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Der Politthriller ist tot, lang lebe der Politthriller! Scott Z. Burns Film „The Report“ erzählt von den Aufklärungsbemühungen des US-Senats über den Einsatz von Folter als Verhörmethode – und fragt nebenbei, wie Patriotismus aussieht. 

The Report (2019)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Für die Wahrheit

Der 11. September 2001 hat das Leben der US-Amerikaner für immer verändert: der erste Angriff im eigenen Land hat sie in Angst versetzt, sie waren schockiert, panisch und vor allem von dem Wunsch beseelt, dass so etwas nie wieder passiert. Diese Stimmung fasst Scott Z. Burns zu Beginn seines Films „The Report“ prägnant ein: das stumme Entsetzen der Anti-Terror-Einheit der CIA angesichts der brennenden Türme des World Trade Centers, die Wut von Geheimdienstmitarbeitern, die die Regierung Bush vor genau diesem Szenario gewarnt haben, zeigen die Reaktion der Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, zu der wenig später die Erleichterung kam, dass sie ihre Jobs nicht verloren haben, sondern vielmehr fortan mit nahezu unbegrenzten Mitteln ausgestattet werden.

Dazu kommen die Entscheidungen, die einzelne Menschen für sich persönlich getroffen haben, unter ihnen Daniel Jones (Adam Driver). Er hatte 2001 gerade sein Studium begonnen, nach den Anschlägen wechselte er ins Hauptfach Nationale Sicherheit. Auch er will verhindern, dass so etwas wieder passiert. Einige Zeit hat er beim FBI gearbeitet, später im Geheimdienst-Komitee des US-Senats. Dann wird er von der kalifornischen Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening) beauftragt, die Untersuchung des Senats zu dem Einsatz der „erweiterten Verhörmethoden“ der CIA zu leiten. 

Das Ergebnis seiner Arbeit ist mittlerweile unter dem Titel „The Torture Report“ bekannt – und mit dieser Einblendung beginnt auch Scott Z. Burns filmische Aufarbeitung von Jones‘ Arbeit. Dann wird „torture“ mit einem schwarzen Stift durchgestrichen und das erste Indiz auf die jahrelangen Behinderungen, die Jones erfahren wird, ist gegeben. Von Anfang an steht The Report erzählerisch unverkennbar in der 1970er-Jahre-Politthriller-Tradition von Die Unbestechlichen oder auch Drei Tage des Condor. Schrittweise hangelt sich Scott Z. Burns Film ebenso wie die Untersuchung von Dan Jones vor: Er bekommt ein Büro im Untergeschoss eines CIA-Gebäudes, anfangs arbeiten sie zu sechst, irgendwann sind sie nur noch zu weit. Immer wieder werden seine Untersuchungen behindert. Unterlagen verschwinden, Befragungen werden eingeschränkt. Aber Jones hält unbeirrbar an seinem Auftrag fest. 

In sechs Jahren wird Jones über 6,3 Millionen Seiten Papier durcharbeiten, immer wieder entdeckt er neue Lügen und Vertuschungen. Regisseur und Drehbuchautor Burns vertraut bei seiner Rekonstruktion sehr wohltuend darauf, dass das Publikum mitdenkt und in der Lage ist, eigene Schlüsse zu ziehen. Zur Verdeutlichung des zeitlichen Ablaufs und besseren Einordnung der Rückblenden greift er auf einen Zeitstrahl zurück – doch ihm geht es nicht um eine Heldengeschichte oder genaue Rekonstruktion. The Report will etwas scheinbar Altmodisches: verstehen, was damals passiert ist – und wie es passieren konnte, dass CIA-Mitarbeiter an dem Einsatz von Folter festgehalten haben, obwohl sie sehr bald wussten, dass die preisgegebenen Informationen zu nichts führen. Dabei verdeutlichen die fast unerträglichen Folterszenen, die so wenig voyeuristisch wie möglich sind, noch einmal, worüber in bürokratischen Worten gesprochen wird: über die systematische Misshandlung von Menschen. 

Genau wird in The Report aufgeschlüsselt, wer zu welchem Zeitpunkt was wusste – und wie verantwortliche Personen damit umgegangen sind. Denn an dieser Frage hängt die Quintessenz dieses Films: Wie geht ein Land mit den Verbrechen um, die es begangen hat? Denn auch Menschen, die an sich gute Absichten haben, können zu der Einschätzung kommen, dass man Verbrechen und Schmutz besser ignoriert. Beispielhaft wird das an den Entscheidungen deutlich, die das Weiße Haus unter Obama getroffen hat – hier repräsentiert von Jon Hamm als Obamas Stabschef – und in denen sich eine Auffassung spiegelt, die derzeit sehr beliebt ist: jegliche Kritik, jegliche Aufarbeitung von falschen Entscheidungen soll verhindert werden. Es dürfen keine Fehler mehr gemacht werden – und da dies unmöglich ist, müssen Fehler um jeden Preis unter den Tisch gekehrt werden. 

Dagegen stellt The Report nicht nur Dan Jones als aufrechten Helden, sondern auch die Senatorin Dianne Feinstein, eindrucksvoll gespielt von Annette Bening. Sie ist seit Jahrzehnten im Senat, sie weiß, wie Politik funktioniert, sie kennt die Hintergrundspiele, die Einflussnahme. Sie verkörpert das Washingtoner Establishment — und dennoch entscheidet sie sich, das Richtige zu tun. Patriotismus bedeutet nicht nur, jede Schlacht zu gewinnen, sondern auch, das eigene Land und eigene Tun an höheren Maßstäben zu messen als es andere tun; Fehler einzugestehen, sie öffentlich zu machen und aus ihnen zu lernen. 

Deshalb ist The Report inszenatorisch nicht sonderlich innovativ, es gibt sogar das unvermeidliche Tiefgaragentreffen. Der Film bedient sich wie schon The Post und Spotlight bewährter Strategien – inklusive eines Seitenhiebs auf Zero Dark Thirty, der aber auch auf die Macht von Filmen verweist – und es ist auch bei The Report gerade der Verzicht auf die große Action, auf die großen Enthüllungen, der diesen intelligenten Film auszeichnet. Dabei macht er wie der in Deutschland fast gleichzeitig anlaufende Official Secrets sehr deutlich, dass es immer auf Menschen ankommt, die moralische und ethische Grundsätze haben – und die nicht vergessen, dass in Kriegen Menschen zu Schaden kommen. Auf allen Seiten.

The Report (2019)

Nach den Attentaten vom 11.9.2001 beginnen Agenten der CIA damit, extreme Verhörtechniken gegen die mutmaßlichen Mittäter und Hintermänner anzuwenden.

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