The LEGO Movie (2014)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es lebe die Kreativität! / "Hier ist alles super!"

Nicht selten geht der Schuss nach hinten los, wenn Filmemacher alle nur erdenklichen Zutaten in einen Topf werfen und kräftig durcheinanderwirbeln. Die Gefahr ist groß, dass das Endergebnis ohne Seele bleibt und wie ein Abklatsch fremder Ideen wirkt. Phil Lord und Christopher Miller, die bereits den recht gewitzten Animationsfilm Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen verantworteten, zeigen in The LEGO Movie, dass es auch anders geht. Mit kleinen Abstrichen funktioniert ihr rasanter Ritt durch knallbunte Bauklotz-Universen und unterschiedliche Genre-Welten erstaunlich gut, ohne zu einer gänzlich unkritischen Werbeshow für den dänischen Spielzeughersteller zu verkommen. Zudem vermittelt der Film eine löbliche, wenn auch häufig bemühte Botschaft.

Das Leben in der LEGO-Stadt gehorcht einem festen Ablaufplan, der vom Großkapitalisten President Business (Originalstimme: Will Ferrell) geschickt kontrolliert wird. Damit nichts aus dem Takt gerät, gibt es detaillierte Anleitungen, die den Tag von morgens bis abends strukturieren. Alle Bewohner schauen dieselben Fernsehsendungen und trällern auf dem Weg zur Arbeit denselben Song. Kein Gruß, kein Handgriff bleibt dem Zufall überlassen. Jeder hat seinen festen Platz, ist Teil eines großen Ganzen und damit ganz einfach normal. So auch der gutmütige Bauarbeiter Emmet (Chris Pratt), der sich pudelwohl fühlt, eines Tages jedoch auf die geheimnisvolle Wyldstyle (Elizabeth Banks) trifft, die ihn kurzerhand entführt. Im Glauben, er sei der Auserwählte einer Prophezeiung, bringt sie den überrumpelten Jedermann zum blinden Zauberer Vitruvius (Morgan Freeman), der ihn in seine kommende Aufgabe einweiht. Als Anführer einer Truppe von Meisterbauern soll Emmet die finsteren Pläne von President Business durchkreuzen, der mit einer Superwaffe alle LEGO-Steine verkleben will, um endlich eine perfekte Ordnung herzustellen.

Auch wenn der schwungvolle Einstieg samt mitreißendem Ohrwurm auf den ersten Blick oberflächlich erscheinen mag, lässt er – auch für Kinder spürbar – anklingen, dass der gleichgeschaltete Tagesablauf in der LEGO-Stadt in Wahrheit alles andere als lebenswert ist. Die Bewohner werden beherrscht von den Waren und Doktrinen eines Multikonzerns, haben ihre Eigenständigkeit komplett verloren, und emotionale Beziehungen sind eine bauplanmäßige Illusion. Wenig verwunderlich also, dass Emmet heillos überfordert ist, als er von Wyldstyle in die Rolle des Auserwählten gedrängt wird. Plötzlich soll er Entscheidungen treffen, Lösungen finden, um Business zu stoppen und die LEGO-Welt zu retten.

Keineswegs zufällig scheinen hier und an vielen anderen Stellen Grundmuster aus Der Herr der Ringe durch. Emmet ist ein Held wider Willen, der eine Schar bunt zusammengewürfelter Gefährten anführen soll, bei einer illustren Versammlung zunächst viel Skepsis erntet und sich der vermeintlichen Vorbestimmung am liebsten entziehen würde. Über ihn entwickelt der Film seine zentrale Botschaft: Wer glaubt, ein absoluter Durchschnittstyp zu sein, sollte trotzdem Mut zu Individualität und Kreativität haben. Denn mit festem Willen (und den richtigen Freunden) ist jeder in der Lage, kleinere und größere Heldentaten zu vollbringen. Das hat natürlich etwas von uramerikanischem Pragmatismus, der fraglos befremdlich wirken kann. Und doch wird das Anliegen in diesem Fall nicht nur ansteckend vorgebracht, sondern scheint den Machern auch wirklich am Herzen zu liegen, wie das Ende des Films deutlich macht. Hier ziehen Lord und Miller eine zweite Ebene ein, die das kunterbunte Animationstreiben in gewisser Weise erdet.

