The Midnight After

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Mit dem Minibus in die Apokalypse

Im knallbunten Endzeit-Minibus fahren die schrägen Protagonisten in The Midnight After von Fruit Chan in ein Zeitloch. Leider fährt man dabei als Zuseher nur bedingt mit. Der Film ist ein wilder Mix aus besseren und weniger guten Einfällen, eine Endzeitkomödie, die irgendwo nach einer Aussage über die moderne Welt, die Folgen von Atomkatastrophen und dem Wesen von Hongkong sucht, aber dann doch alles über Bord wirft für den nächsten makabren Irrsinn, den nächsten Soundeffekt. Das mag alles so gewollt sein und manchen begeistern, hält aber in diesem Fall nicht wirklich zusammen.
Es geht um eine Gruppe von Menschen, die auch dem Querschnitt einer Population entsprechen könnte: Der Junkie, der Veteran, die Geheimnisvolle, die Kartenleserin, das junge Pärchen, die Nerds, der Surfer-Dude-Herzensmensch, der Bedachte und noch einige mehr. Sie alle treffen sich in einem Minibus, der sie aus dem Stadtteil Mongkok nach Tai Po bringt. Doch etwas passiert während der Fahrt und plötzlich scheinen die Passagiere die einzigen Überlebenden auf der Welt zu sein. In Tai Po angekommen tauschen sie noch ihre Handynummer aus und jeder macht sich dann erst mal alleine auf den Weg. Aber schon bald sollen merkwürdige Anrufe und schreckliche Entdeckungen die Gruppe wieder zusammenführen.

Wie in praktisch allen Vertretern des Genres sind jene Szenen, in denen die Figuren die verlassene Welt bewandern sehr eindrücklich gestaltet. Immer wieder zieht die Kamera auf und zeigt die Leere. Leider fällt Chan bis zum Ende nichts anderes ein um ein Gefühl der Verlassenheit zu evozieren. Vielmehr inszeniert er eine Suche nach dem: Was ist eigentlich passiert? Hierbei gibt es unterschiedliche Lösungsansätze. Neben der esoterischen Variante einer Kartenleserin ist vor allem die David Bowie Lösung bemerkenswert.

So findet die Gruppe mit Hilfe eines Morse-Code Übersetzers heraus, dass die krachenden Zeichen vom anderen Ende der Leitung nur von Major Tom stammen können, jener Figur aus Bowies Space Oddity. Nach einer noch einigermaßen gelungenen Musicaleinlage, in der ein junger Mann den anderen das Lied zum Besten gibt, wird dieses im späteren Verlauf fast auf vergewaltigende Art vom Filmemacher während einer Verfolgungsjagd missbraucht. Irgendwann präsentiert Chan dann Fukushima als eine Art Twist. Die atomare Katastrophe als Grund für die Endzeit, in der sich womöglich nur die Protagonisten befinden. Bei so viel pseudo-politischer Plattheit ist es wirklich gut, dass es sich bei The Midnight After zumindest manchmal um eine Komödie handelt.

Diese Motive des Untergangs dienen Fruit Chan nur vordergründig dazu mit mal absurden und mal kitschigen Flashbacks, die immer wieder im Stil von Wilde Erdbeeren oder Oldboy mit der Gegenwart verschmelzen, seine comichaften Figuren zu erforschen. Außerdem handelt er so allerhand Endzeitklischees ab und führt sie damit in das Reich einer satirischen Brechung mit dem Genre. Die Gasmasken, die Virusgefahr, übersinnliche Wahrnehmungen, Gruppendynamiken, der leergeräumte Supermarkt, der Einzelgänger, alles wird durchgearbeitet. Es ergeben sich viele offene Wege und man hält sich wohl am besten an der Situationskomik des Films fest.

Diese funktioniert beispielsweise in Verbindung mit der Figur des Busfahrers besonders gut. Seine merkwürdige Schrulligkeit trifft das Gefühl des Films an seinen besten Stellen. Ansonsten kann der Regisseur von Dumplings-Delikate Versuchung dieses Chaos von einem Film nicht retten. In einer an Lady Vengeance von Park Chan-wook erinnernden Sequenz wird ein Vergewaltiger von allen Beteiligten der Gruppe nacheinander mit einem kleinen Messer gestochen. Diese Szene wird bis zum Anschlag ausgefeiert und man fragt sich tatsächlich warum, denn weder hält sie irgendeine ernsthafte Verstörung bereit noch ist sie besonders komisch.

The Midnight After, der auf dem Roman Lost on a Red Minibus to Tai Po, von einem Autor, der sich Pizza nennt, basiert, überzeugt weder als Komödie noch als ironisch-freudiges Genre-Fest noch als Endzeit-Dystopie. Der Film gleicht vielmehr einer verwirrten Low-Budget Überzeichnung, die mit Soundeffekthämmern und David Bowie versucht ein Gefühl zu erzeugen, das dort nicht ist.

The Midnight After

Im knallbunten Endzeit-Minibus fahren die schrägen Protagonisten in „The Midnight After“ von Fruit Chan in ein Zeitloch. Leider fährt man dabei als Zuseher nur bedingt mit. Der Film ist ein wilder Mix aus besseren und weniger guten Einfällen, eine Endzeitkomödie, die irgendwo nach einer Aussage über die moderne Welt, die Folgen von Atomkatastrophen und dem Wesen von Hongkong sucht, aber dann doch alles über Bord wirft für den nächsten makabren Irrsinn, den nächsten Soundeffekt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen