The Signal) ganz bewusst Ridley Scotts Alien (1979). Ein Gefühl der Gefahr und Desorientierung stellt sich ein. Doch wo Scott die Besatzung seines Raumschiffs kurz, aber prägnant einführt, deren persönliche Geschichten, ihre Beziehungen zueinander und die Dynamiken an Bord skizziert, vergeudet Eubank keine Sekunde. Noch bevor wir den Namen der Hauptfigur kennen, bricht die Station auseinander und die Hölle los. 

So furios dieser Knalleffekt, so hoch ist dessen Preis. Über die von Stewart gespielte Maschinenbauingenieurin Norah erfahren wir bis zum Schluss nicht viel mehr als ihren Beruf. Mit den übrigen Überlebenden, die Norah auf ihrem Fluchtweg einsammelt und im Kontrollzentrum mit weiteren zusammenführt – die Kollegen Rodrigo (Mamoudou Athie) und Paul (T.  J. Miller), die Biologin Emily (Jessica Henwick), der Ingenieur Liam (John Gallagher Jr.) und Kapitän Lucien (Vincent Cassel) –, ergeht es uns genauso. Wie ihr Alltag am Meeresgrund vor der Katastrophe aussah, spielt ebenso wenig eine Rolle wie ihre fachlichen Qualifikationen oder Charaktereigenschaften im weiteren Verlauf. Dieser Mangel an Figurenzeichnung und Handlungsentwicklung wiegt schwerer als der Wasserdruck in sieben Meilen Tiefe. 

Keine 25 Minuten sind vergangen, als der erste Überlebende brutal umkommt. Sein Tod lässt einen seltsam kalt. Man hätte dem Publikum früh die Gefahren einer solch unwirtlichen Welt vermitteln wollen, gibt Eubank im Audiokommentar der Disk zu Protokoll. Es bleibt nicht das letzte Problem eines Drehbuchs, das mehr am richtigen Timing des nächsten Wendepunkts und an augenzwinkernden Anspielungen auf Lewis Carrolls Alice im Wunderland und auf H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos interessiert ist als an seinen Charakteren. Und es bleibt nicht das letzte Problem eines Films, der über seinen Schauwerten völlig vergisst, wie er diese am Wirkungsvollsten vermittelt.

Die Ausgangsidee einer atemlosen Unterwasser-Action ist äußerst reizvoll. Der Weg der Crew ist so simpel wie gefährlich. Um zu den verbliebenen Rettungskapseln zu gelangen, müssen sie in ihren Taucheranzügen zu Fuß zur nächstgelegenen Station gelangen. Doch es ist noch etwas anderes dort unten, das die Tiefseebohrungen womöglich erst zutage gefördert haben. Mit etwas mehr Kontrolle an den entscheidenden Stellschrauben hätte daraus eine düster funkelnde Genreperle werden können – egal ob als in der Realität verorteter Katastrophenfilm in der Tradition eines The Poseidon Adventure (1972) oder als Kreuzung aus Alien (1979) und The Abyss (1989), die dieser Film gern sein möchte. Doch dafür hätte es in 36.000 Fuß Tiefe nicht nur mehr erzählerischer Tiefe, sondern auch einer besseren Inszenierung bedurft.

So detailverliebt die Sets, so atemberaubend viele Bilder und so geheimnisvoll Marco Beltramis und Brandon Roberts Musik in den besten Momenten auch sein mögen, in den entscheidenden Momenten enttäuschen sie maßlos. Dann gerät die Action hastig, die Musik zu dominant und das Monströse kein bisschen furchteinflößend, weil zu viel davon zu sehen ist. Wo nervenaufreibende Suspense angebracht gewesen wäre, springt der nächste platte jump scare aus dem Horrorfilmbaukasten.

Woran es Underwater aber am deutlichsten mangelt, ist die Substanz. Bis auf Kristen Stewart bleiben alle Schauspieler blass – nicht zuletzt, weil ihnen Brian Duffields und Adam Cozads Skript nicht genügend anbietet. Gut gemachte Science-Fiction erzählt zudem immer von im Dunkeln Verborgenem, etwa der Angst vor dem Fremden oder menschlicher Hybris. Dessen ist sich der Regisseur im Audiokommentar durchaus bewusst. Sein fertiger Film deutet all das aber allenfalls an und wirkt dadurch wie eine unfertige Skizze.

Was bleibt, ist ein kurzes Seherlebnis, das weder ikonische Bilder noch wirklichen Schauder, geschweige denn Mitgefühl mit den Figuren erzeugt. Spannender als der Film selbst ist da schon ein Blick ins Bonusmaterial, das einen Blick hinter die Kulissen gewährt. Dort erfahren wir, wie viel Zeit und Geld bereits im Vorfeld der Dreharbeiten in einen Film dieser Größe fließen, wie aus einem Dreh im Trockenen die Illusion eines Unterwasserdrehs entsteht und wie anstrengend das Arbeiten in den an die 45 Kilogramm schweren Anzügen war. Warum nicht mit derselben Detailversessenheit an der Geschichte und den Charakteren gearbeitet wurde, erfahren wir nicht. Angesichts dieses Missverhältnisses geht selbst der wieder einmal glänzend aufgelegten Kristen Stewart am Ende die Luft aus.

Underwater - Es ist erwacht (2019)

„Underwater“ erzählt von einer Gruppe von Unterseeforschern, die sich nach einem Seebeben, das ihre Forschungsstation zerstört hat, um ihr Überleben kämpfen.

 

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Meinungen

Magic · 12.11.2020

Es gibt immer wieder Besserwisser und Kritiker die einen Film zerlegen..
Der Film ist kurzweilig...spannend und hat ein irres Tempo....5 Sterne von mir...
.

MS1072 · 25.10.2020

Gut gemachter Film mit einer grandiosen
Kristen Stewart.
Leider gibt es immer wieder welche, die etwas auszusetzen haben. Ich fand den Streifen spannend und kann ihn durchaus empfehlen.

Alex1979 · 13.05.2020

Genialer Ritt, irgendwo zwischen ABYSS und ALIEN mit tollen Kreaturen und einem irren Tempo. Kurzweilig, geil :)