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Charlize Theron teilt wieder einmal kräftig aus und festigt ihr Image als Action-Ikone. In dieser Comicverfilmung nach einer Vorlage von Greg Rucka (Stumptown) ist sie der Kopf einer Söldnertruppe mit einer ganz speziellen Fähigkeit

The Old Guard (2020)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Unsterblichkeitstheater

Comicadaptionen boomen – nicht nur auf der großen Leinwand und nicht erst, seit Marvel und DC die Kinolandschaft dominieren. Böser, blutiger und subversiver als bei Spider-Man, Wonder Woman & Co. geht es wie so oft im Leben an den Randgebieten zu: in den Imprints der großen Häuser und in den (Independent) Verlagen, die den Kreativen die Rechte an ihren eigenen Figuren und Geschichten einräumen. Image Comics, inzwischen zum drittgrößten Comicverlag aufgestiegen, ging mit dieser Absicht 1992 an den Start. Der Roman- und Comicautor Greg Rucka rief dort 2017 seine Serie The Old Guard ins Leben, die jetzt für Netflix adaptiert wurde. Die Geschichte um eine Gruppe unsterblicher Söldner hat das Zeug zum Klassiker und bietet eine Prämisse, die sich für eine filmische Umsetzung geradezu anbietet.

Die ebenso schlagkräftige wie schlagfertige Andy (Charlize Theron) führt diese Truppe an. Schlicht und einfach deshalb, weil sie die Älteste ist. Wie alt genau, das kann sie nicht erinnern. All die Tricks und Kniffe, die sie auf den Schlachtfeldern der Geschichte gelernt hat, hingegen schon. Ihr Talent steckt bereits in ihrem Namen. Andy steht für Andromache, „die wie ein Mann Kämpfende“, nicht diejenige aus Homers Ilias, sondern wohl eher die gleichnamige Amazone. Ihre Feinde machte sie bereits einen Kopf kürzer, als ihre Mitstreiter noch gar nicht geboren waren.

Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli) gabelte sie während der Kreuzzüge auf, als sich das spätere Liebespaar noch in verfeindeten religiösen Lagern gegenüberstand und gegenseitig die Schädel einschlug. Booker (Matthias Schoenaerts) ist der Jüngste im Bunde, zarte 200 und ein paar zerquetschte Jährchen alt. Kaum der Rede wert im Angesicht der Zeit. Dann betritt Nile (KiKi Layne), eine in Afghanistan vermeintlich tödlich verwundete Soldatin, die Bühne dieses Unsterblichkeitstheaters und wirbelt das eingespielte Ensemble gehörig durcheinander.

Der Antrieb dieses originellen Szenarios, das mitunter tolle Gemeinschaftsmomente schafft, letztlich aber auf zu viel unglaubwürdige Erdenschwere setzt, wo mehr Leichtfüßigkeit und Witz angebracht gewesen wären, ist natürlich ein sinisterer Widersacher. Über seinen Strohmann Copley (Chiwetel Ejiofor) lockt der Pharma-Gigant Merrick (Harry Melling) die eingeschworene Truppe in eine Falle. Um den Bauplan für das ewige Leben zu finden, braucht er die Unsterblichen als Versuchskaninchen. Das geht freilich nicht ohne Drehungen und Wendungen vonstatten – erzählerischen wie physischen, in bleihaltigen Gefechten und knallharten Kämpfen zum Teil äußerst fein choreografiert.

Leider lassen das Drehbuch, das Schauspiel und die Regie über weite Strecken die Originalität der Prämisse vermissen beziehungsweise machen zu wenig daraus. Außer zu kämpfen und zu töten, haben die Protagonist*innen über Jahrhunderte hinweg scheinbar nicht viel gelernt. Filmemacherin Gina Prince-Bythewood (Love & Basketball, Die Bienenhüterin), bislang eher fürs dramatisch-romantische Fach bekannt, legt zwar atemlos los. Schon im zweiten Akt gehen ihr und der alten Garde aber die Luft aus. Der dritte und letzte bäumt sich noch einmal auf. Da liegt der Patient allerdings schon auf der Intensivstation. Das liegt zum einen an Charlize Theron & Co., die erst gar nicht richtig heißlaufen. Bis auf die überzeugende Newcomerin KiKi Layne liefern alle das schauspielerische Pflichtprogramm ab, aber keinem gelingt die Kür. Zum anderen bietet die Handlung aus Greg Ruckas Feder sowohl dem Cast als auch dem Publikum zu wenig.

