Tomorrow Is Always Too Long (2014)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Glasgow ist überall

Wenn dieser Kunstfilm von Phil Collins als eine musikalische Liebeserklärung an die schottische Stadt Glasgow angepriesen wird, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Erstens ist der Urheber nämlich nicht der Sänger und Songwriter Phil Collins, sondern der Filmemacher und bildende Künstler gleichen Namens, der in Berlin lebt und an der Kölner Hochschule für Medien Video- und Performancekunst unterrichtet. Zweitens handelt es sich bei Collins‘ Langfilmdebüt, das im Auftrag der Glasgower The Common Guild mit Unterstützung des Goethe-Instituts entstand, nicht wirklich um einen Dokumentarfilm über Glasgow. Die Stadt selbst kommt im Bild kaum vor, die meisten Aufnahmen entstanden in Innenräumen. Glaubt man den Themen, um die es den Menschen darin geht, so könnten sie auch in jeder anderen Stadt der westlichen Hemisphäre leben: Sie feiern Partys, gründen Familien, vor allem aber informieren sie sich im Fernsehen über neue Konsumprodukte, das Leben anderer Leute und das Weltgeschehen. Dabei scheint auch viel Leerlauf durch. So vertieft sich der stilistisch vielseitige Film kritisch in die Frage, wie sehr das individuelle Selbstverständnis des modernen Menschen von Popkultur geformt ist.

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In einem Geburtsvorbereitungskurs lassen sich junge Paare erklären, mit welcher Kopfhaltung das Baby auf die Welt kommt. Als dann eine Frau unvermittelt zu singen anfängt wie in einem Musical, erweist sich der anfängliche dokumentarische Eindruck als unvollständig und somit trügerisch. Später singen auch andere Protagonisten inmitten eines realen Umfelds, eine kleine Schülerin, ein Mann, der für kurze Zeit ins Gefängnis muss, eine Studentin, eine Barfrau in einer Seniorendisco, ein Rentner bei der Morgentoilette. Die Lieder, die von der walisischen Musikerin Cate Le Bon stammen, wirken der jeweiligen Situation der Sänger merkwürdig enthoben, handeln von Sehnsucht, Beziehung, Freiheit auf recht abstraktem Niveau.

Die einzigen Menschen, die in die Kamera sprechen, befinden sich in Fernsehsendungen, und ob die jeweils echt sind oder vom Künstler inszeniert, lässt sich oft nicht genau sagen. Eine Fitnesstrainerin, die durchaus echt wirkt, ruft alle verkaterten und berauschten Nachtschwärmer zur Morgengymnastik auf. Deutlicher gibt sich der Werbespot für einen Pflasterstreifen als Persiflage zu erkennen: Am Körper getragen, soll er die Scanner bei der Flughafenkontrolle anschlagen lassen, damit der hoffnungsfrohe Kunde in den Genuss intensiver Berührungen kommt. Zum spannenden Höhepunkt des ganzen Films steigert sich die Rede einer TV-Wahrsagerin, die von der Schauspielerin Kate Dickie dargestellt wird. Atemlos malt sie eine düstere Zukunftsvision aus, die von der Oberflächlichkeit und Beliebigkeit der Internetkommunikation und medialen Berieselung handelt.

Interessant wirken auch die musikalisch begleiteten Scherenschnitt-Animationen, die Menschen in ihren Wohnblocks, beim Fernsehen und Zubettgehen zeigen oder sie auf Partys und beim Sex im Park abbilden. Das häufige Spiel mit Ausschnitten aus TV-Shows aber entpuppt sich als langweilig und nichtssagend: Wer sich durch solche Sendungen in der Manier des Films zappt, der schlägt die Zeit tot. Und träumt vielleicht später von dem Gesehenen, so wie es der Film vormacht mit seinen bunten Verfremdungen, Überblendungen, Unschärfen. Die Menschen scheinen in eine Stadt hineingeboren zu sein, mit der sie kaum etwas verbindet, der sie offenbar lediglich ihren schottischen Akzent verdanken. Collins‘ Film ist weniger Hommage an Glasgow, als globale Kultur- und Zivilisationskritik.
 

Tomorrow Is Always Too Long (2014)

Wenn dieser Kunstfilm von Phil Collins als eine musikalische Liebeserklärung an die schottische Stadt Glasgow angepriesen wird, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Erstens ist der Urheber nämlich nicht der Sänger und Songwriter Phil Collins, sondern der Filmemacher und bildende Künstler gleichen Namens, der in Berlin lebt und an der Kölner Hochschule für Medien Video- und Performancekunst unterrichtet.

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