Log Line

In Scott Derricksons Horrorthriller trotzt ein entführter Teenager einem Serienkiller und bekommt dabei Unterstützung von den Geistern früherer Opfer. Die Adaption einer Kurzgeschichte Joe Hills baut phasenweise gekonnt Spannung auf, führt aber nicht alle erzählerischen Fäden sauber zusammen.

The Black Phone (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Das Wissen der Anderen

Unter dem Pseudonym Joe Hill konnte sich Joseph Hillström King, Sohn von Schreckensmeister Stephen King, eine beachtliche Karriere als Autor aufbauen. Seine Werke haben diverse Preise abgeräumt. Und manche Arbeiten, etwa der Roman Teufelszeug und die Locke & Key-Comics, wurden für die große Leinwand oder das Fernsehen bzw. Streaming-Plattformen adaptiert. Mit dem Horrorthriller „The Black Phone“ wächst die Liste der Verfilmungen weiter an. Basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte Hills taucht der genreerprobte Scott Derrickson (Erlöse uns von dem Bösen) mit Gespür für Zeitkolorit in das Jahr 1978 ein und serviert dem Publikum eine gruselige Coming-of-Age-Story rund um einen schüchternen Teenager und einen sadistischen Mörder, die eine reizvolle übernatürliche Note bereithält.

Auch wenn dem 13-jährigen Finney (Mason Thames) der entscheidende Wurf bei einem Baseballspiel seiner Mannschaft misslingt, verströmt der Prolog eine ausgelassene Stimmung. Diese endet jedoch abrupt und geht in eine finstere Titelsequenz über, die das Bild einer Entführungsserie in der Suburbia im Norden Denvers an die Wand malt. Ein Unbekannter (Ethan Hawke), der ehrfürchtig „Der Greifer“ genannt wird, macht in seinem schwarzen Lieferwagen die Straßen unsicher und hat schon mehrere Kinder entführt, von denen jede Spur fehlt. Angst liegt über der Vorstadt. Und der zurückhaltende Finney ist geschockt, als es ausgerechnet seinen einzigen echten Freund trifft, der ihm die Bullys der Schule regelmäßig vom Leib hält. Irgendwann steht auch der unsichere Protagonist dem mysteriösen Kidnapper gegenüber, der ihn in seinen Van zerrt und in einen schalldichten, spartanisch eingerichteten Keller sperrt.

Finneys Verschwinden zieht seiner kleinen Schwester Gwen (Madeleine McGraw) und seinem alkoholkranken, zu Gewaltausbrüchen neigenden Vater (Jeremy Davies), der nach dem tragischen Tod seiner Frau mit der Betreuung seiner Kinder heillos überfordert ist, den Boden unter den Füßen weg. Das im Gegensatz zu ihrem Bruder nicht auf den Mund gefallene Mädchen, das in ihren Träumen Informationen zu einigen früheren Taten des Greifers erhalten zu haben scheint, will ihre offenbar übersinnlichen Fähigkeiten einsetzen, um Finney aufzuspüren. Er selbst versucht derweil einen Ausweg aus seiner misslichen Lage zu finden, und staunt nicht schlecht, als das in seinem Verlies mit durchtrenntem Kabel eigentlich nutzlos an der Wand hängende Telefon plötzlich klingelt. Am anderen Ende meldet sich der Geist eines vor ihm getöteten Kindes und möchte Finney bei seiner Flucht helfen.

Nur gemeinsam ist das Böse zu bezwingen. Dieses Motto, das besonders stark in der zweiteiligen Leinwandverfilmung von Stephen Kings Roman Es beschworen wird, zeichnet sich auch in The Black Phone sehr früh ab. Finney und Gwen, die ihrem gemobbten Bruder, wenn nötig, mit Fäusten zur Seite springt, sind eng verbunden, halten zusammen. Nicht zuletzt, weil zu Hause ein angespanntes Klima herrscht. In einer wunderbar pointierten Szene, in der das Knallen eines Brotkorbs fast für einen Wutausbruch sorgt, verdeutlicht Derrickson die bedrückende Situation, mit der die Geschwister täglich umgehen müssen. Lobend erwähnen sollte man an dieser Stelle allerdings, dass das Drehbuch aus der Feder des Regisseurs und seines langjährigen Schreibpartners C. Robert Cargill den nervlich angeschlagenen Vater nicht als dumpfen Schläger abstempelt. Vielmehr scheint wiederholt der tiefe Schmerz über den Verlust seiner Gattin durch. 

Verstärkt wird der erwähnte Gedanke der Solidarität durch das Eingreifen der vorherigen Opfer des Mörders, die sich zwar nicht mehr an ihre Namen erinnern können, ihren Peiniger aber endlich fallen sehen wollen. Das Jenseits, so kann man sagen, hat sich gegen den Täter verschworen. Die Tipps und Hinweise kombiniert Finney schließlich nach und nach mit eigenen Ideen, was zu manch effektivem, von einer durchdachten Kameraarbeit profitierendem Spannungsmoment führt. Der im Mainstream-Horrorkino so beliebten aufdringlichen Buh-Effekte bedient sich The Black Phone nur selten, vertraut stattdessen meistens dem Grauen der Grundkonstellation und der unheimlichen Präsenz Ethan Hawkes, der mit Derrickson schon im Gruselthriller Sinister zusammengearbeitet hat. Obwohl der schaurige Masken tragende Killer und seine Motive bis zum Ende nicht richtig zu fassen sind, verleiht ihm der US-Schauspieler in seiner bewusst affektierten Darbietung eine unberechenbar-bedrohliche Ausstrahlung.

Nicht wenige Rädchen greifen in der Adaption von Joe Hills Kurzgeschichte ineinander. Einiges wirkt dennoch zu unausgegoren, um aus dem Film einen wirklich hervorragenden Genrebeitrag zu machen. Gwens Traumerfahrungen, die zweite paranormale Ebene der Handlung, werden in einem interessanten, grobkörnigen Stil visualisiert. Die Suche des Mädchens nach ihrem Bruder ist jedoch nicht sehr elegant mit der Haupterzählung verzahnt. Auch der Strang um Max (James Ransone), den drogensüchtigen Bruder des Mörders, der sich als Hobbydetektiv versucht, fühlt sich seltsam unfertig an. So, als wäre da etwas im Schneideraum der Schere zum Opfer gefallen. Unnötig ist ferner, wie penetrant bisweilen Finneys Ermächtigung im Dialog vorbereitet wird. Bereits im ersten Drittel bekommt er zu hören, dass er lernen müsse, seinen Mann zu stehen. Eine Forderung, auf die gerade der Schluss übertrieben plakativ Bezug nimmt. Den Holzhammer hätte der mit einer potenten Prämisse gesegnete, immer wieder geschickt Gänsehaut erzeugende Horrorstreifen besser stecken lassen.

The Black Phone (2021)

Finney Shaw, ein cleverer aber schüchterner Junge, wird von einem sadistischen Killer entführt und in einem schalldichten Keller versteckt. Als ein nicht angeschlossenes Telefon klingelt, stellt Finney fest, dass er die Stimmen der vergangenen Opfer dieses Killers hören kann. Sie versuchen zu verhindern, dass Finney das gleiche passiert wie ihnen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen