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Regisseur Andre Ovredal verfilmt ein Kapitel aus Bram Stokers Dracula als düsteren Trip ins Grauen, bei dem die Crew eines Segelschiffes nicht nur als Seeleute, sondern auch als Proviant an Bord ist. 

Die letzte Fahrt der Demeter (2023)

Eine Filmkritik von Nikolas Wolff

Eine Reise in die Dunkelheit

Stephen King tweetete nach Sichtung von „Die letzte Fahrt der Demeter“, dass der Film ihn an die goldenen Jahre der Hammer-Filme erinnere. Nun ist King nicht unbedingt für seine fundierte Kritik bekannt: Über die Jahre hat der Horror-König schon viele mediokre Horrorstreifen zu Genre-Perlen hochgelobt. In diesem Fall aber darf man King durchaus beipflichten, auch wenn der Autor einen der größten Vorzüge von André Øvredals Film unerwähnt lässt: den Respekt vor der literarischen Vorlage.

Denn Die letzte Fahrt der Demeter, die Verfilmung eines einzigen Kapitels aus Bram Stokers Klassiker Dracula, erzählt da Neues, wo die Geschichte es ohne Widerspruch zulässt, und hält sich da eng ans Original, wo es notwendig ist. Und erweitert so geschickt die gesamte Dracula-Story um schauerliche Details, auch wenn die eine oder andere dramaturgische Entscheidung fragwürdig ausfällt. So beginnt Øvredal seinen Film mit dem Ende. Das wäre folgerichtig, wäre die Geschichte so bekannt, dass ohnehin niemand vom Schluss überrascht worden wäre. Das Gegenteil dürfte aber richtig sein: 99 von 100 Zuschauer:innen haben den Roman nie gelesen. Und so verschenkt Øvredal enormes Spannungspotenzial, in dem er gleich verrät, wohin die Reise geht. Dazu kommen einige Szenen, die sich mit Aussagen aus dem Roman beißen, und dass es ihm nach einer sehr intensiven Szene im zweiten Akt nicht gelingt, die Spannung für das Finale noch einmal zu erhöhen. Mehr Kritikpunkte lassen sich Die letzte Fahrt der Demeter aber kaum anlasten. Denn der Film macht vieles richtig.

Da ist zunächst die Atmosphäre. Ohne einen Funken von Humor erzählt Øvredal die Story an Bord eines Schiffes mit wenig Jump-Scares, dafür aber mit einem geschickten Entblättern des Monsters in kleinen Schritten. Erst sieht das Publikum nur eine Hand, dann eine Silhouette, die Fratze und erst spät den ganzen Vampir in all seiner schrecklichen Pracht. Dass in vielen Szenen ein Schauspieler im Kostüm an Stelle von CGI-Effekten eingesetzt wird, macht sich ebenfalls positiv bemerkbar. Und mit immer neuen Angriffen an unterschiedlichen Orten des Schiffes entzieht er der Crew wie dem Publikum langsam einen vermeintlich sicheren Ort nach dem anderen. Bis aus einem flüchtigen Schauer beim Blick in den Laderaum irgendwann eine handfeste Panik wird, die alle Überlebenden des Schiffes erfasst. Dabei sieht Øvredals Film in jeder Szene teurer aus, als er vermutlich war. Denn die Zeit des späten 19. Jahrhunderts lassen die Kulissenbauer und Kostümbildner hier sehr glaubwürdig wieder aufleben.

Ein weiteres Plus des Films sind die Schauspieler. Corey Hawkins trägt den Film als Hauptfigur jederzeit. Vor allem die Momente, in denen er aus seiner eher stoischen Ruhe herausfindet, bleiben im Gedächtnis. Aber er hat noch tatkräftige Unterstützung: Liam Cunningham glänzt als Captain des Schiffes, der diese Reise tatsächlich als seine letzte geplant hatte, wenn auch weit weniger tödlich. Aisling Franciosi, die bereits vor einigen Jahren in Jennifer Kents The Nightingale groß aufspielte, überzeugt als einzige weibliche Figur, auch wenn ihr Hintergrund wenig glaubwürdig bleibt. Und David Dastmalchian, der schon in vielen Filmen und Serien eher finstere Nebenrollen spielte, kann vor allem im Zusammenspiel mit Hawkins einen starken Auftritt hinlegen. Øvredal kann bis in die kleinen Nebenrollen auf einen guten Cast setzen, der viel zur stetig wachsenden Atmosphäre einer tödlichen Bedrohung beiträgt.

Frühe Kritiken empörten sich über die inhaltliche Nähe des Films zu Alien, der in der Tat große Ähnlichkeiten mit Die letzte Fahrt der Demeter aufweist. Hier muss aber die Frage gestattet sein, welche der Geschichten denn älter sei, um klarzustellen, wer sich hier möglicherweise von wem inspirieren ließ. Auch das Design des Vampirs mochte nicht jeder, was sicherlich in den Bereich der Geschmackssache fällt, jedenfalls halten sich die Maskenbildner hier eng an die Beschreibungen Stokers über die verschiedenen Formen, in denen der dunkle Graf sich zeigen kann. Und auch in der Figurenzeichnung bleibt Øvredal eng an der literarischen Vorlage, die den Vampir als gewissenlose Bestie beschreibt und nicht als von Emotionen zerrissenen Untoten.

Andre Øvredal lieferte mit The Autopsy of Jane Doe einen sträflich unterschätzten, extrem effektiven Horrorfilm ab und inszenierte mit Scary Stories to tell in the Dark auch einen erstaunlich bösen Young-Adult-Horror für Guillermo Del Toro. Die letzte Fahrt der Demeter passt gut in diese Reihe. Denn auch hier spielt Øvredal gekonnt die Klaviatur eines Horrors, der sich nicht aus plumpen Schocks kreiert, sondern tiefere Schichten des Bewusstseins erreicht. Manche Gelegenheit ist verschenkt, die Die letzte Fahrt der Demeter noch spannender gemacht hätte. Wäre der Film besser, hätte er sich nicht so eng an der Vorlage orientiert? Vielleicht. Aber so macht er vor allem den Zuschauer:innen Freude, die schon seit gefühlten Ewigkeiten darauf warten, Dracula endlich einmal so zu sehen, wie Bram Stoker ihn geschrieben hat.

Die letzte Fahrt der Demeter (2023)

Schon kurz nach Beginn der gefährlichen Reise ereilen überaus ungewöhnliche Ereignisse die Besatzung der Demeter. Die Tiere an Bord werden grausam dahingerafft und kurz darauf verschwinden erste Crewmitglieder scheinbar spurlos. Als der Schoner schließlich die Küste Englands erreicht, ist er nur noch ein marodes und siechendes Wrack. Von der Mannschaft fehlt jede Spur …

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Meinungen

A.S · 21.08.2023

Fand den Film gut. Zeigt wie Dracula nach London kommt und wie er sich weiter verwandelt durch das töten. Der Film war nie langweilig.