Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Ein Tag voller Begegnungen

Die Schriftstellerin Junhee (Lee Hyeyoung) besucht in einem Vorort von Seoul einen Buchladen, den Sewon (Seo Younghwa), eine frühere Künstlerkollegin, betreibt. Sewon ist von dem Besuch überrascht, sie hat ihre früheren Kontakte abgebrochen und auch aufgehört zu schreiben. Junhee wirkt undurchsichtig, aber sie kann direkt und beharrlich werden, wenn etwas ihre Aufmerksamkeit erregt. Was hat sie wirklich hierhergeführt? An diesem Tag begegnet sie zufällig einigen weiteren Künstler*innen, mit denen sie eine vergangene Episode verbindet oder die zumindest ihre Romane kennen. Als sie die junge Schauspielerin Kilsoo (Kim Minhee), über deren Leben sie erstaunlich gut Bescheid weiß, kennenlernt, schlägt Junhee ihr spontan vor, einen Kurzfilm mit ihr zu drehen. Will sie Regie im Leben anderer führen, oder ihre eigene Schaffenskrise überwinden?

Vielleicht ist es die Fantasie der Betrachtenden selbst, welche die spärliche Handlung mit versteckten Bedeutungen und Suspense, vermuteten Intrigen und geheimen Absichten auflädt. Es tut sich über weite Strecken eigentlich erstaunlich wenig in diesem 27. Spielfilm des Koreaners Hong Sangsoo (Die Frau, die rannte), der auf der Berlinale 2022 den Großen Preis der Jury bekam. Und wenn die Charaktere, die sich beispielsweise auf einem Turm oder im Park begegnen, spontan beschließen, noch einen Kaffee zu trinken oder spazieren zu gehen, misstraut man dieser Leichtigkeit der Geschichte, die keinem richtigen Plan zu folgen scheint. Vielleicht liegt das an der Gewohnheit filmischer Rezeption, nach dem roten Faden zu suchen, oder aber an dem Biss der Hauptfigur Junhee, die sich nicht scheut, ihre Gegenüber hin und wieder mit knallharten Bemerkungen oder insistierender Neugier zu konfrontieren.

Junhee also geht nach dem Besuch im Buchladen weiter zu einem Aussichtsturm, wo sie die Ehefrau des Filmregisseurs Hyojin (Kwon Haehyo) anspricht. Er selbst hatte offenbar keine Lust auf diese Begegnung, kommt nun aber um die Begrüßung nicht mehr herum. Obwohl sie die Situation als unangenehm empfindet, bleibt Junhee lang im oberflächlichen Gespräch mit den beiden. Plötzlich sagt sie dem Regisseur, dass er zu viel gewollt habe, zu viel Geld und Erfolg und dass er deshalb die früher einmal geplante Verfilmung eines ihrer Romane habe platzen lassen. Die Drei gehen auch noch in den Park, wo der Regisseur auf die zufällig vorbeiflanierende Schauspielerin Kilsoo zuläuft, um sie zu begrüßen. Neugierig geht Junhee mit – es stellt sich heraus, dass sie Kilsoos Schauspielkunst schätzt und Kilsoo die Bücher der Schriftstellerin. Auch haben die beiden Frauen eine Schaffenskrise und noch mehr gemeinsam, wie sie nach und nach im Gespräch entdecken.

Wichtiger aber als die harten Fakten der Handlung ist das oft recht ziellose Geplänkel, über den Park, die Aussicht. Die Charaktere können minutenlang recht unschlüssig nur dastehen und ergebnisoffen erkunden, ob sich noch ein Gesprächsstoff finden und vertiefen lässt. Und dann wieder fallen mittendrin Sätze, die voller Wahrheit und Bekenntnis stecken. Junhee und die anderen scheinen die Chancen ergreifen zu wollen, die ihnen der Zufall bietet, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Mit dieser Thematik erinnert der Film an Das Glücksrad des Japaners Ryûsuke Hamaguchi.

