Und morgen mittag bin ich tot

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bis zum letzten Atemzug

Sie kann einfach nicht mehr: Jeder Atemzug fällt ihr schwer, klingt rasselnd, keuchend, röchelnd; so, als könne er der letzte sein. Jede Anstrengung fühlt sich bleiern an, jede noch so kleine Treppe stellt für sie ein fast unüberwindbares Hindernis dar. Die 22-jährige Lea (Liv Lisa Fries) leidet an der tödlichen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose und hat nur noch wenige Monate zu leben. Längst ist die Möglichkeit einer Lungentransplantation für sie keine Option mehr – zu weit ist die Krankheit schon vorangeschritten, dass diese Maßnahme greifen würde. Zudem musste Lea miterleben, wie ihr ebenfalls an Mukoviszidose erkrankter Bruder Benji (Jonathan Berlin) zwei Wochen nach der Transplantation starb, weshalb sie sich nie auf eine Warteliste für solch einen Eingriff setzen ließ. Davon aber wissen ihre Verwandten ebenso wenig wie darüber, wie schlecht es wirklich um sie steht.
Und es gibt noch ein weiteres Geheimnis, das sie mit sich herumträgt. Um ihr sinnloses Leiden abzukürzen, beschließt sie, an ihrem Geburtstag mit einer Sterbehilfe-Organisation in den Freitod zu gehen. Weil sie diesen Schritt aber zusammen mit ihrer Mutter Hannah (Lena Stolze), ihrer Schwester Rita (Sophie Rogall) und ihrer Oma Maria (Kerstin De Ahna) machen will, lädt sie diese nach Zürich ein, ohne, dass ihre Verwandten wissen, was da auf sie zukommt. Lediglich ihre Großmutter hat sie eingeweiht und weiß sie auf ihrer Seite. Unversehens gesellt sich zu den Eingeladenen auch noch der Chirurg Heiner (Johannes Zirner) hinzu, mit dem Lea mal eine Affäre hatte. Und dann ist in der kleinen Pension von Frau Wu (Minh-Khai Phan-Thi) noch der psychisch kranke Moritz (Max Hegewald), der seit einem traumatischen Erlebnis ebenfalls sterben möchte. Während beim Aufeinandertreffen von Lea mit ihrer Mutter alte Konflikte wieder aufbrechen, zeigt sich schon bald, dass Hannah den Entschluss ihrer todkranken Tochter nicht so einfach akzeptieren will. Doch die Zeit drängt…

Auch aufgrund der komplizierten rechtlichen Situation und der anhaltenden öffentlichen Diskussion um die assistierte Sterbehilfe hätte aus Frederik Steiners Und morgen mittag bin ich tot leicht ein plattes Thesendrama werden können, bei dem Wille zum politischen Diskurs die Narration hinweggefegt hätte. Genau das passiert aber nicht, weil der Film von Anfang an den persönlichen Konflikt und den Beziehungskonflikt zwischen Lea und ihren Verwandten in den Mittelpunkt stellt – wohl wissend, dass man auf diese Weise die Zuschauer viel eher erreicht als mit auf dem Reißbrett konzipierten Problemstellungen. Fühlt man sich anfangs aufgrund von Leas ersten recht schnoddrig vorgetragenen Sätzen beinahe schon an eine Tragikomödie erinnert, macht der Film schnell ernst mit seinem Anliegen, kann aber nicht mit jeder Drehbuchentscheidung treffsicher punkten. So wirken just die beiden Begegnungen mit Männern, die sich für Lea interessieren – also Heiner einserseits und Moritz andererseits – beide ein wenig unentschlossen und nicht wirklich zu Ende geführt. Wobei die Begegnung mit dem Lebensmüden wesentlich besser funktioniert als die der Konvention des „love interest“ geschuldeten „Liebesgeschichte“ mit Heiner, die gefühlsmäßig für den Zuschauer nie über eine Sexaffäre hinauskommt, während sie für Lisa trotz gegenteiliger Beteuerungen mehr bedeutet zu haben scheint. Auch das schlussendliche, von der herausragenden Liv Lisa Fries aber sehr überzeugend und nachvollziehbar gespielte Zögern am Ende, hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl: Bei allem Verständnis für die Situation wirkt diese Szene doch ein wenig zu sehr in die Länge gezogen, um sich nicht dem Verdacht der Spannungsverlängerung auszusetzen.

Trotz dieser kleineren Schwächen aber hält der Film eine bemerkenswerte Balance und rührt fast ohne falsche Sentimentalität. So muss man Und morgen mittag bin ich tot einen eifrigen Zuspruch an den Kinokassen wünschen – und sei es nur deshalb, weil sich durch eine Vermittlung wie diese die festgefahrene Diskussion über Sterbehilfe wieder in Gang bringen lässt. Dazu wäre es aber nötig, dass dieser Film von Einführungen und Gesprächsangeboten mit Experten begleitet wird.

Und morgen mittag bin ich tot

Sie kann einfach nicht mehr: Jeder Atemzug fällt ihr schwer, klingt rasselnd, keuchend, röchelnd; so, als könne er der letzte sein. Jede Anstrengung fühlt sich bleiern an, jede noch so kleine Treppe stellt für sie ein fast unüberwindbares Hindernis dar. Die 22-jährige Lea (Liv Lisa Fries) leidet an der tödlichen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose und hat nur noch wenige Monate zu leben.
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