Turbo Kid

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Achtzigerjahre-Apokalypse

War 1997 eigentlich ein gutes Jahr? In Deutschland landeten zu jener Zeit Hanson mit „Mmmbop“ sowie Aqua mit „Barbie Girl“ Nummer-eins-Hits, während in den USA die Masse zum Jahresende in die Lichtspielhäuser strömte, um Leonardo DiCaprio auf die Titanic zu folgen. Die Antwort lautet also eher: nein!
In Turbo Kid, dem filmgewordenen Konfettiregen des Regie- und Drehbuch-Trios François Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whissell, ist das Jahr 1997 indes nicht die mit schlechter Musik und enervierenden Hypes verknüpfte Vergangenheit, sondern die Zukunft – als handele es sich hier um ein verschüttgegangenes Werk aus den späten Seventies oder frühen Eighties, das irgendwann zwischen George Millers Mad Max (1979) und James Camerons Terminator (1984) entstand und nun, besser spät als nie, das Licht der Leinwand erblickt.

War es in Terminator das Jahr 2029, für das eine finstere Zukunft entworfen wurde, ist es in Turbo Kid also das Jahr 1997. „The world as we know it is gone“, teilt uns eine Erzählerstimme zu Beginn mit der nötigen Portion Dramatik mit, während die scheußlich-schön erklingenden Synthie-Töne noch mit vollem Elan dem Zeitgeist der 1980er Jahre frönen. Ein einsamer Teenager (Munro Chambers) – genannt „Kid“ – schlägt sich mühsam durch die post-apokalyptische Ödnis. Er sammelt in seinem Versteck die kläglichen Überreste der Kultur (etwa „Rubiks Zauberwürfel“, einen Walkman samt MCs, Comicbücher oder pinke Gartenflamingos) und tauscht tote Ratten sowie Gerümpel gegen Trinkwasser ein. In Rückblenden in seine frühe Kindheit wird nach und nach entschlüsselt, was mit den Eltern des Jungen geschah. Eines Tages lernt „Kid“ die dauerfröhliche, rosahaarige Apple (Laurence Leboeuf) kennen, mit der er sich trotz ihrer Aufdringlichkeit und Hyperaktivität bald anfreundet. Als Apple entführt wird, ist dies der Auftakt einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den beiden Jugendlichen und dem diabolischen Zeus (Michael Ironside), der das Land mit seinen Schergen in Angst und Schrecken versetzt – und eine äußerst eklig-rabiate Methode entwickelt hat, um klares Wasser zu gewinnen.

Eighties-Nostalgie ist unter Filmemacher_innen gewiss nichts Neues – und bringt keineswegs per se ein gelungenes künstlerisches Ergebnis hervor. Das dreiköpfige writer/director-Kollektiv hinter Turbo Kid, das sich RKSS (Roadkill Superstar) nennt und bereits zahlreiche short movies verwirklicht hat, geht aber derart energiegeladen zu Werke, dass man sich als Betrachter_in rasch mitreißen lässt. Der Balanceakt zwischen liebevoller Hommage und überdrehter Parodie auf das Actionkino der 1980er Jahre glückt dem Trio hervorragend, sodass das Ganze weder zur unreflektierten Verklärung eines vergangenen Erzähl- und Inszenierungsstils noch zur nerdig-nervigen Augenzwinker-Nummer wird. Es gibt wüsten Slapstick, cartooneske Splattereinlagen, bösen Witz und furiose Fights. Neben den Klassikern des Genres bringt Turbo Kid auch herrliche Gurken wie Die BMX-Bande (1983), Solarfighters (1986) oder Rollerboys (1990) in Erinnerung – was ausdrücklich zu begrüßen ist!

Für zusätzlichen Charme sorgt das Schauspiel-Team. Neben Michael Ironside als Oberfiesling und Aaron Jeffery als Endzeit-Cowboy, der das Böse gemeinsam mit dem jungen Duo zu bekämpfen versucht, sind es insbesondere Munro Chambers und Laurence Leboeuf, die mit ihren lebhaften Performances perfekt zu unterhalten wissen. Und wenn Leboeuf dann als Apple mit maximaler Begeisterung auf einem Einhorn-Bike angefahren kommt, um ihren neuen Freund aus den Fängen einer garstigen Angreiferin zu befreien, ist eine neue, überaus coole Action-Heroine geboren.

Turbo Kid

War 1997 eigentlich ein gutes Jahr? In Deutschland landeten zu jener Zeit Hanson mit „Mmmbop“ sowie Aqua mit „Barbie Girl“ Nummer-eins-Hits, während in den USA die Masse zum Jahresende in die Lichtspielhäuser strömte, um Leonardo DiCaprio auf die „Titanic“ zu folgen. Die Antwort lautet also eher: nein!
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