Der in Portland, Oregon, lebende Rucka ist ein Vielschreiber. In der arbeitsteiligen Comicbranche ist das nichts Ungewöhnliches. Wie dort üblich sitzt auch Rucka an mehreren Serien gleichzeitig – mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen, was außer von seinen Storys natürlich auch vom Talent der jeweils beteiligten Zeichner, Tuscher und Letterer abhängt. Abseits der großen Verlage Marvel und DC schreibt er mit Vorliebe Krimis – etwa in seiner Romanreihe über den Bodyguard Atticus Kodiak, die ihm den Einstieg in die Comicbranche ebnete –, gern mit starken Frauenfiguren in der Hauptrolle.

Schon Ruckas erster Achtungserfolg in der ‚Neunten Kunst‘, die 1998 bei Oni Press veröffentlichte Graphic Novel Whiteout, wurde verfilmt. Der eisige Krimi am antarktischen Ende der Welt, 2009 mit Kate Beckinsale in der Hauptrolle umgesetzt, fiel jedoch bei Publikum und Kritik durch. Ein weiteres Jahrzehnt später erfreuen sich Ruckas Frauenfiguren ungeahnter Beliebtheit. Eine Verfilmung seines Comics Queen & Country über eine britische Geheimagentin und eine Serienadaption von Lazarus über ein unsterbliches Familienmitglied in einer von reichen Familien beherrschten Zukunft sind im Gespräch.

Bereits im September 2019 beschenkte der US-Sender ABC sein Publikum mit Ruckas Stumptown. In Deutschland ist die Fernsehserie derzeit bei Sky zu sehen. Darin darf die aus How I Met Your Mother (2005-2014) bekannte Cobie Smulders endlich einmal richtig die Sau rauslassen. Als abgehalfterte Privatdetektivin mit posttraumatischer Belastungsstörung und einem Herzen aus Gold zieht sie in Portland (Spitzname: Stumptown) eigensinnig ihre Kreise. Sie trinkt zu viel, nimmt kein Blatt vor den Mund, pfeift auf ihr Aussehen und liebt wen und wann sie will. Fürs Mainstream-Fernsehen ist das, so traurig das 2020 auch klingen mag, ausgesprochen erfrischend.

Etwas mehr Frische und Auffrischung hätte auch The Old Guard vertragen. Die für eine Comicverfilmung außergewöhnliche Werktreue wird alsbald zum Problem. Denn schon in der Vorlage kommen die Charaktere zu kurz. Ruckas Comicszenarios sind größtenteils plotgetrieben. Ordentlich Fleisch auf die Rippen gibt er seinen Figuren erst über mehrere Handlungsbögen hinweg. In einer Serie wie Stumptown funktioniert das prima, nicht nur, weil 18 Episoden lang mit einem viel längeren Atem erzählt werden kann, sondern auch, weil die Serienmacher all die Narben der Vergangenheit bereits in Episode eins viel deutlicher anlegen, als Rucka das in seiner Vorlage tut. Die wenigen Rückblenden in The Old Guard können diese Überzeugungsarbeit gar nicht leisten. Und während die flott verkürzten Sprüche im einen Medium funktionieren, wirken sie im anderen albern.

Zwei Eindrücke bleiben von The Old Guard haften: unglaublich viel Potenzial verschenkt zu haben und die vage Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Das Ende deutet zumindest an, dass dieser Film nur der Auftakt einer ganzen Reihe gewesen ist. Ob tatsächlich Fortsetzungen folgen werden, werden vermutlich erst die Klickzahlen entscheiden.

The Old Guard (2020)

Die alte Wache, eine Söldnertruppe von Jahrtausende alten Unsterblichen, wird von einer Kriegerin namens Andy angeführt. Sie kämpfen dafür, die Welt der Sterblichen zu schützen. Als das Team für eine Notfallmission rekrutiert wird und ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten plötzlich aufgedeckt werden, müssen Andy und die neue Kriegerin Nile mit allen notwendigen Mitteln versuchen zu verhindern, dass man ihre Macht repliziert, um damit Geld zu verdienen.

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Meinungen

Stefan · 20.09.2020

Alles erfüllt, was man heute unbedingt sehen muss, Frauenpower und schwule Männer

Maja Ellinger · 15.08.2020

Wer die Comics von Protagonisten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten mag, wird diese Story lieben.
Klar, ist man neugierig, wie die Historie der coolen Teamkämpfer so aussieht. Aber bei deren abenteuerlichem Alter hätte dann der Film ne gehörige Überlänge gehabt. Und dieser Stoff wird hoffentlich immer einer nach dem anderen in den Folgefilmen spannend erzählt... HOFFENTLICH...
Ich schreibe mich schon Mal in die Fanliste ein.
Toi, toi, toi...🤘🏽