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Ein aufstrebender Social-Media-Star und seine Clique nehmen unwissentlich an einem KI-gesteuerten Verhaltensexperiment teil, das ihre Freundschaft auf eine Zerreißprobe stellt. Was gerne ein pulsierender zeitkritischer Thriller wäre, entpuppt sich, trotz beachtlicher Optik, als laues Spannungslüftchen.

The Social Experiment (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Freundschaft unterm Brennglas

Es ist eine alte Platte, die wir nach Sichtung des Thrillers „The Social Experiment“ mal wieder auflegen müssen: Wie schön, dass es hierzulande noch immer Filmemacher*innen gibt, denen düstere, spannende Genrestoffe am Herzen liegen, obwohl das Publikum derartige Produktionen deutscher Provenienz meistens mit Desinteresse abstraft. Andererseits wie schade, dass auch dieser Beitrag triftige Gründe für die anhaltende Missachtung liefert. Pascal Schröders abendfüllendes Regiedebüt hat eine neugierig machende Ausgangslage, verschenkt diese aber an ein stetig willkürlicher werdendes Katz-und-Maus-Spiel mit nicht gerade wenigen unfreiwillig komischen Momenten.

Der 16-jährige Adrian (Marven Suarez Brinkert) hat sein Handy ständig griffbereit, lässt seine Follower*innen an seinem Alltag teilhaben und genießt offenbar schon einen kleinen Promistatus in der Netzgemeinde, den er natürlich so schnell wie möglich ausbauen will. Mit seiner Clique, bestehend aus seiner festen Freundin Nancy (Emilia Djalili) und seinen Kumpels Neil (Thapelo Mashiane), Luke (Gustav Strunz) und Dustin (Elmo Anton Stratz), versucht er sich an einem mit 100.000 € Preisgeld dotierten Escape-Room-Abenteuer, das allerdings nicht dazu taugt, weitere Anhänger*innen zu gewinnen. Denn arg schnell scheitern die Jugendlichen an der Aufgabe, sich zu befreien. 

Gerade als sie im Begriff sind, frustriert abzuziehen, unterbreitet man ihnen jedoch ein Angebot, das zu verlockend klingt, um es abzulehnen. Auf einen Schlag könnte Adrian neben der Siegprämie eine Millionen neue Follower*innen hinzugewinnen, wenn er und seine Gefolgschaft ein 24-Stunden-Spiel erfolgreich abschließen. In einem kurzen Anflug von Weitsicht befürchtet Nancy zwar, dass sie am Ende nicht mehr befreundet seien. Echte Zweifel oder Einwände werden aber nicht vorgebracht. Und so stürzen sich die Teenager*innen in die reizvoll klingende Herausforderung. Anfangs unwissend, dass hinter dem Game ein ethische Grenzen überschreitendes Verhaltensexperiment mit einer hyperintelligenten KI steckt, das von der jungen Harvard-Absolventin Iris (Raffaela Kraus) und ihrem Kollege Kai (Claudiu Mark Draghici) überwacht wird.

Was wir als Erstes betonen müssen, da es sich bei The Social Experiment um eine Produktion mit geringen finanziellen Mitteln handelt: Der Film setzt einige erstaunlich aufregende visuelle Akzente. Ähnlich wie die Disney-Plus-Saga The Mandalorian und die Netflix-Serie 1899 wurden große Teile vor einer virtuellen Kulisse gedreht. Adrian und seine Mitstreiter*innen betreten im Zuge der Versuchsanordnung unterschiedliche künstliche Welten, etwa eine Mondlandschaft oder eine Wüste, wo es bestimmte Rätsel zu lösen und harte Entscheidungen zu treffen gilt. Ihre Freundschaft, das hat Nancy ganz richtig prophezeit, zerbröselt dabei zusehends.

Recht spannend ist der Gedanke, dass die KI namens Kira die Chatverläufe und Posts der Protagonist*innen gegen sie verwendet. Geheimnisse treten plötzlich zu Tage. Antipathien werden sichtbar. Und auf einmal stellt man sich die Frage, wie dieses Quintett überhaupt zusammengefunden hat. Regisseur Schröder und die am Drehbuch mitbeteiligte Schauspielerin Raffaela Kraus werfen einen kritischen Blick auf unsere Bereitschaft, alle möglichen Daten und Informationen in die Onlinewelt zu tragen, gehen diesem Aspekt aber nicht konsequent genug nach – weshalb The Social Experiment aus zeitdiagnostischer Sicht keine Bereicherung darstellt.

Deutlich problematischer ist allerdings, dass der Film trotz seines klaustrophobischen Ihr-seid-im-Spiel-gefangen-Szenarios nur wenig Anteilnahme am Schicksal der Jugendlichen weckt. Warum? Da wären zum einen die flachen Charakterisierungen. Es treten auf: der Egoist, der Mitläufer, der Choleriker… Viel differenzierter wird es nicht. Ähnlich sieht es auf der Gegenseite aus, wo überdies noch merkwürdig radikale Verhaltenswechsel auftreten. Ein in Psycho-Manier vorgetragenes Zischen erinnert an einen Moment aus Das Schweigen der Lämmer, kommt hier allerdings aus dem Nichts und wirkt viel zu gewollt, um eine Gänsehaut zu erzeugen. Eher amüsant denn angsteinflößend sind auch der betont sinistre Gesichtsausdruck und die unterkühlten Anweisungen von Iris. Vor allem bei den Abstechern ins Kontrollzentrum der Studie kippt The Social Experiment im negativen Sinne mehrfach ins Absurde. Eigentlich immer mittendrin: Kai, der schon optisch als schmieriger Bösewicht angelegt ist.

Dass die Schauspieler*innen teilweise, zumindest in emotionalen Szenen, spür- und hörbar überfordert sind, mag man dem Film gar nicht groß ankreiden. Viel ärgerlicher sind andere Dinge: Hinter dem Experiment steckt eine recht simple Überlegung. Und besonders in der zweiten Hälfte wird es immer konfuser und beliebiger. Die Regeln der Studie zum Beispiel ändern sich minütlich. Was uns die Macher*innen als Amoklauf der Technik verkaufen wollen, riecht stark nach unsauberer Drehbucharbeit. Wer sich hier endgültig aus der Handlung verabschiedet, hat definitiv gute Argumente.


 

The Social Experiment (2022)

In THE SOCIAL EXPERIMENT geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die von einem Gewinnspiel in ein vermeintliches „Escape Room“-Abenteuer gelockt werden. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Verhaltensanalyse-Experiment. Durchgeführt wird das Experiment von zwei Wissenschaftlern, die eine KI programmiert haben, um die Spiele exakt auf die Stärken, Schwächen und Eigenschaften der Teilnehmer zuschneiden zu können. Aber die KI beginnt, die Teilnehmer gegeneinander auszuspielen und mit ihren tiefsten Ängsten zu konfrontieren. Die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt. Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod…. (Quelle: Tobis Film GmbH)

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Meinungen

Johanna Straub · 28.10.2022

Endlich mal wieder ein Film der toll ist!!! Hoffe es kommt ein zweiter Teil :)