Junhee erklärt irgendwann, worin ihre Schreibblockade besteht. Sie habe das Gefühl entwickelt, beim Schreiben zu übertreiben und sich somit von der Echtheit zu entfernen. Offenbar findet sie diese in den spontanen Unterhaltungen dieses Tages, im Kontakt mit Kilsoo, im Entschluss, den Kurzfilm zu drehen. Einen Ausschnitt aus ihrem fertigen Film gibt es am Schluss auch noch zu sehen, nicht aber, wie ihn Kilsoo beurteilt. Dieser Film-im-Film vermengt offenbar vorgegebene Handlung und beim Dreh aufgeschnappte oder improvisierte Dialoge, spiegelt Kilsoos reale Lebenssituation.

Und wieder stellt sich die Frage, ob Junhee ein wenig Schicksal gespielt, sich in Kilsoos Leben eingemischt hat. Oder ob sie nur verzichtet hat, ähnlich wie in den Begegnungen des einen Tages, die Echtheit durch ein vorgegebenes Programm zu verdecken. Es bleibt den Zuschauer*innen überlassen, sich weiter Gedanken zu machen, ob sich den Charakteren Aussichten eröffnet haben, die den Moment überdauern, Wege, die sie weitergehen.

Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall (2022)

Die Schriftstellerin Jun-hee begibt sich auf eine lange Reise, um die Buchhandlung ihres früheren Freundes zu besuchen, zu dem sie den Kontakt verloren hat. Dann steigt sie allein auf einen Turm und trifft dort auf einen Filmregisseur und seine Frau. Bei einem gemeinsamen Spaziergang im Park treffen sie auf die Schauspielerin Gil-soo. Jun-hee versucht, Gil-soo zu überreden, gemeinsam mit ihr einen Film zu drehen. Nach einem gemeinsamen Essen kehren die beiden in den Buchladen zurück, wo eine Gruppe von Leuten trinkt. 

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Meinungen

wignanek-hp · 22.01.2023

Ja der berühmte rote Faden fehlt hier. Die Dialoge scheinen ziellos aneinander gereiht. Es ist ein anderer Blick auf die Welt, den Hong Sang-soo hat. Aber in den Filmen steckt viel mehr als banale Dialoge über Alltagsthemen. Wenn man den Film einfach auf sich wirken lässt und die Ästhetik der Bilder mit einbezieht, so kann man erkennen, dass hier, wie auch in DIE FRAU, DIE RANNTE eminente Kritik an der koreanischen Gesellschaft geübt wird. Der dominante Mann, die Frau die nur benutzt wird. Lässt sie das nicht oder nicht mehr zu, ist sie einsam. Das Bild vom Film im Film, als die beiden Frauen nebeneinander die Treppe hoch gehen, prägt sich da ein. Und auch der Schluss. Der Film ist abgedreht, die Schauspielerin wieder allein.
Der Film bleibt im Gedächtnis. Ich kann die Jury der Berlinale verstehen. Hier wird mit minimalen Mitteln so viel erzählt.

Cris · 08.03.2022

Nachtrag zu meinem Kommentar: Die Silbernen Bären der Jury der Berlinale 2022 für ´The Novelist´s Film´ sowie für ´Robe of Gems´ sind überhaupt nicht nachvollziehbar. Sie werfen ein schlechtes Licht auf die Kompetenz der Juroren. Diese beiden Film sind einfach nur sehr schlecht und waren im Wettbewerb der Berlinale 2022 fehl am Platz.

Cris · 07.03.2022

Dieser Regisseur und auch dieser Film sind m.E. überbewertet. Pseudointellektuell, prätentiös. Der Film besteht fast nur aus Dialogen, die an Banalität nicht zu übertreffen sind. Eine Art Kammerspiel um Künstlerkreise und ihre geistigen Wehwehchen, um Themen, die fast niemanden interessieren dürften. Zum Gähnen. Hinter einer intelligenten Fassade steckt nichts. Darauf fallen wohl manche Kritiker und Jurys herein. Es sollte aufrichtiger mit diesem Hype umgegangen werden.