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Wer bei The Spy Gone North (Gongjak) koreanisches Actionkino erwartet, der wird alsbald feststellen, dass dieser Spionagefilm vielmehr zu sagen und zu zeigen hat als Action. Denn dieser Spion ist vor allem einer, der durch einen der gefährlichsten Momente der modernen koreanischen Geschichte führt.

The Spy Gone North (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Spione mit Gewissen

Yoon Jong-bin (The Unforgiven) ist zurück mit einem Film von dem man Style und Action erwartet, der aber mit noch ganz anderen Sachen aufwartet. Immerhin spielt der Film auf der koreanischen Halbinsel der 1990er Jahre und damit mitten in der großen Nuklearkrise, als Vermutungen immer größer wurden, dass Nordkorea tatsächlich Nuklearwaffen herzustellen versucht oder sogar schon besitzen könnte. Ein mehr als explosiver Hintergrund, den Yoon hier also wählt. Die Spion-Action sollte damit also gesetzt sein.

Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich hier um den legendären Spion Park Suk-young aka Black Venus (Hwang Jung-min) handelt. The Spy Gone North basiert somit auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte Parks, dessen Aufgabe es war Nordkorea zu infiltrieren und so viel wie möglich über dessen Atomwaffenprogramm zu erfahren. Zu diesem Zweck tarnt sich Park als ein etwas naiver Geschäftsmann, der alles für Geld macht, auch mit dem Feind der anderen Seite. Nach langem Warten werden die Nordkoreaner auch auf ihn aufmerksam und nachdem er eine große Reihe an Tests durchlaufen hat, wird er zu ihrem Vertrauensmann.

Denn Geld brauchen alle, auch Kommunisten, irgendwie muss das dekadente Leben des Kim Yong-il ja finanziert werden. Mit Antiquitätenhandel beginnt Park seine Arbeit, doch alsbald hat er eine geniale Idee. Ein trojanisches Pferd schlechthin: er gründet eine Werbeagentur zusammen mit einem unwissenden Werber, der ihm die nötig Legitimität verschafft. Das Ziel: als einzige Firma Werbefilme in Nordkorea drehen dürfen. Mit freundlicher Genehmigung des Generals persönlich. Auf diese Weise schafft es Park nicht nur den Diktator persönlich kennen zu lernen, sondern auch relativ frei durch das Land zu reisen und es dabei gemütlich auszuspionieren. 

Bei all diesen Winkelzügen muss sich der Spion allerdings stets dreier Männer erwehren. Der eine ist sein eigener Chef, der im Hintergrund noch ganz andere Dinge laufen hat. Die anderen sind zwei Vertraute Kim Yong-Ils. Der junge nordkoreanische Sicherheitschef Jong (Ju Ji-hoon), der Park auf den Tod nicht ausstehen kann und der gutmütige aber vorsichtige Ri (Lee Sung-min), der für Devisen und Geschäfte zuständig ist. 

Das klingt und ist für einen Teil des Filmes eigentlich ein klassischer Spionagefilm in der Tradition John Le Carrés, doch Yoon Jong-bin versteckt in diesem Genrewerk einen politischen Film, der mit dem Vehikel Black Venus eigentlich lieber auf die Verwicklungen der Zeit und auf eine Kultur mächtiger Männer blickt, die im Hintergrund die Fäden ziehen — stets mit dem Denken, dass sie genau wissen was das jeweilige Land braucht. Da sind sie alle gleich, im Norden wie im Süden. Die Folgen dieses Denkens zeigt der Film, nachdem er lange Zeit eher bei den Protagonisten und oftmals in geschlossenen Räumen verbracht hat, dann alsbald deutlich. Die Reise durch Nordkorea ist erst voller Schönheit. Die Hauptstadt glänzt, die Berge sind malerisch. Doch dann stolpern Park und Co., eigentlich auf der Suche nach Nuklearwaffen, in eine Stadt, in der die Menschen frierend auf der Straße sitzen und nach Essen betteln. Sie laufen an Leichenbergen vorbei mit Toten, die verhungert sind. Die Bilder kommen wir ein Schock, so sind sie auch intendiert. All das Gerede und Geschäfte machen hinter verschlossen Türen — das hier ist die Konsequenz für jene ohne Macht und ohne Geld. 

Der Schock, die Angst, die Depression dieser Zeit fängt der Film auch auf der ästhetischen Ebene gut ein. Die Farben sind gedeckt und grau, die Orte oft überdimensional groß und verlassen. Die Isolation ist zu spüren und zu sehen. Die Welten, in denen sich diese Männer bewegen sind stets hermetisch abgeriegelt, die Menschen, um sie herum funktionieren stets in einer schaurig-rigiden Choreographie, die entweder militärischer oder dienerischer Natur ist. Man mag eigentlich kaum glauben, dass dies die 1990er Jahre sind, so altertümlich und unwirsch kommt einem diese Welt vor. Aber das ist auch der Sinn, denn wie diese Orte, so ist auch die koreanische Halbinsel seit den 1950er Jahren quasi erstarrt und verharrt in ihrer eigenen Eiszeit aus grau. Und das gilt für beide Ländern, nicht nur Nordkorea.

Das Gute an The Spy Gone North ist, dass er auch kritisch auf die eigenen Geschichte blickt, denn auch der Süden hat Dreck am Stecken und Vorteile davon, dass die Situation in Nordkorea so ist. Und bleibt. Dabei geht es vor allem um Politik und das Verhindern eines progressiven Kandidaten. Dafür nimmt man auch Leichenberge in Kauf. Mit Kusshand.

Und so pellt sich langsam aber sicher aus diesem Spionagefilm ein Politischer heraus. Yoon Jong-bin nutzt die Vorlage für eindeutige Stellungnahmen, für ein eher seltenes Aufarbeiten der jüngeren Geschichte. Ein geschickter Schachzug, dem er noch einen emotionalen Kern gibt. Denn Park, der Spion aus dem Süden und Ri, der Devisenhändler aus Nordkorea werden Freunde und verbünden sich in ihrem Schmerz über das Unheil. Und der Rest? Ist Geschichte. 

The Spy Gone North (2018)

Der Politthriller erzählt die Geschichte eines südkoreanischen Spions, der in den 1990er Jahren nach Nordkorea geschickt wird, um die Atompläne des Regimes auszukundschaften.

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