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Vor allem die niederträchtige Natur des Menschen macht der abgehärteten Molly Johnson in Leah Purcells rauem Outback-Drama zu schaffen. Aus einer feministischen Perspektive blickend, packt der australische Western resolut schmerzhafte Themen an, gerät erzählerisch aber manchmal ins Schlingern.

The Drover’s Wife: The Legend of Molly Johnson (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Spirale der Gewalt

In ihrer zweiten Langfilmarbeit „The Nightingale – Schrei nach Rache“, die 2018 ihre Uraufführung in Venedig feierte, gibt die australische Regisseurin und Drehbuchautorin Jennifer Kent den Opfern der Kolonisierung ihres Heimatlandes eine Stimme. Schonungslos, auch unter Zuhilfenahme von Horrorfilmelementen, zeichnet das Historiendrama den Kampf einer sexuell ausgebeuteten, um ihre Familie gebrachten jungen Frau und eines indigenen Spurenlesers nach. Erinnerungen an diesen ungeschönten Blick auf die Geschichte Down Unders weckt Leah Purcells Outback-Western „The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson“, der eine dezidiert feministische Perspektive einnimmt und die Brutalität der rassistisch-patriarchal geprägten australischen Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts illustriert.

Verantwortlich ist Purcell, die hier ihr eigenes, auf einer Erzählung von Henry Lawson basierendes Theaterstück adaptiert hat, nicht nur für Drehbuch und Regie. Zudem bekleidet die Filmemacherin mit aboriginalen Wurzeln die Rolle der zupackend-leidgeplagten Titelheldin, die im Jahr 1893 in der Einsamkeit der Snowy Mountains mit ihren Kindern ihre Frau steht, während ihr Mann als Viehtreiber (drover) unterwegs ist. Das Gewehr hat sie stets griffbereit. Denn draußen, in der harschen Wildnis, lauern überall Gefahren.

Als der frisch aus London eingetroffene Polizeichef Nate Clintoff (Sam Reid) mit seiner Gattin Louisa (Jessica De Gouw) kurz vor seinem Dienstantritt im Städtchen Everton bei der hochschwangeren Molly vorbeischaut, gibt sie den Neuankömmlingen ihre Kinder mit, um sich in Ruhe auf die Entbindung vorbereiten zu können. Die Kleinen sollen unterdessen im Ort versorgt werden und später auf die abgelegene Farm zurückkehren. Schon kurz nach seiner Ankunft muss sich Clintoff mit einem heiklen Mordfall befassen, in dem umgehend ein entflohener Aborigine als Hauptverdächtiger gilt. Der gesuchte Yadaka (Rob Collins) taucht ausgerechnet vor Mollys Tür auf und wird von ihr nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Anfängliche Vorbehalte weichen jedoch einem wachsenden Vertrauen.

Mehr als einmal bekommen wir ein Gefühl für die Weite und die Ödnis der rauen Outback-Landschaft, in der sich die glaubhaft abgehärtet verkörperte Protagonistin behaupten muss. Purcell widersteht allerdings der Versuchung, eine imposante Panoramaaufnahme an die nächste zu reihen. Statt sich über spektakuläre Naturbilder aufzuplustern, bleibt der Film nah an seinen Figuren und den alltäglichen Kämpfen.

Kritisch beleuchtet die Regisseurin das eingefahrene Herrschaftssystem: Männer haben das Sagen, helfen einander, versichern sich ihrer Vorteile, verweisen die Frauen auf die Hinterbank und sehen sie nicht selten als Freiwild an. Sexueller Missbrauch und Gewalt in der Familie bilden neben dem omnipräsenten Rassismus, der aufs Brutalste die australischen Ureinwohner*innen trifft, die zentralen Themen des Westerndramas.

Auch wenn auf Handlungsebene einige Übergriffe stattfinden, weidet sich die Kamera nicht an den Grausamkeiten. Vielmehr reichen oft schon Andeutungen aus, um den Schrecken greifbar zu machen und Beklommenheit zu erzeugen. Gleichzeitig wirft The Drover’s Wife – Die Legende von Molly Johnson die Frage auf, wie man die von Generation zu Generation weiterdrehende Spirale der Gewalt durchbrechen kann. Etwas Hoffnung – das sei an dieser Stelle verraten – lässt Purcell trotz einer ungemütlichen Grundstimmung zu.

Als spannendste Beziehung erweist sich, wenig verwunderlich, die Annäherung zwischen Molly und Yadaka, über die Erstere mit ihrer Identität konfrontiert wird. Bewusst Verdrängtes bahnt sich seinen Weg an die Oberfläche und verleiht der Geschichte eine weitere interessante Facette. Nicht sonderlich überraschend fällt eine Offenbarung über Molly aus, die schon in den ersten Minuten durch fragmentarische Rückblenden angeteasert wird.

Was dem Film ein Stück seiner Ausdruckskraft raubt, ist der nicht ganz ausgewogene Aufbau. Lässt sich Purcell zunächst Zeit, um Setting und Personen zu beschreiben, überschlagen sich ab der Hälfte teilweise die Ereignisse. Für Molly kommt es heftiger und heftiger. Manche Entwicklungen erhalten aber nicht den Raum, den sie verdienen und benötigen. So wirkt es am Ende etwas forciert, wenn Louisa Clintoff und andere Frauen laut und explizit mehr weibliche Rechte einfordern. Hier und an einigen anderen Stellen zeigt sich, dass das Drehbuch seiner thematischen und emotionalen Bandbreite nicht vollauf gewachsen ist. Gleichwohl: Als feministisch-kritischer Beitrag zur australischen Kolonialgeschichte hinterlässt The Drover’s Wife, auch dank Purcells starker Darbietung in der Hauptrolle, sehr wohl seine Spuren.

The Drover’s Wife: The Legend of Molly Johnson (2021)

Wir schreiben das Jahr 1893. In den Snowy Mountains der australischen Alpen ist die hochschwangere Molly Johnson vollkommen auf sich alleine gestellt. Doch sie muss nicht nur ihr Haus und ihr Eigentum, sondern vor allem auch ihre Kinder vor den Gefahren des Outbacks und ungewollten Eindringlingen beschützen. Und sie ist bereit absolut alles dafür zu tun, auch wenn gleichzeitig eine dunkle Last auf ihr liegt… (Quelle: Cinemien)

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