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Die Schauspielerin Ellen Page stellt Aktivistinnen vor, die in ihrer kanadischen Heimat Nova Scotia gegen verseuchte Böden, vergiftetes Wasser und Umweltausbeutung protestieren. Sie gehören der schwarzen oder indigenen Minderheit an, die seit Jahrzehnten unter Umweltrassismus zu leiden hat.

There's Something in the Water (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Frauen gegen Umweltrassismus

Die aus der Stadt Halifax in der Provinz Nova Scotia stammende Schauspielerin Ellen Page fand ihre kanadische Heimat eigentlich immer recht fortschrittlich und sozialliberal. So erzählt sie es selbst in diesem Dokumentarfilm, in dem sie hinter die Fassade der heilen Welt blickt. Gemeinsam mit ihrem Regiekollegen Ian Daniel entdeckt sie eine andere Wirklichkeit, nämlich die von Afroamerikaner*innen und Ureinwohner*innen in Nova Scotia, die seit Jahrzehnten unter den Folgen verseuchten Wassers leiden.

Die zwei Gesichter Nova Scotias zeigen sich auch in der Stadt Shelburne. Hierher zogen einst viele befreite Sklav*innen, doch ihre Nachfahren erfahren bis zum heutigen Tag eine systematische Benachteiligung. Am Rande des von Schwarzen bewohnten Ortsteils entstand 1940 eine Mülldeponie, die erst 2016 geschlossen wurde. Ellen Page besucht Louise Delisle, eine ältere schwarze Anwohnerin, die ihre Stimme gegen die Missstände erhebt. Louises Bruder, ihr Vater und Onkel starben an Krebs, ihre Schwester hat Krebs. Die Bewohner des Viertels beziehen ihr Trinkwasser aus Brunnen, und diese sind oft verseucht von den Rückständen der Deponie. Das Viertel ist nicht an die städtische Wasserversorgung angeschlossen und selbst der Bau eines gemeinschaftlichen Brunnens mit sauberem Wasser ist der Stadt mit 10.000 Dollar noch zu teuer.

Louise Delisle und ihre vielen krebskranken Nachbarn sind Opfer eines kanadischen Umweltrassismus, dessen Wurzeln in der Kolonialgeschichte liegen und der heute noch dazu führt, dass ihr Recht auf sauberes Wasser weniger zählt als das der weißen Bevölkerung in den anderen Vierteln. Nur drei Autostunden von Shelburne entfernt, in Pictou County, leitet seit den 1960er Jahren eine Papierfabrik ihre Abwässer zur Aufbereitung in den See Boat Harbour, auf dem Land der indigenen Mi‘kmaq. Michelle Francis-Denny erzählt Ellen Page, wie ihr Großvater, der damalige Stammeshäuptling, arglistig getäuscht wurde und einen Nutzungsvertrag unterzeichnete. Dann setzte das große Fischesterben ein. Nach einem Rohrbruch im Jahr 2014, der das Erdreich verseuchte, wuchs der Protest der Ureinwohner*innen und die Provinzregierung beschloss die Schließung der Anlage Anfang 2020. Doch das Unternehmen plante, die Abwässer dann eben an anderer Stelle in der Nähe zu entsorgen. Die Ureinwohner*innen mussten weiter um ihre Rechte kämpfen.

Ellen Page lehnt ihren Film an das gleichnamige Buch der Sozialwissenschaftlerin Ingrid Waldron an. Waldron, die auch als Produzentin des Films fungiert, kommt selbst zu Wort und erklärt, wie sich Umweltrassismus manifestiert. Die ländlichen Gemeinden, in denen viele Schwarze oder Ureinwohner*innen leben, befänden sich oft in der Nähe von Mülldeponien und anderen Einrichtungen, die giftige Substanzen absondern. Die Bewohner*innen hätten traditionell keine Stimme, die von der Politik wahrgenommen wird.

Es fällt auf, dass Ellen Page nur Frauen vorstellt, die sich an den betroffenen Orten für Umwelt- und Gesundheitsschutz engagieren. Neben Shelburne und Pictou Landing besucht Page auch die Stadt Stewiacke. Dort kämpfen Mi‘kmaq-Aktivistinnen, die sich Grassroots Grandmothers nennen, gegen ein Gasunternehmen, das Unterwasserhöhlen zur Erdgaslagerung nutzen möchte. Das Salz aus diesen Höhlen sollte in einer Dosierung ins Wasser gepumpt werden, die Fische nicht vertragen. Am Flussufer, dort wo die Baustelle entstand, stellte sich der Stamm kurzerhand mit dem Bau eines Hauses auf eigenem Grund in den Weg. Die Aktivistinnen der Mi‘kmaq betonen, dass sie als Frauen, die Leben spenden, eine besondere Verantwortung für das Wasser empfinden.

Auch in den Gesprächen, die Ellen Page mit Louise Delisle und Michelle Francis-Denny führt, fällt auf, wie stark die Aktivistinnen emotional berührt sind vom Unrecht, das ihren Gemeinden widerfährt. Sie erzählen sehr persönlich, brechen das Leid auf individuelle Geschichten herunter. Dabei entsteht eine bewegende Nähe. Louise Delisle fährt mit Ellen Page im Auto durch ihre Siedlung, in der sie offenbar jedes Haus und seine Bewohner*innen kennt. Überall zeigt sie auf Häuser, in denen Menschen leben oder lebten, die an Krebs leiden oder ihm schon erlagen.

Immer wieder empören sich die Aktivistinnen spontan, dass sie überhaupt für das Recht auf sauberes Wasser kämpfen müssen. Dabei entstehen für das Publikum interessante Parallelen zur Fridays-for-Future-Bewegung, deren jugendliche Anhänger*innen auch betonen, dass sie auf die Straße gehen müssten, weil die Politik ihre Verantwortung nicht richtig wahrnehme.

Der Film vertieft sich anschaulich in die Historie der einzelnen Beispiele, mit Archivaufnahmen und Fotografien. Manchmal zeigen animierte Grafiken und Landkarten Zusammenhänge auf einfache, klare Weise auf. Gerne hört man in der deutsch untertitelten Originalversion auch Ellen Pages Stimme. Ihre abschließenden Worte sind optimistisch. Sie appellieren an die Zuschauer*innen, sich von der individuellen Verantwortung und Liebe zur Natur und zu den Mitmenschen leiten zu lassen. Hier jedenfalls ist es sehr interessant zu sehen, wie der Umweltschutzgedanke, gekoppelt mit Protest gegen soziale Missstände, gerade von jenen befördert wird, die im gesellschaftlichen und kapitalistischen Machtgefüge wenig zu melden haben.

There's Something in the Water (2019)

Diese Dokumentation porträtiert den Kampf von Minderheiten im kanadischen Nova Scotia im Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch tödliche Industrieabfälle.

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