The Old Oak (2023)

Eine Filmkritik von Michael Gasch

Ausländerhass und Flüchtlingsintergration in Großbritannien 

Ken Loach wurde bisher ganze 15 Mal in Cannes eingeladen, so oft wie noch kein anderer Regisseur. Sein diesjähriger Film „The Old Oak“, der die Integration von syrischen Flüchtlingen in einer nordenglischen Gemeinde thematisiert, fügt sich nahtlos in die Filmografie des politischen Regisseurs ein. Da die Geschichte über Zwischenmenschlichkeit und Toleranz ganz klassisch erzählt wird und das Rad an keiner Stelle neu erfindet, bleibt „The Old Oak“ in seiner Gesamtheit aber nur auf einem soliden Niveau.

Schon vor sieben Jahren hieß es beim damaligen Cannes-Liebling Ich, Daniel Blake, Ken Loach, der prägendste Vertreter des britischen Sozialdramas, werde sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen. Nun ist es 2023, und Loach ist (natürlich) wieder mit von der Partie. Die Frage, wie gut sein neuester Film ist, wird deshalb zuweilen von einer anderen überschattet: Handelt es sich dieses Mal wirklich um seinen letzten Film? 

Erneut mit der Mission unterwegs, Ungerechtigkeit zu thematisieren, ist Loach in seinem Heimatland Großbritannien unterwegs, um sich den strukturellen Problemen der Gesellschaft entgegenzustellen. Welcher Ort bietet sich dafür besser an als ein Pub? In der titelgebenden Bar „The Old Oak“ findet das meiste Geschehen statt, uns sie wird von Loach schon nach wenigen Minuten präzise unter die Lupe genommen. Es ist ein Mikrokosmos, der so viel vereint: Gesellschaft, Geschichte, Heimatverbundenheit, Geborgenheit, aber auch eine Sammelstelle für ideologische Verfestigungen. Schnell stellt sich dadurch eine gelungene Ambivalenz ein. Einerseits wirkt die Bar durch die klassische und entschleunigende Atmosphäre einladend, was auch am Altherren-Stammpersonal liegen mag, das zumindest auf den ersten Blick einen sympathischen Eindruck hinterlässt. Loach macht auf der anderen Seite aber keinen Hehl daraus, dass seine Landesleute nicht gut auf Ausländer zu sprechen sind. Dringen plötzlich rassistische Kommentare an die Oberfläche, hat man auf diese Gesellschaft schon gar keine Lust mehr.

Dementgegen steht ein fast schon archetypische Mann, den man so ähnlich aus anderen Loach-Filmen kennt. Der Barkeeper TJ Ballantyne (Dave Turner) ist ein trübseliger Einzelgänger, der Welt überdrüssig, gleichermaßen aber durch und durch Idealist. Toleranz wird bei ihm groß geschrieben, und das muss es auch, schließlich zieht sich dieses Thema wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Damit ist er aber auch der einzige, und somit ist der Konflikt mit seinen Stammgästen vorprogrammiert. Als syrische Kriegsflüchtlinge in der Gemeinde ankommen, wird schnell klar, dass sich The Old Oak vollkommen dem Thema Integration widmet. Rigoroser als Ich, Daniel Blake zeigt Loach noch deutlicher, dass er die Nase gestrichen voll von der zwischenmenschlichen Diskrepanz hat, die in England, aber natürlich auch überall in der Welt vorhanden ist. Es folgt eine Geschichte, um die Briten und Syrer zusammenzuführen, jedoch sind diese Parteien natürlich beliebig austauschbar.

Die zuweilen gut inszenierte Story ist im gleichen Atemzug stark vorhersehbar, besonders in Hinblick auf die Theatralik. Das Schema des Regisseurs ist einfach zu gut bekannt, ebenso die Knöpfe, die der Brite drücken muss, um Reaktionen beim Publikum auszulösen. Er orientiert sich dabei in großen Teilen an der klassischen Heldenreise. Von Anfang bis Ende lässt sich dieses Konzept an The Old Oak anlegen, und direkt wird die Aufbruchs-, Konflikt- und Transformationsphase des Protagonisten erkennbar. Man muss es Loach lassen, dass dieses Schema, das eigentlich aus dem Fantasy-Genre stammt, in seinem Sozialdrama — mit wenigen Anpassungen — gut aufgeht.

Abgerundet wird all das durch eine zu jeder Zeit nüchterne und unaufgeregte Inszenierung, die schon fast einen dokumentarischen Touch aufweist. In der Gesamtheit appelliert Loach mit dieser Unmittelbarkeit und filmischen Nähe noch deutlicher an Menschlichkeit und die Taten des Einzelnen. Der Film wirkt dadurch wie einer der persönlichsten Filme des britischen Regisseurs. Fast erwartet man gegen Ende eine Widmung an einen Verstorbenen, dessen Geschichte nun in Loachs (mutmaßlichem) Abschlussfilm verarbeitet wurde. Die kommt dann doch nicht, dem Werk tut das aber keinen Abbruch.

The Old Oak (2023)

Im titelgebenden Pub in einer heruntergekommenen Minenstadt lernen sich ein älterer, einheimischer Mann und eine junge Frau, die aus Syrien flüchtete, kennen. Viele junge Leute haben die einst blühende Gemeinde verlassen. Häuser sind billig und verfügbar. Wie werden die Syrer empfangen? 

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Meinungen

Albert · 13.01.2024

Unerschrockener Beitrag über menschlichen Zusammenhalt in schweren Zeiten - und was diesen bedroht. Guter, nachdenklicher, sehenswerter Film von Ken Loach.