The Impossible (2012)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Erbarmungsloses Rührstück

Am 26. Dezember 2004 fanden sich Urlauber und Einheimische in den Küstenregionen des indischen Ozeans in einem Albtraum wieder: In Folge eines starken Seebebens rollten riesige Wellen auf Thailand, Indonesien und die ostafrikanischen Staaten zu. Aufgrund des hohen Tourismusaufkommens standen aber insbesondere die betroffenen Gebiete Thailands im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. In seinem Film The Impossible rekapituliert der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona die Ereignisse anhand der wahren Geschichte einer einzigen Familie, deren Erlebnisse jedoch als stellvertretend für die hunderttausende von Opfern zu sehen sind.

Maria (Naomi Watts) und Henry (Ewan McGregor) wollen mit ihren drei Söhnen die Weihnachtsfeiertage in einem thailändischen Strandressort verbringen. Der Urlaub ist traumhaft und sogar die schwierige Beziehung der Eltern zu ihrem ältesten Sohn Lucas (Tom Holland) scheint sich zu entspannen. Doch plötzlich wird die Familie durch die schreckliche Naturkatastrophe auseinandergerissen. In den erbarmungslosen Wellen verlieren sich Maria und Henry aus den Augen. Während die schwerverletzte Maria sich nach dem Abebben der Flut gemeinsam mit Lucas durch die verwüstete Landschaft schleppt, kann sich Henry mit den beiden kleinen Söhnen Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) in das zerstörte Hotel retten. Doch der Kampf ums Überleben ist noch lange nicht gewonnen.

Juan Antonio Bayona ist durch seinen Horrorfilm Das Waisenhaus berühmt geworden. Und auch The Impossible ist in erster Linie genau das: der blanke Horror. Wenn die Wassermassen auf das Hotel zurollen und die Menschen unter sich begraben, stockt dem Zuschauer der Atem und die Nackenhaare beginnen sich vor lauter Schrecken aufzustellen. Der Regisseur setzt sein Publikum dem vollen Ausmaß des Leids seiner Protagonisten aus. Die Schmerzensschreie Marias zerreißen nicht nur ihrem Sohn Lucas das Herz, sondern stellen auch die Nerven des Publikums auf die Probe. Der Überlebenskampf der Mutter, gepaart mit der Sorge um ihren Sohn, ist schwer zu ertragen. Doch als es den beiden endlich gelingt, in einem Krankenhaus Hilfe zu finden, fängt der Horror im Grunde erst an: Tausende Verletzte, Männer, Frauen und Kinder, die vergeblich ihre Angehörigen suchen. Auch wenn The Impossible ausschließlich die Geschichte einer einzelnen Familie beleuchtet, bemüht sich der Film, das ganze Ausmaß der Katastrophe im Blick zu haben. Leider gelingt ihm das nicht ganz. Juan Antonio Bayona hat sich – ob bewusst oder unbewusst – für eine westliche Perspektive entschieden. Vor der Kamera von Oscar Faura ist bedauerlicherweise nur Platz für Touristen. Die ebenso schwer betroffenen Einheimischen tauchen nur als gutmütige Helfer auf. Die Auswirkungen des Tsunamis auf das Land und seine Bewohner spielen eine erschreckend untergeordnete Rolle. Wenn die Überlebenden am Ende des Films ins Flugzeug steigen, ist für Bayona die Geschichte zu Ende.

Nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinderdarsteller leisten Großes. Wieder einmal stellt sich die Frage, wie andere Filmnationen es schaffen, ihre Nachwuchstalente zu derartigen Höchstleistungen anzuspornen. Insbesondere Tom Holland, der über weite Strecken des Films im Fokus der Handlung steht, kann die starken Emotionen von Furcht, Schrecken und Verzweiflung überzeugend auf die Leinwand bringen. Aber auch Naomi Watts und Ewan McGregor machen ihre Sache gut. Es ist ihren eindringlichen Darstellungen zu verdanken, dass der Film in der ersten Hälfte eine so starke Wirkung entfaltet. Statt durch dramatische Musikuntermalung die Ereignisse künstlich zu inszenieren, verlässt sich Bayona hier ganz auf den Ausdruck seiner Schauspieler. Und die Rechnung geht auf: Die berührendsten Momente entstehen allein durch das Minenspiel der beiden Hauptdarsteller.

Leider bleibt Bayona dieser Strategie nicht treu. Während die ersten zwei Drittel des Films aufgrund ihrer Intensität und der Schrecklichkeit der Ereignisse stark an das Horrorgenre erinnern, wird die Geschichte gen Ende immer mehr zum Rührstück. Sentimentale Momente werden bis zur Unerträglichkeit ausgedehnt. Statt sich auf die Wirkung seiner Schauspieler zu verlassen, setzt der Regisseur nun vermehrt dramatische Musik ein, als wolle er sein Publikum mit allen Mitteln vor dem Fallen des Vorhangs noch unbedingt zum Weinen bringen. Leider hat dieser Stilwechsel den gegenteiligen Effekt: Die melodramatische Übertreibung schafft urplötzlich eine Distanz zu den Figuren, zu denen der Zuschauer bis zu diesem Zeitpunkt eine große Nähe verspürt hat. Auch wenn das Drehbuch auf wahren Begebenheiten beruht, droht es hier seine Glaubwürdigkeit einzubüßen. Das Ende schließlich ist so gefühlsbetont und versöhnlich geraten, dass es den Ernst des Films zu unterminieren droht. „Ende gut, alles gut“ ist wirklich die falsche Botschaft für einen solchen Film.
 

The Impossible (2012)

Am 26. Dezember 2004 fanden sich Urlauber und Einheimische in den Küstenregionen des indischen Ozeans in einem Albtraum wieder: In Folge eines starken Seebebens rollten riesige Wellen auf Thailand, Indonesien und die ostafrikanischen Staaten zu. Aufgrund des hohen Tourismusaufkommens standen aber insbesondere die betroffenen Gebiete Thailands im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit.

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