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Im Regiedebüt des oscarprämierten Drehbuchautors Graham Moore muss sich ein diskreter Maßschneider in seinem Chicagoer Geschäft mit unberechenbaren Gangstern herumschlagen. Der doppelbödige Kammerspielthriller ist in der Hauptrolle stark besetzt, kann seine Spannung aber nicht immer halten.

The Outfit - Verbrechen nach Maß (2022)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Auf Mark Rylance zugeschnitten

In einem stark visuell geprägten Medium wie dem Film ist es ärgerlich, wenn Figuren fast nur über Worte und Dialoge eingeführt und charakterisiert werden. Eine Exposition dieser Art zeugt von fehlender Kreativität und ist in ihrer Beschränktheit schlicht langweilig. Wie man einen Protagonisten stattdessen auch über Handlungen und Bilder beschreibt, veranschaulicht der Einstieg des Thriller-Dramas „The Outfit – Verbrechen nach Maß“, mit dem der oscarprämierte Graham Moore (ausgezeichnet für sein Drehbuch zum Alan-Turing-Biopic „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“) sein abendfüllendes Regiedebüt vorlegt. Jeden seiner Handgriffe wählt der Maßschneider Leonard Burling (Mark Rylance) mit Bedacht. Hochkonzentriert und perfektionistisch genau widmet er sich seinen feinen Kleidungsstücken, in denen er kleine Kunstwerke zu sehen scheint. Selbst das exakte quadratische Falten der Seidentücher kommt einem fast heiligen Akt gleich. Keine Frage, hier geht jemand in seiner Arbeit auf und ist offenbar ganz bei sich. 

Weil seine Aufmerksamkeit einzig und allein seiner Beschäftigung und den Wünschen seiner Kunden gilt, schenkt Leonard den Gangstern, die seinen Chicagoer Laden regelmäßig aufsuchen, um über einen Briefkasten im Hinterzimmer Botschaften auszutauschen, fast keine Beachtung. Ihre Geschäfte interessieren ihn nicht. Er stellt keine Fragen und glänzt mit Diskretion. Auch deshalb ist ihm die Bewunderung des Mafiabosses Roy Boyle (Simon Russell Beale) sicher, der das Viertel kontrolliert und sein erster Kunde war, nachdem Burling seine Heimat England verlassen hatte. 

Die Rolle dieses distinguierten, zurückhaltenden Mannes ist Mark Rylance – das Wortspiel sei erlaubt – regelrecht auf den Leib geschneidert. Mit genau der richtigen Portion Understatement erweckt der für seine Darbietung in Steven Spielbergs Bridge of Spies – Der Unterhändler mit einem Academy Award bedachte Schauspieler Leonard zum Leben und sorgt dafür, dass man um ihn bangt, als er in einer Nacht des Jahres 1956 in eine blutige Auseinandersetzung verfeindeter Clans gerät. Boyles leicht reizbarer Sohn Richie (Dylan O’Brien), der mit Burlings Assistentin Mable (Zoey Deutch) liiert ist, steht gestützt von Francis (Johnny Flynn), dem engsten Vertrauten seines Vaters, nach einem Schusswechsel auf der Matte und findet fürs Erste Unterschlupf in Leonards Laden. Die Angst vor einer weiteren Gewalteskalation und ein brisantes Abhörband des FBI sorgen für eine bedrohlich explosive Stimmung.

Von ein paar Außenansichten des Geschäfts und kurzen Flashbacks abgesehen ist The Outfit – Verbrechen nach Maß auf die Räumlichkeiten begrenzt, in denen der Protagonist seine Kundschaft empfängt und seiner Arbeit am Schneidertisch nachgeht. Der Kammerspielcharakter und Rylance‘ nuancierte Performance nähren die Hoffnung auf ein durchweg packendes Thriller-Erlebnis. Tatsächlich kann Moores Debütwerk dies jedoch nur bedingt erfüllen. Sehr wohl gibt es Szenen und Abschnitte, die geschickt an der Spannungsschraube drehen. Phasenweise hängt der Film aber auch durch. Nicht jedes Gespräch ist so aufregend, wie es verkauft wird. Einige angeteaserte Gefahren verlaufen im Sande. Und immer mal wieder kann man sich über die Naivität der Mafiosi wundern. Allzu streng sollte man den Maßstab der Glaubwürdigkeit ohnehin nicht an die Handlung anlegen. Gerade mit Blick auf den Twist im Schlussdrittel steht logisch nämlich manches auf wackeligen Füßen.

Die finale Offenbarung ist schon deshalb nicht der größte Clou, weil man sie – etwas Aufmerksamkeit vorausgesetzt – zumindest in groben Zügen vorausahnen kann. Leonards Voice-over-Einstieg, der darauf abhebt, dass sich hinter einem Anzug weit mehr Aufwand verbirgt, als man meinen würde, gibt im Grunde die Richtung vor. Nicht alles in The Outfit – Verbrechen nach Maß ist so, wie es zu sein scheint. Auch wenn sich auf der Zielgeraden eine ebenso interessante wie tragische Backstory auftut, lässt sich folgender Eindruck partout nicht verscheuchen: Moores erlesen ausgestatteter, in der Hauptrolle stark gespielter Old-School-Thriller hätte das Zeug zu einer echten Genreperle gehabt, bleibt letztlich aber unter seinen Möglichkeiten.

The Outfit - Verbrechen nach Maß (2022)

Der Film folgt Leonard, einem englischen Schneider, der Anzüge auf Londons weltberühmter Savile Row gemacht hat. Aber nach einer persönlichen Tragödie landete er in Chicago, wo er eine kleine Schneiderei in einem rauen Teil der Stadt betreibt, wo er schöne Kleider für die einzigen Menschen in dieser Gegend herstellt, die sie sich leisten können: eine Familie von bösartigen Gangstern.

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