Troubled Water

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Von der Schwierigkeit des Vergessens

Von Michael Moore als „best movie I have seen in years“ geehrt, bei Filmfestivals vielfach ausgezeichnet und von den Filmkritikern begeistert aufgenommen, ist dieses norwegische Drama tatsächlich ungewöhnlich beeindruckend und aufwühlend. Mit einem fantastischen Hauptdarsteller, exzellenter Dramaturgie und der schwer zu beantwortenden Frage nach Schuld und Sühne, spielt hierbei vor allem die Orgelmusik eine große Rolle und ist Transporteur großer Emotionen.
Acht Jahre ist es her, dass Jan (Pål Sverre Valheim Hagen) für die vermeintliche Schuld am Tod eines kleinen Jungen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Nun kommt er aus dem Knast frei und fängt unter seinem Zweitnamen Thomas ein neues Leben an. Dazu gehört auch eine Anstellung als Organist in einer Kirche Oslos, und er genießt seine neue Freiheit, auch wenn er völlig zurückgezogen lebt und kaum Außenkontakte hat. Lediglich zur Pastorin Anna (Ellen Dorrit Petersen) bahnt sich eine zarte Freundschaft, sogar Liebe an. Die wird allerdings bald getrübt, nachdem Agnes (Trine Dyrholm), die Mutter des damals ums Leben gekommenen Jungen, Thomas alias Jan in der Kirche sieht. Für sie werden alte Wunden aufgerissen, bekommen ihre Albträume neue Nahrung und unbeantwortete Fragen drängen sich ihr erneut auf. So stellt sie Thomas nach, vor allem, wenn er mit dem Sohn von Anna unterwegs ist, der frappante Ähnlichkeit mit ihrem eigenen Kind hat. Während Thomas alles versucht, seine Vergangenheit zu verheimlichen, setzt Agnes alles daran, ihm die Rückkehr in ein sogenanntes normales Leben zu verhindern. In ihrer Verzweiflung entführt sie sogar den Sohn Annas, und nun ist es Thomas, der in die Rolle des Opfers gerät. Es kommt zu einem Wettlauf um Leben und Tod …

Die Welt kann nicht nur durch eine Schwarz-Weiß-Brille wahrgenommen werden, das zeigt Erik Poppe auf beeindruckende Weise in Troubled Water, seinem letzten Teil einer Oslo-Trilogie. Jan Thomas, der in der Vergangenheit aufgrund eines verheerenden Fehlers für den Tod eines kleinen Jungen verantwortlich ist, hat seine Schuld in einer mehrjährigen Haftstrafe abgegolten. Aber in seinem Inneren ist dieses Trauma immer noch vorhanden und nicht aufgearbeitet. Dies zeigt sich immer wieder in seinem wilden und ungestümen Orgelspiel, das er dazu nutzt, um den Dämonen der Vergangenheit Einhalt zu gebieten. Die Verweigerung der intellektuellen Aufarbeitung findet somit ein archaisches Äquivalent, das nicht nur den Zuschauer tief beeindruckt, sondern auch die beiden weiblichen Hauptdarsteller. Die Pastorin Anna beobachtet eine Kirchgängerin, die bei Thomas‘ Orgelspiel in Tränen ausbricht. Was sie – und der Zuschauer — zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass es sich bei der Kirchgängerin um Agnes handelt, somit ihr emotionaler Ausbruch ganz anderer Natur ist. Geschickt verknüpft Erik Poppe immer wieder Vergangenheit und Gegenwart im Film, lässt die verschiedenen Ebenen ineinander gleiten und schildert dadurch die unterschiedlichen, sehr konträren Sichtweisen der Protagonisten, wodurch dem Zuschauer ein komplexes Bild vermittelt wird, so dass die Frage nach Schuld und Sühne nicht zweifelsfrei beantwortet werden kann.

Während Pål Sverre Valheim Hagen in dem Kriegsdrama Max Manus noch eine Nebenrolle spielte, ist er nun in Troubled Water in seiner bislang größten Rolle zu sehen. Und für die ist er ausgesprochen prädestiniert, denn mit seiner sparsamen Mimik und dem sensiblen äußeren Erscheinungsbild macht er es dem Zuschauer kaum möglich, ihn für seine vergangene Tat zu verurteilen. Den Gewissenskonflikt in dem er steckt, versucht er durch Verdrängung Herr zu werden, mehr noch durch das exzessive Orgelspiel. Dass selbst Rocksongs vor der Kulisse einer Kirche zu einem grandiosen Erlebnis werden, liegt nicht nur an der großformatigen Musik, sondern vor allem an dem Schauspiel Valheim Hagens, der sich fast wie im Drogenrausch dem Spielen hingibt, und diesen Rausch auch auf den Zuschauer überträgt. Für seine Darstellung wurde Pål Sverre Valheim Hagen mit dem Kanon Award ausgezeichnet, dem norwegischen Äquivalent zum Oscar.

Troubled Water

Von Michael Moore als „best movie I have seen in years“ geehrt, bei Filmfestivals vielfach ausgezeichnet und von den Filmkritikern begeistert aufgenommen, ist dieses norwegische Drama tatsächlich ungewöhnlich beeindruckend und aufwühlend. Mit einem fantastischen Hauptdarsteller, exzellenter Dramaturgie und der schwer zu beantwortenden Frage nach Schuld und Sühne, spielt hierbei vor allem die Orgelmusik eine große Rolle und ist Transporteur großer Emotionen.
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Meinungen

Adelheid Kenter · 01.03.2018

Ein hervorragender Film, wie Schuld , teils abgebüßt im Knast zum Segen wird und der junge Organist spielt die Rolle sehr gut, bis zum Schluß bleibt Spannung, ob die Liebe=Vergebung siegt.

Simon M. Pfister · 07.02.2010

Der beste skandinavische Film seit "Brothers". Dicht, spannend, ergreifend und grandios gespielt, in jeder Beziehung ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht.