Log Line

Der für seine überspitzte Brutalität umstrittene japanische Regisseur Takashi Miike adaptiert eine schwarzhumorige südkoreanische Komödie aus den Neunzigern und macht sie schriller, lauter und surrealistischer: Wer eine absolute Überdosis Genrekino-Spaß erwartet, erwartet noch zu wenig.

The Happiness of the Katakuris (2001)

Eine Filmkritik von Arne Lehrke

Ein Herz für Trottel

Es dauert keine zwei Minuten, bis ein Fabelwesen aus einer Suppe aufsteigt, einer Frau das Zäpfchen aus dem Mund reißt, von einem Vogel gefressen wird, einen Ausweg findet und den Vogel zerfetzt – die Sequenz wechselt von Realfilm zu Knetanimation und wieder zurück. Und das ist nur das Intro, das kaum etwas mit der eigentlichen Handlung von „The Happiness of the Katakuris” zu tun hat.

Denn der Film von Takashi Miike, der lose auf dem südkoreanischen Film The Quiet Family aus dem Jahr 1989 basiert, handelt von einer fünfköpfigen Familie aus vier Generationen, die dank verschiedenster kaputter Biografien gemeinsam in einer Herberge am Fuße eines Vulkans landet und dort ihr Leben in die Spur bringen will. Die Renovierungen schreiten voran, nur die Kundschaft bleibt aus und langsam mehren sich auch die Vorzeichen, dass etwas Übles passieren könnte. Als dann tatsächlich nachts während eines Sturms ein völlig durchnässter Besucher vor der Tür steht, ist die Freude groß, aber auch von kurzer Dauer: Dem Gast läuft Schleim aus der Nase, er bekommt pupillenlose Augen und stimmt einen suizidalen Song an – denn The Happiness of the Katakuris ist auch ein Horrormusical.

Auch wenn Takashi Miike dank ultrabrutaler Filme wie Audition, Dead or Alive oder der Manga-Adaption Ichi the Killer einen diskutablen Ruf genießt und nicht selten mit Zensur leben musste, ist die Geschichte der Katakuris zwar eine der Gewalt, aber nicht der ausufernden Gewaltdarstellungen. Und auch das Label “Musical” bedeutet in diesem Fall nicht, dass in den knapp zwei Stunden von Song zu Song gesprungen wird. Die Songs, die übrigens keine versierten Gesangsdarbietungen sind, sondern sich eher an der Karaoke-Tradition orientieren, werden nur hier und da eingesetzt, werden mit trashigen Animationen und Hintergründen und Choreografien zu kleinen Musikvideos, und wirken wie Episoden.

Der eigenwillige morbide Humor des Films lebt auch von an Amateurfilme erinnernden Einstellungen und dem hyperaktivem Overacting aller Schauspieler*innen, die sichtlich Spaß an der Sache haben. Ein besonderes Highlight ist Kiyoshiro Imawano, der sich als britischer Geheimagent ausgibt und in der OV immer wieder englische Wörter in seine Sätze einbindet, die nur so vor Klischee triefen. Wo die Horrormusicals des westlichen Kinos wie Der kleine Horrorladen oder Die Rocky Horror Picture Show noch ein Mindestmaß an Stringenz oder sogar Ernsthaftigkeit bewahren wollen, lässt Miike keinen Zweifel daran, dass Kreativität vor Professionalität steht. Das geht zwar auch auf Kosten des narrativen Fokus, den der Film manchmal verliert, und auch die Witze über einen mehrgewichtigen Sportler und der Fäkalhumor sind nicht mehr ganz zeitgemäß, passen aber zum Trash-Faktor. Die morbiden Witze landen dafür an einigen Stellen umso heftiger.

Wenn sich das Finale dann endgültig dem Kitsch hingibt, dann ist das genauso irritierend wie schön und berührt mehr, als man es nach der ersten Viertelstunde des Films erwartet hätte. Wie sagt es der Uropa der Katakuris selbst so schön? „Gott hat ein Herz für Trottel.”

The Happiness of the Katakuris (2001)

Die Katakuris sind eine ganz normale durchgeknallte Familie. Nach seiner Entlassung richtet sich Vater Masao mit seiner Familie ein Gasthaus auf einem idyllischen Berg ein, um dort von den Einnahmen zu Leben. Nur die Gäste lassen auf sich warten. Als der erste kommt, bringt er sich zu allem Unglück in seinem Zimmer einfach um. Im abergläubischen Japan eine schlechte Werbeidee. Also wird der tote Gast verscharrt. Und der nächste ebenfalls …

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen