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Lars von Trier setzt nach langer Pause seine Serie „Geister“ fort – mit einem neuen Oberarzt, der auf allerlei Absurditäten trifft, die zu Komik ebenso wie zu Horror führen können.

Geister - Exodus (Miniserie, 2022)

Eine Filmkritik von Felix Armbruster

Klinik der Selbstgefälligen

Rund 30 Jahre nach „Geister“ („Riget“) präsentiert Lars von Trier die dritte Staffel seiner Horror-Krankenhausserie. Das titelgebende dänische Krankenhaus „Rigethospitalet“ (zu Deutsch Reichskrankenhaus) ist wieder mal Schauplatz für schwarzen Humor, Okkultismus und Schweden, die Dänen genauso hassen wie diese die Schweden. Waren die ersten beiden Staffeln eine parodistische Antwort auf europäische Serien der 90er Jahre, stellt sich die Frage, inwiefern „Kingdom – Exodus“ die aktuelle Serienlandschaft kommentiert. Zumindest eilt die dritte Staffel abermals seinem einstigen Vorbild „Twin Peaks“ hinterher, dessen dritte Staffel David Lynch ebenfalls rund 30 Jahre nach Erscheinung der ersten beiden Staffeln herausbrachte.

Das Reichshospital bekommt in seiner Fortsetzung Neuzugang: Helmer Junior, renommierter Arzt aus Schweden. Protzig trudelt Helmer (Mikael Persbrandt) mit einem Helikopter im Krankenhaus ein. Dazu unangekündigt. In den Akten ist nichts vermerkt. Als neuer Oberarzt soll er im besten und modernsten dänischen Krankenhaus die Stelle seines verstorbenen Vaters Stig Helmer einnehmen. Der sei, so Helmer Junior, an der Idiotie der Dänen gestorben. Gäbe es irgendjemand in besagtem Krankenhaus mit etwas Verstand, würde dieser Jemand ihm sagen: „Wenn du nur wüsstest.“ Denn im Keller des Krankenhauses brodelt etwas, das auszubrechen droht. Zum Glück schützt ein Torwächter, der gigantische Kopf von Udo Kier, die Pforte. Doch wie lange noch?

War Geister in den 90er Jahren noch inspiriert vom Dogma 95-Prinzip, das die technische Bearbeitung von abgefilmtem Material stark einschränkte und damit künstlerische Innovation begünstigen sollte, so bleibt bei The Kingdom – Exodus lediglich die Handkamera von diesem Prinzip übrig. Es überwiegt hier eindeutig der Anspruch, mit der Serie ein größeres Publikum zu erreichen. So wird die 5-teilige Serie auch vereinzelt im Kino gezeigt und demnächst auf MUBI abrufbar sein.

Hier darf angenommen werden, dass sich die einstige Parodie auf europäische Fernsehserien nun auf die aktuelle Serienlandschaft beziehen soll. Ein Hinweis hierauf gibt Lars von Trier selbst, wenn er am Ende jeder Folge noch einmal kommentiert und erläutert, was gerade dargestellt wurde. In einem der Kommentare charakterisiert er die Figuren in Kingdom – Exodus als selbstgefällige, sprich der Eitelkeit verfallene Menschen. Sie seien genauso wie wir. Nehmen wir den Filmemacher da einmal beim Wort. Seinen Figuren lastet ihre Eitelkeit an. Doch damit nicht genug. Auch wir als Zuschauer*innen sind Opfer unserer Eitelkeit, wie Lars von Trier am Ende einer Folge postuliert.

Diese Provokation ist weniger als ein Angriff auf die Zuschauer*innen, sondern vielmehr als Aufforderung zum Nachdenken zu verstehen. Die Ärzte und Pfleger im Reichskrankenhaus sind, nun ja, kurz gesagt vollkommen inkompetent. Durchweg. Doch wie Michael Scott in The Office fehlt ihnen jedwede Fähigkeit zur Reflexion. In Zeiten von Kulturkämpfen und weltweiten Kriegen sehen wir selbstgefällige Besserwisser aus jeder Ecke springen. In Kingdom – Exodus können wir jedoch über die Selbstgefälligen lachen. Das ist nicht nur gesund, sondern nimmt den Figuren auch ihre Macht.

Bei alldem überwiegt der Spaß, den man mit dieser Serie hat. Dabei erinnert die Unternehmenskultur im Reichskrankenhaus eher an die Dunder Mifflin Paper Company als an das Seattle Grace Hospital. Mit Grey’s Anatomy hat Kingdom – Exodus höchstens die Institution gemeinsam. Mit The Office die ganze Bandbreite an menschlichem Versagen, das wie in der Comdey-Serie unweigerlich ins Verderben führt.

Helmer Junior wird immer wieder aufgefordert, seine IKEA-Rechnung zu bezahlen. Die Möbel hat übrigens ein Pfleger aufgebaut; ein Däne, weshalb „natürlich“ alles falsch zusammengebaut ist. Einer der Pfleger kann nur in Entweder-oder-Optionen argumentieren, die freundliche, aber letztendlich medizinisch wirkungslose Angebote darstellen, oder brutale Morde skizzieren. Der neue Oberarzt Helmer Junior begibt sich hier in eine kleine Schocktherapie, die schon mit dem Aufnahmeritual ins Team ihren Anfang nimmt. Die Geistergeschichte hinter der Comedy im Krankenhaus ist dabei überraschend gut geschrieben. Von Trier vereint gekonnt Komödie und Horror, ohne dass beide Genres glasklar zu trennen sind. Das Absurde ist sowohl rein komödiantisch als auch unheimlich, je nachdem, in welcher Konstellation es ästhetisch eingepflegt ist. Man achte auf Udo Kiers Kopf.

Geister - Exodus (Miniserie, 2022)

Schlafwandlerin Karen begibt auf die Suche nach Antworten, um die Rätsel aus den ersten zwei Staffeln der Serie „Geister“ zu entschlüsseln und das Reichskrankenhaus von Kopenhagen vor dem Untergang zu bewahren. Dabei trifft sie auf viele alte Bekannte und neue Unruhestifter.

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