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Sophie Barthes stellt in ihrer dystopischen Satire „Baby To Go“ unbequeme Fragen zu Technik, Konsum und Körperlichkeit. Kommen die Babys der Zukunft aus Brutkästen?

Baby to Go (2023)

Eine Filmkritik von Janick Nolting

Das Kind aus dem Ei

In Sophie Barthes Dystopie hat sich die Natur in reine Ware verwandelt. Sie dient als Service und Wellnessprogramm für gestresste Großstädter, die in Installationen und Digitalbildern von der unberührten Wildnis träumen. Das Schnüffeln an Pflanzen taugt in „Baby To Go“ ebenso zum käuflichen Produkt wie der Ursprung von Leben an sich. Barthes zeigt, wie es aussehen, wie es sich anfühlen könnte, würde man die Fortpflanzung allen Zuschreibungen sowie dem menschlichen Körper per se entreißen und in die Sphäre des Technischen und Nützlichen verlagern.

Chiwetel Ejiofor und Emilia Clarke spielen in diesem Szenario ein New Yorker Paar, das sich, trotz anfänglicher Zweifel, zu einer ungewöhnlichen Schwangerschaft entschließt: Eine Firma bietet wohlhabenden Kunden an, Babys in eiförmigen Brutkästen, sogenannten Pods, auszutragen, um weiterhin unbeschwert der Karriere nachgehen zu können.

Lange zieht Baby To Go nun weniger mit der Entfaltung seiner Handlung und der Beziehungskrise von Alvy und Rachel, so heißen die Hauptfiguren, in den Bann. Vielmehr fasziniert die Welterfahrung, für die sich die Regisseurin und Autorin Zeit nimmt, um Blicke über Alltägliches schweifen zu lassen, Strukturen auszumachen, die sich selbstverständlich, wie immer in künstlerischen Zukunftsentwürfen, zuvorderst auf gegenwärtige Ängste und Fantasien beziehen.

Höchstleistungen, Disziplin, Fitness, Gewinnmaximierung und dabei immer ein Lächeln im Gesicht – das sind die Anforderungen dieser kapitalistisch geordneten Welt. Barthes entwirft das Bild totaler Rationalisierung. Schreibtisch-Jobs und Sport werden simultan vor angeschaltetem Glückslicht erledigt. Alles ist smart, alles ist Technik. Nahrung kommt aus 3D-Druckern, der Kleiderschrank bestimmt das Outfit. Träume verschwinden, gelten als Last, sollen kontrolliert und eingepflanzt werden. Künstliche Intelligenzen wachen über Alltag und Vitalwerte, übernehmen sogar die Rolle von Therapeuten, geformt zum göttlichen Auge.

Der (Maschinen-)Mensch kreist allein um sich, die eigene Zufriedenheit und Produktivität, um letztere fortwährend steigern zu können. An die Stelle von Staat oder auch Religion sind Konzerne getreten. Auch den Bildungssektor kontrollieren sie; staatliche Investitionen bleiben aus. Für jedes Problem gibt es eine technische Lösung, ein Produkt, außer für die sozialen Hierarchien und Klassenunterschiede.

Insofern taugt Baby To Go durchaus zur treffenden Abrechnung mit einer Ideologie, die Wirtschaftlichkeit und Konsum zum existenziellen Mittelpunkt erhebt. Sie führt demokratiefeindliches Vertrauen in den stärker werdenden Einfluss großer Unternehmen und ihrer Monopolstellungen vor. Ästhetisch fehlt diesem Film allerdings an Einfallsreichtum und Überraschungen.

Baby To Go ist ein recht klischeehaft bebilderter Film der glatt polierten Bildschirme und Plastikoberflächen, wie man sie aus zig anderen Genrefilmen kennt. Vielleicht ist das zugleich die logische Pointe eines Sci-Fi-Kinos, das selbst das Träumen und Fabulieren verlernt hat, wenn die Welt nur noch als Zerrbild zeitgenössischer Smartphone-Geschäfte von Apple und Co. erscheint.

Hinter der formalen Radikalität eines Bertrand Bonello etwa, der 2023 mit The Beast ebenfalls eine Dystopie der Rationalisierung, Abrichtung und des Realitätsverlustes kreierte, fällt Baby To Go deutlich in das Plakative und Generische zurück. Wo Bonellos Radikalität in der Unberechenbarkeit und laufenden Verwandlung von Genres und Motiven besteht, sucht Sophie Barthes sie eher in der Stringenz, mit der sie ihre Versuchsanordnung einmal komplett von Anfang bis Ende durchexerziert.

Sie braucht dafür nicht viele Wendungen, sondern vor allem Geduld, den Schwangerschaftsprozess mit Details auszuschmücken. Das meint: Unbehagen auskosten, wenn das Baby-Ei wie ein außerirdisches Objekt in der Wohnung steht. Zweifel, was sich überhaupt in dem Ei befinden mag, wie man es behandeln muss. Und schließlich die entsetzliche Ohnmacht, fordert man die Kontrolle über das eigene Kind, während dessen Kreation allein den Regeln der Firma unterworfen bleibt. Die Klauen des Kapitals und das ersehnte Elternglück gehen hier auf Konfrontationskurs.

Um aus einem sehenswerten Film aber einen herausragenden, nachhaltig beeindruckenden zu stricken, bräuchte Baby To Go eine konsequentere Zwiespältigkeit. Zwar sucht Sophie Barthes den komplexen Diskurs, doch ihr Experiment bleibt die überwiegend als Warnung formuliert. Valide Argumente hat sie auf ihrer Seite, zweifellos! Aufregendes, provokantes Kino würde allerdings dort beginnen, wo man sich zu fragen beginnt, ob nicht der vorgeführte Entwurf tatsächlich erstrebenswerte, befreiende Facetten birgt. Gerade hinsichtlich der Geschlechterfrage, die der Film aufwirft.

Dass die wenigen Pro-Argumente im Film überwiegend dem Abschreckenden weichen, zeugt von klarem Standpunkt, aber auch einer gewissen Mutlosigkeit, dem Publikum das Vage, Schwankende zuzumuten. Erst im Finale gelingt Baby To Go wieder eine solche produktive Verunsicherung und Reibefläche: Wenn ein Moment höchster Emotionalität plötzlich den zuvor erlebten Horror vergessen lässt und man sich selbst dabei ertappt, dieser vergifteten Zuversicht zu glauben.
 

Baby to Go (2023)

New York, in einer nicht allzu fernen Zukunft: Rachel und Alvy sind ein Paar. Sie ist eine aufstrebende Führungskraft in einem Technologieunternehmen, er ist Botaniker. Dank künstlicher Intelligenz führen sie ein komfortables Leben. Als es um das Thema Familienplanung geht, organisiert Rachel den beiden einen begehrten Platz im Womb Center. Die neueste Technologie ermöglicht es Paaren, sich die Mutterschaft auf bequeme Art und Weise mit Hilfe einer abnehmbaren künstlichen Gebärmutter oder von Kapseln zu teilen. Alvy ist diesem Plan abgeneigt, da er eine natürliche Schwangerschaft für sein Kind bevorzugt. In der Folge stellt sich dem Paar ein technisch komplizierter Weg zur Elternschaft.

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