Bis es dazu kommt, nimmt The LEGO Movie das Publikum allerdings mit auf einen temporeichen, geradezu anarchischen Genre-Trip inklusive unzähliger popkultureller Anspielungen. Emmet ist umgeben von großen Namen wie Batman, Superman, Green Lantern, Wonder Woman oder Abraham Lincoln, was die Situation des einfachen Bauarbeiters umso absurder macht. Western-Szenarien werden durchschritten, Fantasy-Gefilde erkundet, und nebenbei ist immer wieder Platz für romantische, jedoch stets ironisch gebrochene Einschübe. So abwechslungsreich und unterhaltsam der Handlungsverlauf auch sein mag, hätte das Regie-Duo gut daran getan, wenigstens ab und an auf die Bremse zu treten. Die Ideen sprühen und eine Actionpassage jagt die nächste, was den Film stellenweise übermäßig hektisch erscheinen lässt. Gerade in einem Familienabenteuer sind Ruhepausen nicht das schlechteste Mittel, um den Protagonisten nahe zu kommen.

Wiederum sehr gelungen ist der breitgefächerte Humor, mit dem das LEGO-Spektakel aufwarten kann. Ob Situationskomik, Wortwitze oder geniale Figureneinfälle wie der schizophrene Good Cop/Bad Cop (im Original von Liam Neeson gesprochen), Lord und Miller treffen auffallend oft ins Schwarze, was man beileibe nicht von jedem Animationsfilm behaupten kann. Optisch streben die Macher einen fotorealistischen Stil an, der Liebe zum Detail erkennen lässt. Jede Szene wurde am Computer Stein für Stein entwickelt (laut Presseheft bräuchte man mehr als 15 Millionen Klötzchen, wollte man den Film per Hand nachbauen), sodass die Zusammensetzung der einzelnen Komponenten auf der Leinwand durchaus erkennbar wird. Selbst LEGO-typische Verschleißerscheinungen wie der eingerissene Helm eines Astronauten finden Berücksichtigung und dürften bei so manchem Nostalgiker für leuchtende Augen sorgen.

Keine Frage, der Film hat seine Macken, wirft das Publikum in ein chaotisches Geschehen und feiert den Kultcharakter der dänischen Steinchen-Marke. Wenn aber am Ende vor allem die kleinen Zuschauer etwas häufiger zu klassischem Spielzeug greifen (statt zum Gamepad der Spielekonsole) und damit ihrer Kreativität freien Lauf lassen, hat The LEGO Movie einiges richtig gemacht.

(Christopher Diekhaus)
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Ja, Lego, da werden Erinnerungen wach. Denn wer hat als Kind nicht mit den kleinen, bunten Plastikklötzchen gespielt und Schiffe, Flugzeuge und gar ganze Städte gebaut? Allerdings ging es dem sympathischen Weltkonzern aus Dänemark in den letzten Jahren nicht allzu gut. Ab 2003 fuhr man aufgrund von Managementfehlern erhebliche Verluste ein, weil man sich – so die spätere Erkenntnis – zu sehr von den klassischen Kinderthemen abgewandt und zu viele neue Produkte auf den Markt gebracht hatte. Erst mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Jørgen Vig Knudstorp und einer radikalen Reduzierung der Produktpalette kam Lego wieder auf die Gewinnspur und brachte es in den letzten Jahren wieder zu wachsender Beliebtheit und Sichtbarkeit, die derzeit neue Höhen erreicht hat. Denn nach etlichen Amateur-Filmen, die Hobby-Trickfilmer über das Finale von Bern 1954, Star Wars oder die Filme der Matrix-Trilogie hergestellt haben, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Unternehmen auch dieses Geschäftsfeld für sich entdecken würde. Mit The LEGO Movie haben die Dänen und ihr Partner Warner Bros. aus Hollywood nun offensichtlich so etwas wie eine Gelddruckmaschine erfunden, bis heute (9.April 2014) hat der Film allein in den USA 250 Mio. US-Dollar eingespielt und auch die Einspielergebnisse aus dem Ausland stehen bislang mit 160 Mio. Dollar zu Buche. Und ein Ende ist vorerst nicht abzusehen.

