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Daniel Stamm folgt in „The Devil’s Light“ einer Schwester auf dem Weg zur Bekämpfung von Dämonen und eines verkrusteten Systems.

The Devil’s Light (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die Exorzistin

Der Horrorfilm „Der Exorzist“ (1973) von William Friedkin, basierend auf dem gleichnamigen Roman von William Peter Blatty, hat sich wie kaum ein Zweiter ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Mit seinem Erfolg trug das Werk zum Einzug des Horrorgenres in den Mainstream bei. Der dargestellte Einbruch des Dämonischen in den Alltag wurde seither in vielen Produktionen verhandelt, zumeist als Schocker mit melodramatischen Untertönen, etwa in „Possession – Das Dunkle in dir“ (2012) von Ole Bornedal, doch zum Beispiel auch in Gestalt einer Arthouse-Provinzstudie („Requiem“ von Hans-Christian Schmid), in der wir uns letztlich die Frage stellen müssen, was denn eigentlich beängstigender ist: die (vermeintliche) Besessenheit oder der religiöse Wahn?

Zu den interessantesten Variationen des Themas gehört zudem Daniel Stamms Found-Footage-Film Der letzte Exorzismus (2010), in dem ein Kamerateam die Arbeit eines Predigers dokumentiert, der sein eigenes Exorzisten-Handwerk für Lug und Trug hält. Als dieser den Fall einer angeblich besessenen 16-Jährigen auf einer Farm im tiefsten Süden dazu nutzen will, die billigen Tricks einer „Dämonenaustreibung“ vor laufender Kamera aufzudecken, kommt – natürlich – alles ganz anders. Mehr als eine Dekade nach dieser Mockumentary befasst sich der in Hamburg geborene Regisseur in The Devil’s Light nun erneut mit dem Sujet des Exorzismus und findet abermals spannende Ansätze in einem insgesamt konventionelleren Genre-Rahmen.

Schauplatz des Geschehens ist eine katholische Akademie in Boston, an der Priester lernen sollen, Exorzismen durchzuführen. Auch die 25-jährige Schwester Ann (Jacqueline Byers) fühlt sich hierzu berufen, stößt aber zunächst auf Widerstände innerhalb der patriarchalischen Strukturen. Da der leitende Father Quinn (Colin Salmon) ihr Potenzial erkennt, darf Ann jedoch an den Lehrveranstaltungen teilnehmen und schließlich auch einem Ritus beiwohnen, bei dem die 10-jährige Natalie (Posy Taylor) von einem Dämon befreit werden soll. Ann spürt eine Verbindung zu dem Mädchen, das bald als unlösbarer Fall in den Vatikan verlegt werden könnte. Der Kampf gegen das Böse wird rasch persönlich und führt in Anns Vergangenheit.

Zunächst einmal zeigt Stamm, dass er recht solide mit den Elementen des Genres zu arbeiten vermag. Die Effekte überzeugen, auch wenn sie keine bahnbrechenden Neuerungen zu bieten haben. Die grotesken Körperverrenkungen und fiesen Stimmen sind aus Friedkins Klassiker bekannt; der Body-Horror-Aspekt wird in einigen Momenten noch etwas mehr auf die Spitze getrieben. Neben den üblichen Jump-Scares liefern der Regisseur und sein Kameramann Denis Crossan auch atmosphärische Momente, in denen gekonnt mit Licht und Schatten gespielt wird. Die Schule mit ihren Überwachungskameras und Einwegspiegeln hat etwas Kühles; im dritten Akt begeben sich die Figuren in die Katakomben des Gebäudes.

In dramaturgischer Hinsicht fallen einige Punkte etwas zu schwach aus. Das Nebenpersonal bleibt oberflächlich gezeichnet; diverse Handlungsstränge verlieren sich im Nichts. Über die biografischen Hintergründe des jungen Father Dante (Christian Navarro), der einst in einer Gang war und seiner Schwester Emilia (Cora Kirk) aus Verzweiflung mit einem unautorisierten Exorzismus helfen will, hätten wir gern noch mehr erfahren; auch die von Virginia Madsen verkörperte Ärztin wirkt als potenziell spannender Charakter verschwendet.

Der Kern der Geschichte um die Protagonistin Ann ist indes, auch aufgrund des engagierten Spiels der kanadischen Newcomerin Jacqueline Byers, ziemlich reizvoll. Ann hinterfragt die Vorgehensweise der Kirche, die seit jeher besteht; sie will den Fokus beim Exorzismus auf die Opfer lenken – auf die Schuld und Scham, die die Betroffenen empfinden. Durch ihre Backstory mit einer Mutter (Koyna Ruseva), die womöglich nicht (nur) psychisch krank, sondern auch von einem Dämon besessen war, ist Ann selbst eine traumatisierte Figur, die sich mit intensiver (Nach-)Forschung, Recherche und Einfühlung der Bedrohung entgegenstellt. Das Ende deutet eine mögliche Fortsetzung an, in der Ann vollends zur modernen Nachfolgerin von Pater Merrin und Pater Karras aus Der Exorzist avancieren könnte.

The Devil’s Light (2022)

Schwester Ann ist eine rastlose 25-Jährige, die fest daran glaubt, dass Exorzismen ihre Berufung sind. Aber sie widerspricht den Traditionen der Institution: Schwestern dürfen keine Exorzismen durchführen, nur Priester.

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Meinungen

Horror-Crew · 15.01.2023

Einer der besten Horrorfilme, den wir seit langem gesehen habe. Und die Schocker zwischendurch haben es echt in sich!