The East

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zwischen den Fronten

Die ehemalige FBI-Agentin Sarah Moss (Brit Marling) arbeitet für die Detektei Hiller Brood, deren Hauptanliegen es ist, ihre Klienten – hauptsächlich Großkonzerne – aus den Schlagzeilen zu halten. Nun sorgt eine linke Gruppierung namens „The East“ für Unruhe: Sie überfällt nachts den CEO einer Firma, die eine Ölpest zu verantworten hat, und verstopft die Klimaanlage seines Hauses mit Öl. Ein Video ihres Angriffs stellen die Aktivisten ins Internet, montiert mit Bildern von ölverschmierten Tieren, die elendig verenden. Und sie kündigen vier weitere Übergriffe an. Um die Klienten vor potentiellen Übergriffen zu schützen, soll sich Sarah in die Gruppierung einschleichen und ihre Pläne ausspionieren. Also erzählt sie ihrem netten Freund, sie müsse beruflich nach Dubai und beginnt ein zweites Leben auf der Straße. Sie weiß, dass „The East“ vor allem aus alternativen jungen Erwachsenen besteht, die die Konsumgesellschaft ablehnen und nach anderen Lebenswegen suchen. Tatsächlich gelingt es ihr, Zugang zu dem inneren Kreis um den charismatischen Benji (Alexander Skarsgård) zu erhalten. Je mehr Zeit sie mit ihnen verbringt, desto mehr zweifelt sie an ihren eigenen Überzeugungen – und steckt schon bald in einem Gewissenskonflikt.
The East ist ein spannender Thriller mit einer überzeugenden Hauptfigur. Brit Marling, die auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, verkörpert die intelligente und toughe Sarah mühelos – und fungiert gekonnt als Identifikationsfigur für den Zuschauer, der sich bald mit Fragen nach der Legitimierung von Gewalt und nach verantwortlichem Handeln auseinandersetzt. Dazu trägt vor allem bei, dass Regisseur und Co-Drehbuchautor Zal Batmanglij Sarahs Entwicklungsprozess sehr gut einfängt. Anfangs ist sie überzeugt, auf der Seite der Guten zu stehen und sieht in „The East“ eine terroristische Öko-Sekte. Dazu findet Zal Batmanglij eindringliche Bilder: Nach der Behandlung einer Verletzung, die Sarah erst zu „The East“ geführt hat, erwacht Sarah in einem kargen Raum, bewacht von einer gehörlosen Aktivistin. In einer Zwangsjacke wird sie zum Essen geführt und soll vor den Augen der anderen Mitglieder einen Weg finden, ohne Hände zu essen. Dann wird sie in einem großartigen Bild belehrt, wie es die anderen machen. Hier baut Zal Batmanglij sehr viel nervöse Spannung auf, für die er eine hervorragende Entladung findet. Ähnlich verhält es sich mit Sarahs Beteiligung an einem ersten Anschlag auf das Fest eines Pharmaunternehmens, bei dem Sarahs Zwiespalt ebenso wie die Skrupellosigkeit ihrer Chefin (großartig: Patricia Clarkson) und die Radikalität von „The East“ deutlich werden.

Zugleich entdeckt Sarah nicht nur, dass „The East“ demokratisch organisiert ist, sondern auch die Nähe innerhalb der Gruppe. Sehr deutlich wird es in einer Sequenz, in der sie Flaschendrehen spielen. Sehr leicht hätten diese Bilder in Kitsch abdriften können, aber Zal Batmanglij lässt sie vielmehr zu einem dichten, intimen Moment werden. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass sich Zal Batmanglij und Brit Marling einen Sommer lang aus der Konsumwelt ausgeklinkt und alternativ gelebt haben. Dabei haben sie sich nicht nur von weggeworfenem Essen ernährt, sondern auch erfahren, wie natürlich sich alles aus einer Gruppe heraus entwickeln kann. Dieses Gefühl wird in The East sehr eindringlich auf die Leinwand transponiert.

Insbesondere in der ersten Hälfte überzeugt der Film zudem mit einem guten Erzählrhythmus, der leider in der zweiten Hälfte nicht immer beibehalten wird. Die zunehmende Eskalation hätte hier schneller voranschreiten können, zumal dadurch etwas mehr Zeit geblieben wäre, den gelungenen Schluss einzuleiten. Dennoch ist The East ein sehr guter Thriller, der innerhalb seiner Konventionalität hervorragende Elemente enthält. Dazu gehört vor allem die Hauptfigur, die sich nicht allein von ihren Gefühlen leiten lässt. Vielmehr sorgt ihre Arbeit dafür, dass sie sich selbst mit den Zielen ihres Lebens auseinandersetzen muss – und mit den Wegen, auf denen sie sie erreichen will. Deshalb wird ihre Entscheidung auch nicht auf die Liebe zu zwei Männern reduziert, sondern der Zuschauer begleitet sie bei einem Entwicklungsprozess. Mühelos trägt Brit Marling diesen Film und verdeutlicht den Zwiespalt zwischen dem Glauben an Institutionen, der Ablehnung von Gewalt und dem Willen, die Welt zu verbessern. Dabei sind diese Welten mit wunderbaren Bildern verknüpft – beispielsweise fungiert eine Herde rennender Pferde als Wiedererkennungszeichen. In intimen Szenen werden die – nicht immer klischeefreien – Motive für das Handeln der Aktivisten entlarvt. Hier hinterlässt insbesondere Tony Kebbel als Doc einen starken Eindruck – aber auch Ellen Page und Alexander Skarsgård schaffen berührende Momente.

Insgesamt ist The East im Gegensatz zu Zal Batmanglijs und Brit Marlings erster Zusammenarbeit Sound of My Voice zwar konventioneller geraten, aber der Film ist ein intelligenter und spannender Thriller, der weitaus weniger Stellung bezieht als zu erwarten ist. Sehenswert.

The East

Die ehemalige FBI-Agentin Sarah Moss (Brit Marling) arbeitet für die Detektei Hiller Brood, deren Hauptanliegen es ist, ihre Klienten – hauptsächlich Großkonzerne – aus den Schlagzeilen zu halten. Nun sorgt eine linke Gruppierung namens „The East“ für Unruhe: Sie überfällt nachts den CEO einer Firma, die eine Ölpest zu verantworten hat, und verstopft die Klimaanlage seines Hauses mit Öl.
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