Was dann doch ein wenig erstaunt, ist die seltene Einigkeit von Zuschauerzuspruch und Kritikermeinung: Bei imdb.com rankt der Film mit einer Durchschnittswertung von 8,3 Sternen – einem Wert, von dem weitaus ambitioniertere Filme nur träumen können. Und auch bei Rotten Tomatoes sieht es nicht viel schlechter aus – mit einem Zustimmungswert von 96% rangiert der Film ganz weit vorne in der Beliebtheitsskala. Nach kritischen Stimmen muss man hingegen schon recht lange suchen — und irgendwie frage ich mich da schon erschrocken, was da eigentlich los ist.

Denn ehrlich gesagt hat mich der Film gar nicht überzeugt – wenn man mal von der rein technischen Animationsleistung absieht, die einem Äquivalent von 15 Mio. verbauten und bewegten Plastiksteinen entspricht. Schon beim Einsatz der 3D-Effekte hapert es aber gewaltig – wer sich mal die Mühe macht, während des Films die Brille abzunehmen und die Unschärfen auszublenden, der wird kaum einen Unterschied erkennen. Wesentlich stärker fällt aber die mangelnde Tiefe der Geschichte ins Gewicht, die statt eigenem Charme vor allem eines richtig gut kann – zitieren und abkupfern.

Die schöne neue Welt, in der der ganz normale Durchschnittsplastikmann Emmet Tag für Tag gut gelaunt im Gleichschritt mit anderen seiner Arbeit nachgeht („Hier ist alles super!“ heißt dann auch passenderweise der Ohrwurm-Hit) erinnert an die sterile Kulissenwelt aus Peter Weirs Truman-Show. Die Herausforderungen, denen sich der erst langsam seiner Begabung als Baumeister bewusst werdende kleine Mann bald schon gegenüber sieht, lassen ihn als geschrumpftes Ebenbild Neos in der Matrix-Trilogie erscheinen. Dazu passt auch der doppelgesichtige Helfershelfer Bad Cop/Good Cop, der an Agent Smith angelehnt sein dürfte. Hinzu kommen unzählige Filmzitate aus Batman (der sorgt immerhin für einige Lacher und die Pointe, dass Emmet dem Superhelden dessen Freundin Wyldstyle ausspannt kann sogar Erwachsenen ein Schmunzeln entlocken), Superman und anderen Filmen, die – man ahnt es schnell – allesamt dem Universum von Warner Bros. entsprungen sind.

Richtig schlimm aber ist die Penetranz, die der Film an den Tag legt. Von Beginn an gibt es kaum eine Verschnaufpause, wird jeder Moment mit Wortkaskaden und schrecklichstem Kirmestechno derart zugekleistert, als gelte es, die Dürftigkeit und Schablonenhaftigkeit der Handlung, die absolute Vorhersehbarkeit und das permanente Product Placement gleich zweier Konzerne zu überdecken, die sich hier zugegebenermaßen gekonnt die Bälle zuspielen.

Geradezu grotesk mutet es an, dass die sogenannte Wohlfühlbotschaft, die sich als Plädoyer für mehr Freiräume, mehr Spielfreude, mehr Kreativität tarnt, ebenso schematisch und nach einem Bauplan für kalkulierte Erfolge aufgebaut ist wie die im Film durch Lord Business verkörperte regulierende Macht des Bösen, die am liebsten alle beweglichen Bausteine mit der Superwaffe Kragle zementieren möchte. Klar, dass dies den Herstellern der bunten Klötzchen ein Graus wäre.

