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Blitz Bazawules Adaption des Tagebuchromans von Alice Walker orientiert sich weniger an Steve Spielbergs Adaption als am Musical aus dem Jahre 2005. Obwohl die gleiche Geschichte erzählt wird, spürt man diesen Unterschied ebenso deutlich wie die Mechanismen eines Broadway-Publikumserfolges.

Die Farbe Lila (2023)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Prächtiges Licht, kleinere Schatten

Fast 40 Jahre ist es her, dass sich Steven Spielberg der 1982 erschienenen und mit einem Pulitzer Preis ausgezeichneten Romanvorlage „The Color Purple“ von Alice Walker annahm und daraus ein zwar opulentes und emotional berührendes, aber auch zwiespältig aufgenommenes Kinomelodram machte, das das Kunststück fertigbrachte, in elf Kategorien für einen Academy Award nominiert zu sein und am Ende gänzlich leer auszugehen. Vor allem die klischeehafte Darstellung Schwarzer Männer sorgte damals für reichlich Widerspruch, dennoch war der Film zumindest kommerziell ein Erfolg. 

Dass nun mit Die Farbe Lila eine Neuauflage des Stoffes in den Kinos erscheint, bei dem Steven Spielberg und auch Oprah Winfrey (die gleichfalls in der Version von 1985 eine Rolle innehatte) als Koproduzent*innen agieren, legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um eine Art Remake des Filmes handelt. Doch dessen Bezugsgröße bildet nicht der Film, sondern vielmehr eine Musical-Adaption aus dem Jahre 2005, die am Broadway große Erfolge feierte. Und das trotz der Härte und Abgründigkeit des Stoffes.

Die Südstaaten der USA im Jahre 1909: Die 14-jährige Celie ist bereits zum zweiten Mal schwanger von ihrem eigenen Vater Alphonso, der das Mädchen nicht nur sexuell permanent missbraucht, sondern auch die daraus entstandenen Kinder unmittelbar nach der Geburt wegnimmt und verkauft. Trost findet das Mädchen einzig in der liebevollen Beziehung zu ihrer Schwester Nettie. Einige Zeit später bittet der Farmer Albert „Mister“ Johnson um Netties Hand, doch Alphonso lehnt ab und gibt ihm stattdessen Celie zur Frau. Für Celie ist das nicht die erhoffte Befreiung, sondern vielmehr die Fortführung ihres Martyriums, denn für „Mister“ ist sie nicht viel. Mehr als eine billige Haushaltshilfe und allzeit verfügbare Geliebte, die außer ihren Pflichten keinerlei Recht auf ein eigenes und selbstbestimmtes Leben hat.

Eines Tages steht Nettie vor Celies Tür, sie befindet sich auf der Flucht vor den Zudringlichkeiten des eigenen Vaters, doch das gemeinsame Glück der beiden Schwestern wird nicht lange halten, weil auch „Mister“ sexuell übergriffig wird, woraufhin sich Nettie wehrt und aus dem Haus geworfen wird. Die Briefe, die die beiden Schwestern versprechen, einander zu schreiben, um sich über ihr weiteres Schicksal zu unterrichten, werden ihr Ziel nie erreichen, denn „Mister“ wacht eifersüchtig über jeden Kontakt Celies und lässt die Schreiben einfach verschwinden. Und so reißt der Kontakt ab, erlebt Celie Begegnungen, Freundschaften und Enttäuschungen, die sie am Ende doch einem selbstbestimmten Leben näher bringen, als es ihr endlich gelingt, sich aus dem Klammergriff von „Mister“ zu lösen. 

Blitz Bazawule ist nur auf den ersten Blick eine außergewöhnliche Wahl für dieses opulente Film-Musical: Der aus Ghana stammende, aber seit 2001 in den USA lebende Rapper und Songwriter realisierte mit The Burial of Kojo (2018) bereits einen Spielfilm und wurde anschließend von Beyoncé engagiert, um deren Album Black is King visuell umzusetzen. Und diese Herkunft im gleich mehrfachen Sinne spürt man in den Bildern und Tanzszenen des Films, die sich nicht damit begnügen, das Leben der Black Community in den Südstaaten der USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachzubilden. Vielmehr sind Einflüsse von HipHop und anderen populären Formaten wie Musikvideos sowie Querverweise auf die Bühnenherkunft und die Chorus Lines seiner Vorlage unübersehbar.

Auch wenn es Bazawules Adaption ebenso wie Spielbergs Fassung unterlässt, der Queerness der Beziehung zwischen Celie (Fantasia Barrino) und Shug Avery (Taraji P. Henson) einen größeren Platz einzuräumen, ist der Wandel der Zeiten allen gesellschaftlichen Backlashes und konservativen Gegenrevolutionen zum Trotz dennoch auf wohltuende Weise spürbar: Celie ist eine viel aktivere, stärkere und charismatischere Figur als noch im Jahre 1985, und neben dem unsäglichen Leid, das ihr und anderen widerfährt, ist dennoch von Beginn an und in nahezu jeder Szene eine derartige Lebensfreude und -bejahung zu spüren, ein wachsendes Selbstbewusstsein als Schwarze Frau, dass sich dies von der Leinwand auf das Publikum überträgt. Dazu tragen auch die mitreißenden Songs und opulenten Tanzeinlagen sowie generell die Farbenfreude der Inszenierung bei, die einige grobe Holprigkeiten, die gelegentliche Glattheit der an Werbefilme erinnernden Bilder der Südstaaten und die Vorhersehbarkeit der Musical-Struktur zumindest teilweise in Vergessenheit geraten lassen. Richtig überzeugend ist das aber nicht. 

Die Farbe Lila (2023)

„Die Farbe Lila“ ist ein Filmdrama und Musicalfilm nach dem gleichnamigen Roman von Alice Walker und dem Broadway-Musical von 2005 über eine schwarze Frau, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten lebt.

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