The Tourist (2010)

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Florian Henckel von Donnersmarck hat klipp und klar verständlich gemacht, dass sein neuester Film The Tourist nichts weiter als beste, amerikanische Unterhaltung sei. Ein Werk in diesem Hollywoodschen Sinne, das den Zuschauer in eine Phantasiewelt aus Irrungen, Wirrungen und bissigen Dialogen hineinreißen möchte. Das Ergebnis ist ein Kompromiss geworden, das einerseits über herrliche Stadtaufnahmen und eine stimmungsreiche Kulisse verfügt, in der ein atemberaubendes Venedig in langen, phänomenalen Kamerafahrten zur Entfaltung kommt. Andererseits leidet von Donnersmarcks erstes Projekt nach dem Oscar, den er für sein Stasi-Drama Das Leben der Anderen 2007 erhalten hat, an seiner eindimensionalen Handlungsstruktur, die den Ansprüchen des Regisseurs nicht gerecht werden dürfte.

Die Geschichte von The Tourist ist so alt wie die Geschichte von Hollywood selbst: Elise (Angelina Jolie) lebt in Paris. In einem französischen Café mitten in der Innenstadt erhält sie einen Brief, in dem geschrieben steht, dass sie von mehreren Polizisten beschattet wird und genau aus diesem Grund, um reine Luft zu machen, am Gare du Lyon in den nächsten Zug nach Venedig steigen soll. Unterzeichnet ist das Schreiben vom meist gesuchten Verbrecher Europas, Alexander Pearce, der mehrere Millionen Euro in der Funktion eines kriminellen Finanzverwalter gestohlen hat. Durch Elise, die mit Alexander scheinbar liiert ist, erhofft sich die Polizei, dem Großkriminellen auf die Schliche zu kommen. Doch was die Inspektoren noch nicht wissen können: Im Zug soll sich Elise zu einem Mann hinzusetzen, der ihrem flüchtigen Geliebten bloß ähnlich sieht, um die Spürhunde auf eine falsche Fährte zu locken. Man wird sich denken können, wer der Lockvogel im Zugabteil dann schließlich ist: der ahnungslose Frank, gespielt von Johny Depp, ein harmloser Mathematiklehrer aus dem Bundesstaat Wisconsin. Ein ganz normaler amerikanischer Tourist.

Florian Henckel von Donnersmarck hat die zentrale Handlung des Films nach Italien verlagert: Elise verbringt eine Nacht mit Frank, dem amerikanischen Touristen, im feinen Luxus-Hotel Danieli, umgeben von Gondeln, Blumen und Pralinen, um den Verfolgern die zufällige Beziehungs-Konstellation glaubhaft zu machen. Die Polizisten fallen erstmal darauf rein. Frank wird gejagt, Elise wird gejagt, und dann stoßen auch noch einige englisch-russische Gangster hinzu, denen Alexander ebenfalls ein bisschen Geld schuldig ist. Komisch nur, dass der tatsächlich gesuchte Finanzhai niemals aufzutauchen scheint. Immer nur dieser dumme amerikanische Tourist, in den sich Elise (natürlich) schließlich verliebt.

Die Verfolgungssequenzen, aus denen der Film seinen eigentlichen Reiz gewinnt, zeigen eine kokette Angelina Jolie in bester Action-Manier: Im feinen Abendkostüm manövriert sie Motorsportboote durch die dunklen Kanäle von Venedig, während Johny Depp ein paar ulkige Räuber-und-Gendarmen-Läufe in blau-gestreiftem Pyjama absolviert. Doch auch wenn der Film mit seinen spannungsreichen Szenen durchaus überzeugen kann: die anfängliche Sehfreude wird durch recht banal konstruierte Dialoge geschmälert.

Vielleicht hätte dem Film ein Funke Selbstironie ganz gut getan: Angelina Jolie wird auf eine Weise ausgeleuchtet und eingerahmt, wie sie sich wohl auch im Privaten sieht: als Superfrau, der alle Männer zu Füßen liegen. An dieser Überdeutlichkeit verliert der Film an seiner komischen Qualität. Und außerdem stört der penetrante Einsatz von Musik. Keine einzige Sekunde bleibt den Augen und dem Verstand des Betrachters selbst überlassen, jede Sequenz wird von einem Musikteppich überfrachtet, den man sich wesentlich subtiler gewünscht hätte.

Am Ende präsentiert sich The Tourist als ein amüsanter, dafür aber dialogisch nicht konsequent durchdachter Film, bei dem Fans des Star-Paares Jolie-und-Depp 97 Minuten Kinounterhaltung geliefert bekommen. Freunde des anspruchsvollen Films jedoch werden die Hollywood-Metamorphose des deutschen Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck als weiteren Beleg dafür sehen, dass mehr Geld nicht immer bessere Filme produziert. Leider.
 

The Tourist (2010)

Florian Henckel von Donnersmarck hat klipp und klar verständlich gemacht, dass sein neuester Film „The Tourist“ nichts weiter als beste, amerikanische Unterhaltung sei. Ein Werk in diesem Hollywoodschen Sinne, das den Zuschauer in eine Phantasiewelt aus Irrungen, Wirrungen und bissigen Dialogen hineinreißen möchte.

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Meinungen

j.s. · 01.05.2011

Ist die Musik nicht eigentlich von James Newton Howard und nicht von Gabriel Yared?

Egoisten · 26.01.2011

Bescheiden, da sind Regenschauer aufregender

Michaela Eidmann · 01.01.2011

Niemand erwähnt das dieser Film ein Remake von "Fluchtpunkt Nizza" mit Sophie marceau ist.

jacob · 22.12.2010

furchtbar misslungen

Traudl Wenger · 19.12.2010

Ein sehr unterhaltsamer Film mit einer unerwarteten Pointe am Schluss. Wohltuend lange Bildeinstellungen - spannend - gute Aufnehmen in Venedig.
Und lustig - z.B. dass Johnny Depp, alias Frank, mit den italienischen Polizisten immer spanisch spricht.