Und so bleibt das (zumeist) heitere Raten, welcher Film hier wieder einmal aufs Korn genommen wurde, über lange Zeit das einzige Vergnügen an dieser knallbunten und atemlosen Wundertüte. Wenn dann am Ende der Grundkonflikt zwischen Lord Business und Emmet in die reale Welt und auf eine Vater-Sohn-Beziehung gespielt wird, die sich dann wie durch ein Wunder in wenigen Minuten in Nichts auflöst, ist man ehrlich gesagt heilfroh, dass dieser als muntere Familienunterhaltung getarnte Imagefilm zweier Unternehmen endlich vorbei ist – zumal im Jahr 2017 bereits The LEGO Movie 2 folgen soll. Von dem auf allen Konsolen spielbaren Computerspiel und der zu erwartenden Lawine an Merchandising-Plunder mal ganz zu schweigen.

„Hier ist alles super…“! Dieser Song dürfte sich wohl vor allem für die Macher des Films bewahrheiten, die sich über satte Gewinne freuen dürfen. Ein „Meisterwerk“, wie von manchen Kritikern behauptet, ist The LEGO Movie wohl vor allem in Sachen PR und crossmedialer Vermarktungsmöglichkeiten. In Sachen Originalität und kindgerechter Unterhaltung geht dem aufgeblasenen Filmchen aber schnell die Luft aus. Wenn das der angestrebte „State of the Art“ im Bereich Family Entertainment sein soll, wird mir Angst und Bange.
 

The LEGO Movie (2014)

Nicht selten geht der Schuss nach hinten los, wenn Filmemacher alle nur erdenklichen Zutaten in einen Topf werfen und kräftig durcheinanderwirbeln. Die Gefahr ist groß, dass das Endergebnis ohne Seele bleibt und wie ein Abklatsch fremder Ideen wirkt. Phil Lord und Christopher Miller, die bereits den recht gewitzten Animationsfilm „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“ verantworteten, zeigen in „The LEGO Movie“, dass es auch anders geht.

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Meinungen

Hans im Glück · 12.01.2022

Ein wirklich sehr schnell aufgebauter Film.
Dennoch hätten einige Szenen deutlich kürzer sein können. Zum Ende hin wird der Film immer langatmiger. Witzig sind vor allem die vielen Referenzen zu anderen Klassikern. Mein Liebling zum Beispiel die Mikromanager, die jeder aus dem realen Leben kennt.

lea Eid · 11.05.2014

Der Film ist cool sau geil

heibe · 10.05.2014

Ich bin eine Oma (71), die gerne mit der Jugend (Enkel 7 Jahre) "Neues" kennenlernt, z.B. was heutige Jungs interessiert.
Meine Meinung: ich bin zwar nicht mehr so schnell im Denken wie in jungen Jahre, aber dieser explodierende Krach aller Geschehnisse, die Geschwindigkeiten jeder Action, die Chaos-ähnlichen Ereignisse, die pausenlosen "Höhepunkte" können unmöglich von einem Siebenjährigen zu einer Geschichte zusammengefügt werden. Was in dem Film geschehen ist, habe ich soeben erst aus den Beurteilungen der Herren Diekhaus und Kurz erfahren.
Was ich jedoch besonders unangenehm empfunden habe, war die Kälte und Brutalität der Ereignisse. Müssen kleine Jungs den schrecklichen Umgang der Handelnden miteinander als Normalität präsentiert bekommen? Da helfen auch die wenigen positiven Szenen nicht wirklich, da sie in der Geschwindigkeit des gesamten Film-Ablaufs einfach untergehen.

Enna · 27.04.2014

wir haben nach 10 min das Kino verlassen. waren mit unserer 3 jaehrigen Tochter. Film ist absolut nicht empfehlenswert und sehr gewaltsam noch dazu.