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Die Uncanny Valley humanoider Roboter ist längst Realität geworden in Sandra Wollners gruseligem „The Trouble With Being Born“. Hier ist es Ellie, ein Robotermädchen, das mit ihrem Vater lebt und das tote Kind von einst ersetzt, mit dem uns Wollner in die tiefsten Abgründe der Menschheit zu führen weiß.

The Trouble with Being Born (2020)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Menschliche Abgründe

Vom ersten Moment an, in dem Sandra Wollner ihrem Film „The Trouble With Being Born“ Bilder und Ton schenkt, weiß man schon, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Verschwommene Bäume und ein Knarzen und Krächzen einer Stimme, die wie ein Kind aber auch ein Roboter klingt, sind zu hören und schon kommt der erste kleine Grusel auf, der sich im Verlauf des Films noch mächtig steigern soll.

Dann ein Kind und ein Vater in einem großen Haus mitten im Wald. Es ist Sommer und es sind Ferien. Aus dem Off erzählt das Kind, ein Mädchen namens Ellie (Lena Watson) Dinge, die keinen Sinn machen. Jedenfalls noch nicht. Vater und Tochter sind allein, doch trotz Sonne und Sommer ist die Atmosphäre kühl und eigenartig. Idylle ist was anderes. Und bald merkt man: das Kind ist kein menschliches. Vielmehr ersetzt es eines, das es nicht mehr gibt. Schon 10 Jahre ist Georgs (Dominik Warta) Tochter verschwunden. Seine Frau ist ebenfalls nicht mehr da. Doch jetzt ist Roboter-Ellie da und damit eine Entität, die einerseits wie seine Tochter ist, andererseits eben nicht. Denn für Roboter gelten nicht die gleichen Regeln wie für Menschen. Man kann sie benutzen, sie formen, mit Infos füttern. Sie sind immer da, tun alles, was man von ihnen will, sind nie schlecht drauf. Perfekt sozusagen, um alles zu kriegen was man will und auch die ethischen Grundregeln sausen zu lassen. Und so dreht Wollner die vermeintliche Vaterliebe immer weiter auf und es wird mehr als nur gruselig und grenzüberschreitend. Ellie ist bald nicht nur Tochterersatz, sondern auch für andere Bedürfnisse in Benutzung, die Georg hat und an ihr auslässt. 

Kurzum es wird pervers. Im klassisch sexuellen Sinne, aber vor allem im Sinne des Menschseins. Da kommt der Titel des Filmes wieder ins Spiel. The Trouble With Being Born — das Problem/der Ärger des Geborenwerdens ist eben der, dass das Leben nicht einfach ist und der Tod dazugehört, egal wie sinnlos und schlimm er sich für die Hinterbliebenen anfühlen mag. Doch Schmerz ist dem Menschen schon immer ein Gefühl gewesen, das es möglichst zu vermeiden gilt. So wird Ellie zur ultimativen Maschine und zur Verschiebung von echter Aufarbeitung, hin zu einer einfachen und schnellen Lösung, die in ihrer Anpassbarkeit und vermeintlichen Heilung des Schmerzes Ausmaße annimmt, die das Niederste, das Schlimmste im Menschen zum Vorschein kommen lassen und gleichsam doch kein Ausweg aus dem Schicksal sind. Denn Ellie, die mit der Geschichte ihrer menschlichen Vorgängerin vertraut ist, reagiert eben wie eine Maschine. Ihre eigene Logik und einprogrammierte Erfüllung bestimmter Wünsche veranlassen sie immer wieder dazu gewisse Schicksalsmuster zu wiederholen.

Und so kommt es, dass sie eines Tages, ganz wie Georgs echtes Kind, in den Wald geht. Gefunden wird sie von jemand anderem und auch wenn sie ein Roboter ist, sie ist zu kindsähnlich, als dass man nicht schon längst von ihrem Schicksal berührt, um sie bangt. Man hofft auf Rettung, doch Sandra Wollners Welt ist kalt und karg, industriell und einsam. Und jeder hier scheint zu leiden und sich zu sehnen. Es ist eben doch eine Scheiße dieses Menschsein. 

Und so wird Ellie alsbald wieder zu einer Sehnsuchtsfigur, die als kybernetischer Widergänger Leiden mindern soll. Wollners Film erlaubt sich, wie sein Vorgänger Das unmögliche Bild verworrene Erzählungen und Sprünge in Zeit und Raum, die mal Realität, mal Wunsch, mal Vergangenheit, mal Gegenwart sind und die es hier zusammenzupuzzeln gilt. Der Film irritiert, stößt ab und fasziniert dabei stets so viel, dass man bei der Stange bleibt, auch wenn einem die kalten Schauer über den Rücken laufen. 

The Trouble with Being Born (2020)

Ein Mann, dessen Welt auseinanderfällt, eine Tochter, die nie wieder auftauchen wird, ein Geist, der auf die Bedeutungslosigkeit zusteuert, und ein Roboter, dem das alles egal ist. Das ewige Jetzt. Der Blick einer Maschine auf die Welt.

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Meinungen

Anna Henkel · 22.07.2021

Habe gestern den Film im Kino gesehen, - war berührt von der psychologischen Tiefe, Einblick in das Dunkel des nächtlichen Waldes, den Abgrund des Menschseins, und dem unvermeidlichen Unbehagen, das sich ins Grauen steigerte mit den pervertierten Wünschen des "Vaters".
Die Szene wo der KI-Junge die alte Frau schubst, erlebte ich fast befreiend und zeigte mir die Unschuld der künstlichen Intelligenz auf, die ja mit Daten von Menschen gefüttert wird, gleich der Unschuld eines Kindes, abhängig von wem und wie es von Erwachsenen geprägt wird und Macht und Missbrauch ausgeliefert ist.
Letztlich bedeutet das Sterben eine Befreiung aus dem Wahnsinn. Eine künstliche Intelligenz ist dann halt kaputt, aber ein Kind ist meist lebenslang traumatisiert.
Glückwunsch zu diesen großartigen und vielschichtigen Film der nachwirkt!