The Edge of Seventeen (2016)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Nadine (Hailee Steinfeld) zeichnen schlechte Klamotten, ein impulsives — eher neurotisches — Wesen und eine Tendenz zum angedrohten Suizid aus. Aber letzteres nur, damit sie Aufmerksamkeit bekommt. Die will sie vor allem von ihrem Geschichtslehrer Mr. Bruner (Woody Harrelson) haben, dem sie permanent auf die Nerven geht und der mit wahrer Contenance auf ihre anstrengenden Plapperattacken reagiert. Aber was wie Animosität aussieht, entpuppt sich als wahre Zuneigung zwischen Lehrer und Schülerin. Irgendwie sind beide etwas verschroben, was sie denn auch miteinander verbindet.

Trotz ihres komplizierten Wesens freundet sich Nadine mit Krista (Haley Lu Richardson) an, die genau das Gegenteil von ihr ist. Eine kleine Elfe, die wegen ihrer ruhigen und verträumten Art ebenfalls eine Außenseiterin in der Lake Wood Highschool ist (deren Wahlspruch „Today’s lancers, tomorrow’s leaders“ lautet), und bis zum magischen Alter von 17 sind die beiden die dicksten Freundinnen, die scheinbar nichts auseinanderbringen kann. Dann aber kommt es zum verhängnisvollen Wochenende, an dem ihre Mutter (Kyra Sedwick) zu einem Kurztrip mit ihrem Lover wegfährt und Nadines Bruder Darian (Blake Jenner) mit Krista ein Techtelmechtel anfängt. Daraus wird dann eine ernstzunehmende Beziehung und für Nadine bricht eine Welt zusammen. „Entweder er oder ich“ ist ihre ultimative Ansage. Kristas Wahl fällt für den Bruder aus. Und dann gibt es da auch noch Erwin (Hayden Szeto), der Nadine zaghafte Avancen macht, aber leider stößt seine Zuneigung nicht auf Erwiderung. Jedenfalls nicht im ersten Moment …

Nadine ist keine Figur, die sich dem Zuschauer auf Anhieb ins Herz schließt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Und sie macht alles, aber auch wirklich alles falsch. Die Menschen, die sie liebt, stößt sie vor den Kopf. Menschen, die sie lieben, werden von ihr nicht wahrgenommen oder einfach nur ausgenutzt. Sie ist uncharmant, überspannt und sozial inkompatibel. Sie zieht die falschen Klamotten an, trifft sich mit den falschen Jungs und fühlt sich von der ganzen Welt missverstanden. So weit, so gut. Aber genau wegen dieser Unzulänglichkeiten wächst Nadine einem dann doch ans Herz. Hilfreich dafür ist der mehr als verschrobene Geschichtslehrer (glänzend gespielt von Woody Harrelson) als ihr Gegenpart, der seine Schülerin nicht so richtig ernst nimmt und sarkastisch und trocken auf all ihre verletzenden Äußerungen und Entgleisungen reagiert. Teenager, die irgendwo zwischen Baum und Borke stecken, die nicht mehr Kind, aber auch noch nicht erwachsen sind, benötigen genau solche Menschen, die – im Gegensatz zu ihren Eltern – eine emotionale Distanz haben und sich bei Konflikten nicht immer gleich persönlich angegriffen fühlen. Mit der Mutter oder dem Bruder geht das natürlich nicht. Da fliegen die Fetzen. Etwas untypisch (deswegen aber umso bemerkenswerter) für einen amerikanischen Film ist, dass Nadine durchaus in stillen Momenten selbstreflektiv ist. Ihr kommen dann tatsächlich solche Geistesblitze wie: „Ich hatte den allerschlimmsten Gedanken: ich muss den Rest meines Lebens mit mir selbst verbringen…“. Das Ende des Filmes ist hingegen typisch amerikanisch. Die Protagonistin wird geläutert, erfährt Vergebung (von allen, die sie im Laufe ihres siebzehnjährigen Lebens verletzt und gekränkt hat), selbst die gestörte Mutter durchlebt eine Läuterung und es gibt ein Happy End. Schade, dass das wahre Leben so nicht immer läuft!

Trotz dieses etwas zu weichgespülten Endes merkt man dem Regiedebüt von Kelly Fremon Craig ein großes Engagement und eine große Leidenschaft für den Film an. The Edge of Seventeen ist auf zahlreichen nordamerikanischen Festivals gelaufen und wurde von diversen Kritikern beurteilt. Die Regisseurin hat damit ordentlich abgesahnt. Vielfach nominiert, ein paar Mal unter den besten fünf und beim New York Film Critics Circle und bei der Detroit Film Critics Society ging sie als Siegerin aus dem Rennen. Dass dieser Coming-of-Age-Film auf so positives Echo gestoßen ist, liegt zum großen Teil an der herausragenden Leistung von Hailee Steinfeld, die in der Rolle von Nadine zur Höchstleistung aufläuft. Steinfeld, zum Zeitpunkt des Drehs neunzehn Jahre alt, blickt mittlerweile schon auf eine zehnjährige Schauspielkarriere zurück. Vielen sicherlich bekannt aus True Grit von den Coen-Brüdern, wo sie neben Matt Damon, Jeff Bridges und Josh Brolin eine Hauptrolle spielte. Und in James L. Brooks hat Kelly Fremon Craig auch einen namhaften Produzenten gefunden, der bereits die Produktion für Kassenschlager wie Besser geht’s nicht oder Der Rosenkrieg übernommen hat.

Alles in allem spricht diese Teenager-Komödie nicht nur Jugendliche an, sondern auch Eltern und Geschwister, die sich ebenfalls im Sog des Wechselbades der Gefühle befinden. Dank der herausragenden schauspielerischen Leistung von Hailee Steinfeld, die sich mit ihrem Gegenpart Woody Harrelson wahnwitzige Dialoge liefert, ist für eine Ausgewogenheit von Ernsthaftigkeit und Humor gesorgt und nicht zuletzt für ein Happy End.
 

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Meinungen

Hulk · 03.08.2019

Bin froh das ich den Film schon gesehen habe, sonst würde ich mich sehr über die Spoiler aufregen...“jedenfalls nicht im ersten Moment...“...was soll das?